WM-Endspiel der Gegensätze Japanischer Ballzauber gegen US-Willenskraft

Frankfurt/Main (RPO). Ballzauber gegen Willenskraft, asiatische Zurückhaltung gegen flotte Sprüche, nationale Aufgabe gegen gelebten Pathos: Das Finale der Frauenfußball-WM zwischen Japan und den USA am Sonntag in Frankfurt wird zum Endspiel der Gegensätze.

Frauen-WM, Halbfinale: Frankreich - USA
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Die einen träumen ganz still vom Sieg und Balsam für die geschundene Volksseele, die anderen wollen mit großem Pathos ihre Mission WM-Gold vollenden: Wenn sich am Sonntag Japans Ballvirtuosinnen und die scheinbar unerschütterlichen US-Girls im Finale der Fußball-WM in Frankfurt/Main (20.45 Uhr/live in der ARD) gegenüberstehen, dann wirken nicht nur die Spielsysteme völlig konträr.

Während sich die Spielerinnen von Deutschland-Bezwinger Japan trotz der historischen Chance asiatisch zurückhaltend geben, ist Olympiasieger USA in punkto flotte Sprüche klopfen bereits Weltmeister. "Die Welt wird im Finale hinter uns stehen", sagte Torhüterin Hope Solo voller Überzeugung - und ohne weitere Erklärung. Ihr Selbstbewusstsein tragen die Spielerinnen in diesen Tagen gern zu Schau. Auch auf dem Team-Shirt mit der Aufschrift "Legenden wachsen unter Druck".

Ähnlich deutlich dokumentierte Kultstürmerin Abby Wambach (3 Tore) die wilde Entschlossenheit des Titelträgers von 1991 und 1999, der mit einem Sieg am Sonntag zum alleinigen Rekordweltmeister aufsteigen kann: "Alles, was sich uns in den Weg stellt, können und wollen wir überwinden. Im Endspiel zu stehen, reicht uns längst nicht. Wir haben erst die Hälfte unserer Arbeit getan", sagte die 31-Jährige mit Blick auf den Showdown am Main, dessen Sieger eine FIFA-Prämie von 1,075 Millionen Euro kassiert.

Wambach, quasi die personifizierte Willenskraft der US-Elf, konnte sich auch einen Seitenhieb auf die bereits im Viertelfinale ausgeschiedenen Gastgeber nicht verkneifen: "Die Deutschen haben uns vor acht Jahren bei unserer WM den Titel gestohlen. Jetzt", so kündigte das 1,80 Meter große Kraftpaket an, "jetzt holen wir uns den Pokal in ihrer Heimat endlich zurück."

Japans Mission — nicht nur sportlich

Bei einem Erfolg könnte sich das Team von Trainerin Pia Sundhage am Montag sogar auf dem Balkon des Römers feiern lassen - passenderweise in Sichtweite der Skyline von "Mainhattan". Obwohl First Lady Michelle Obama nun doch nicht nach Frankfurt kommt, sorgt der Erfolg in der Heimat für Aufsehen. "Diese Mannschaft hat das Interesse des Landes geweckt. Mit ihrer ganz eigenen Identität", schrieb USA today.

Die wuseligen und trickreichen Japanerinnen dagegen verfolgen in den WM-Tagen nicht nur eine sportliche Mission. Der erste WM-Titel der Nadeshiko ("Prachtnelke"), wie die Mannschaft genannt wird, soll nach der Fukushima-Katastrophe im März wie Balsam auf die geschundene (Volks-)Seele wirken. "Wir müssen den Pokal holen, damit die Menschen auf der ganzen Welt wieder an Japan glauben", erklärte die nur 1,55 Meter große Offensivkraft Shinobu Ohno den nationalen Auftrag. Und man wolle den Landsleuten nach der schweren Zeit "ein bisschen Freude" schenken.

Nach dem unerwarteten Siegeszug ist mittlerweile auch die Titelprämie ausgehandelt. 13.340 Euro würde jede japanische WM-Teilnehmerin im Fall eines Erfolges gegen den Weltranglistenersten USA kassieren. Zum Vergleich: Für das Viertelfinal-Aus bekamen die deutschen Spielerinnen je 15.000 Euro. Mittelfeldspielerin Homare Sawa (4 Tore) winkt sogar der goldene Schuh als beste WM-Torschützin. Derzeit liegt sie noch mit Brasiliens Weltfußballerin Marta gleichauf.

Doch während sich die Nadeshiko über das Kollektiv identifiziert, projiziert sich das öffentliche Interesse bei den US-Amerikanerinnen vor allen Dingen auf Keeperin Solo und Torjägerin Wambach. Bester Beweis: "Bei Twitter folgen mir nun 112. 000 Leute, vor der WM waren es gerade einmal 10.000", berichtete Solo.

Die volkstümliche Wambach lebt auf ihre Weise den amerikanischen Traum. Einfach aufstehen, wenn man am Boden liegt. Ihre Torflaute beendete sie pünktlich und ebnete ihrer Mannschaft mit je einem Kopfballtreffer im Viertelfinale gegen Brasilien (5:3 i.E.) und im Halbfinale gegen Frankreich (3:1) den Sprung ins Endspiel. "Wenn wir gewinnen, werden Sie den glücklichsten Menschen des Planeten sehen", sagte Wambach, der der WM-Titel noch in ihrer Sammlung fehlt.

Das Interesse an dem bereits seit Monaten ausverkauften WM-Finale hat nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft spürbar nachgelassen. Am Freitag waren beim Internet-Auktionshaus Ebay zwei Tickets der zweite Kategorie für insgesamt 53 Euro zu haben. Für fünf VIP-Karten, die für insgesamt 1190 Euro offeriert wurden, lag bis kurz vor Ablauf der Frist kein einziges Angebot vor.

Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen:

USA: Solo - Krieger, Rampone, Sauerbrunn, LePeilbet - Lloyd, Boxx - O'Reilly, Cheney - Rodriguez (Morgan), Wambach. - Trainerin: Sundhage

Japan: Kaihori - Kinga, Iwashimizu, Kumagai, Sameshima - Sakaguchi, Sawa - Ohno, Miyama - Ando, Kawasumi. - Trainer: Sasaki

Schiedsrichterin: Bibiana Steinhaus (Hannover)

(SID/jaso)
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