Kritik nach Halbfinal-Aus Angerer kontert: "Das macht mich richtig sauer"

Edmonton · Die Stimmung im DFB-Lager hat sich einen Tag nach der bitteren 0:2-Pleite im WM-Halbfinale gegen die USA etwas aufgehellt. Gegner im kleinen Finale ist England nach dem unglücklichen 1:2 gegen Japan. Spielführerin Angerer weist die Kritik aus der Heimat zurück.

Frauen-WM: So trauern die DFB-Frauen nach dem 0:2 im Halbfinale
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So trauern die DFB-Frauen nach dem 0:2 im Halbfinale

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Foto: dpa, crj

Daheim wird nach dem verpassten WM-Endspiel erste Kritik an der Bundestrainerin laut, bei den deutschen Fußballerinnen hellte sich mit dem Umzug nach Edmonton und einem Ständchen für Annike Krahn die Stimmung wieder etwas auf. Torwarttrainer Michael Fuchs hielt nach dem Einzug ins Teamhotel "Westin Edmonton" eine launige Rede zum 30. Geburtstag der Verteidigerin. Damit zauberte er den frustrierten Spielerinnen nach dem bitteren 0:2-Halbfinal-Aus gegen die USA wieder ein Lächeln in die übermüdeten Gesichter. Selbst Celia Sasic, wegen ihres verschossenen Elfmeters gegen die USA die tragische Figur, schaute vor dem Spiel um Platz drei gegen England (Samstag/22 Uhr/ARD) schon etwas fröhlicher drein.

Während die DFB-Elf am Donnerstag die Vorbereitung auf den angestrebten "guten WM-Abschluss" (Bundestrainerin Silvia Neid) mit einem morgendlichen Spaziergang und einer Übungseinheit am Nachmittag im Clark-Stadion aufnahm, formierten sich in der Heimat die Neid-Kritiker. "Man hat bei dieser Weltmeisterschaft gesehen, dass, wenn es ernst wird, andere Mannschaften inzwischen ein Stück weiter als die deutsche sind", sagte Ralf Kellermann, Trainer des VfL Wolfsburg, und dachte an die USA, Japan oder Frankreich. Diese Teams "finden, auch wenn sie unter Druck geraten, fast immer spielerische Lösungen und agieren sehr viel variabler und flexibler."

Frankfurt-Trainer übt harsche Kritik

Colin Bell, Coach von Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt, übte in mehrere Interviews besonders harsche Kritik. "Natürlich darf man nicht immer den Titel erwarten, insgesamt ist die Mannschaft aber unter ihren Möglichkeiten geblieben. Alle Spielerinnen haben bei den Top-Klubs der Bundesliga in den vergangenen Jahren taktisch eine enorme Entwicklung genommen, bei der WM aber ihr Potenzial zu selten ausgeschöpft. Alle beherrschen mehrere Systeme, am Ende hat aber auch ein Plan gefehlt, der auf den jeweiligen Gegner ausgerichtet war."

Die deutsche Spielführerin Nadine Angerer wies Bells Kritik empört zurück. "Das macht mich richtig sauer. Weil es immer leicht ist, Sachen von außen zu beurteilen", sagte die 36-Jährige am Donnerstag in Edmonton. "Wenn man keine Ahnung hat, muss man erstmal die Hintergründe kennen. Aber das Schöne ist, dass er ja auch Trainer ist und es in seinem eigenen Verein besser machen kann", sagte sie süffisant.

"Ich sehe das komplett anders", meinte Angerer vor ihrem 146. und letzten Länderspiel. "Ich bin enttäuscht, dass nach einer Niederlage alles infrage gestellt wird, dass man dann am lautesten schreit. Das sehe ich, ehrlich gesagt, als Schwäche", giftete Angerer gegen den englischen Coach ihres ehemaligen Klubs. Man habe nach guten Leistungen im Halbfinale letztlich gegen ein sehr starkes US-Team verloren. Gegen England will sie noch einmal alles für den Sieg geben: "Ich will auf jeden Fall spielen. Wir wollen uns nicht mit zwei Niederlagen aus dem Turnier verabschieden."

Die deutliche Kritik aus der Bundesliga an Neid, die ihren Rückzug für 2016 nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro angekündigt hatte, kommt zwei Tage vor dem "kleine Finale" zur Unzeit. Doch sicherlich kann man bei der Analyse der WM Fragen stellen, die vor allem die starre taktische Ausrichtung, aber auch die teils nicht optimalen Vorstellungen betreffen. Völlig unverständlich bleibt, warum die Bundestrainerin beim 0:1-Rückstand gegen die USA 20 Minuten vor dem Ende nicht risikofreudiger reagierte und ihr Wechselkontingent ausschöpfte.

Eigentor besiegelt England-Aus

Das Trainerteam um Neid und DFB-Managerin Doris Fitschen hatte sich nach der Ankunft in Edmonton im Commonwealth-Stadion das zweite Halbfinale zwischen Titelverteidiger Japan und dem Überraschungsteam aus England angeschaut. So erlebten sie, wie der Halbfinal-Novize von der Insel dem WM-Titelverteidiger Japan äußerst unglücklich mit 1:2 (1:1) unterlag. Ausgerechnet ein Eigentor von Laura Bassett in der Nachspielzeit (90.+2) besiegelte die Niederlage der "Three Lionesses". So kommt es am Sonntag beim Endspiel in Vancouver zur Neuauflage des WM-Finals von 2011 zwischen Japan und den US-Girls.

"Die Engländerinnen haben im Turnierverlauf gezeigt, dass sie eine sehr gute Mannschaft sind. Trotz der Niederlage werden sie selbstbewusst gegen uns antreten", sagte DFB-Innenverteidigerin Krahn über den Gegner im Spiel um Platz drei in Edmonton. Die Neid-Elf dürfte zwar als leichter Favorit ins kleine Finale gehen, aber leicht wird das nicht. Dabei ist die Bilanz vielversprechend: Von 20 Vergleichen gewann Deutschland 18, noch kein Länderspiel gegen England ging verloren. Im EM-Finale 2009 in Helsinki triumphierte das deutsche Team mit 6:2.

(dpa)
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