Schweden - Frankreich 2:1 Dritter! Schweden siegt in Unterzahl

Sinsheim (RP). In der schönen bunten Welt der Fifa gibt es viele Gründe zu feiern. Nicht immer ist man sicher, ob das Spektakel dem Anlass entsprechend angemessen ist. Dritte Plätze sind eher untauglich für einen prominenten Platz auf dem Briefkopf. Doch darauf nimmt der Fußball-Weltverband an diesem frühen Samstagabend in der baden-württembergischen Provinz keine Rücksicht und spult das von ihm vorgesehene Wohlfühlprogramm konsequent ab.

Frauen-WM 2011: Schweden-Strip nach Platz drei
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Schweden hatte sich nach einem 2:1 im kleinen Finale der Weltmeisterschaft in Sinsheim durchgesetzt. Die Spielerinnen stehen nun auf dem Rasen, um sie herum wird reichlich Konfetti in die Luft gefeuert, laute Musik hämmert aus den Boxen. Es ist das Ende einer durchaus sehenswerten Vorstellung.

Bei dieser Weltmeisterschaft wurden oft und gerne Kreise gebildet. Auf dem Rasen hat diese Form der Zusammenkunft besonders die Delegation aus Schweden beim Turnier kultiviert. Im Halbfinale gegen Japan war der kurzfristig anberaumte Austausch untereinander besonders oft nötig. Beim 1:3 in Frankfurt am Main gegen Japan wurde das Drei-Kronen-Team ziemlich übel vorgeführt.

Bei der Aufarbeitung dieses Erlebnisses ging man nicht gerade zimperlich mit der Mannschaft um — von der schwedischen Presse wurden sie nach Art des Hauses auseinander gerupft. Lotta Schelin verkündete indes fast schon trotzig: "Wir wollen uns mit viel Spaß verabschieden." Am Ende wurde das Projekt bekanntlich erfolgreich abgeschlossen.

Schelin selbst trug einen großen Teil dazu bei, dass sich die Schwedinnen zunächst emotional wieder recht ausgeglichen präsentierten. Sie sorgte trotz einer hartnäckigen Erkältung für die belebenden Momente im nicht gerade raffinierten Offensivspiel der Skandinavierinnen. Das beschränkte sich auf die weniger ausgeklügelte Taktik, Bälle einfach nach vorne zu dreschen und dann zu hoffen, dass sie Schelin schon irgendwie verarbeiten würde. Es blieb zunächst bei zahlreichen Versuchen.

Die Französinnen waren dann allerdings so nett, sich auf das Spielchen einzulassen und so weit aufzurücken, dass sich für Schelin ein ansprechender Raum mit der damit verbundenen Bewegungsfreiheit bot. Nach 29. Minuten und unzähligen vergeblichen Anläufen war es dann endlich vollbracht. Sara Larsson, die später für diese Tat von der Technischen Kommission der Fifa als beste Spielerin ausgezeichnet wurde, bediente die Angreiferin mit einem feinen Pass, Schelin lupfte den Ball an der französischen Torfrau Berangere Sapowicz vorbei zur Führung.

Für Sapowicz war hernach der Arbeitstag verbunden mit großen Schmerzen tragischerweise beendet. Beim Versuch, das Schlimmste zu verhindern, kollidierte sie mit Schelin und knickte mit dem rechten Fuß um. Für die 28-Jährige übernahm Teamkollegin Celine Deville den Posten, die bereits nach der roten Karte von Sapowicz in der Vorrunde gegen Deutschland für eine Partie im Viertelfinale eingesprungen war.

Schelin, die auf dem Arm ihr Markenzeichen "L8" (erster Buchstabe des Vornamens und ihre Rückennummer) tätowiert hat, verzichtete bei den Feierlichkeiten zu ihrem zweiten Treffer im Turnier auf allzu viel Ausgelassenheit. Schließlich ist sie beim aktuellen Champions-League-Sieger Olympique Lyon angestellt. Sie küsste ihren Schuh und guckte den Mitspielerinnen beim einstudierten Freudentanz, dem so genannten Logobitombo, zu — den hatte Schelin sich von einer Kollegin aus Frankreich abgeguckt.

Die Glücksmomente im Spiel der Schweden waren damit allerdings weitestgehend aufgebraucht. Die Französinnen besannen sich auf ihre technischen Qualitäten und erhöhten die Gegenwehr. Sandrine Soubeyrand, mit 37 Jahren die älteste Spielerin der Endrunde, hämmerte einen Schuss (36.) an den Pfosten. Auf der anderen Seite hätte Schelin höchstpersönlich dem Spiel ihrer Mannschaft die nötige Ruhe zurückgeben können — doch kurz vor dem Pausenpfiff scheiterte sie an der starken Deville im Tor der Franzosen.

Es kam, was kommen musste, wenn ein Team sich zwar zahlreiche Chancen erarbeitet, bei der Verwertung aber sehr verschwenderisch ist. Und so ergriffen eben die Französinnen die Initiative und erwiesen sich als deutlich konsequenter in der Verwertung der sich ihnen bietenden Gelegenheiten. Elodie Thomis, erst kurz zuvor eingewechselt, traf mit einem platzierten Schuss aus gut 16 Metern. Torfrau Hedvig Lindahl, bei den drei Gegentreffen gegen Japan der Schwachpunkt, traf diesmal keine Schuld.

Schweden war fortan ziemlich von der Rolle. Weil sie wiederum im Angriff ziemlich sorglos agierten — Josefine Öqvist (64.) traf nur den Innenpfosten. Bei ihr muss sich wohl ziemlich will Frust angestaut haben. Nur so ist zu erklären, warum sie nach einem Zweikampf mit Sonia Bompastor sich zu einer klaren Tätlichkeit hinreißen ließ — sie trat, auf dem Boden liegend, noch einmal nach.

Schiedsrichterin Kari Seitz aus den USA, über die volle Distanz nicht immer auf der Höhe des Spielgeschehens (kurz vor dem Ende übersah sie ein mehr als eindeutiges Handspiel einer Schwedin im Strafraum), griff diesmal sofort durch und verwies Öqvist des Feldes. Das Publikum wähnte eine schauspielerische Tat von Bompastor ausgemacht zu haben und pfiff sie bei jedem Ballkontakt aus.

Nach dem Abpfiff verließ sie schluchzend das Feld. Ihr Trainer Bruno Bini fand die Reaktionen naturgemäß nicht besonders lustig und befand: "Das Publikum hat sie verhalten wie bei einem Spiel der Männer. Das hat mir überhaupt nicht gefallen. Aber so ist wohl die Entwicklung des Sports."

Man hätte natürlich nun annehmen können, die verbliebenen Kräfte aus Schweden würden sich ihrem Schicksal ergeben. Doch das Gegenteil war der Fall. Angetrieben von Schelin ließ sich Schweden nicht unterkriegen — und wurde für so viel Kampfgeist belohnt. Nach einer Ecke setzte sich Marie Hammarstrom durch und traf mit einem sehenswerten Schuss acht Minuten vor dem regulären Ende zum Sieg. Vorausgegangen war allerdings eine Fehlentscheidung, die Schiedsrichterin gab einen Eckball, der wohl keiner war.

Den Schwedinnen war es selbstverständlich gleich. Wieder versammelten sich alle Teammitglieder auf dem Rasen zum Kreis und gingen tanzend auseinander — diesmal gab auch Schelin ihre Zurückhaltung auf und machte mit. Es war schließlich der Tanz der Siegerinnen in der Kategorie "Bestes europäisches Team" bei dieser WM. Schon vorher konnten beide Mannschaften einen großen Erfolg verbuchen und sich für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifizieren. Dort gibt es dann wieder ausreichend Möglichkeiten zur Bildung von Kreisen und natürlich auch für Freudentänze.

Statistik:

Schweden: Lindahl - Svensson, Larsson, Rohlin, Thunebro - Fischer (73. Sembrant), Dahlkvist - Forsberg (62. Hammarström), Sjögran - Schelin, Öqvist. - Trainer: Dennerby

Frankreich: Sapowicz (32. Deville) - Franco (84. Pizzala), Georges, Renard, Bompastor - Soubeyrand, Bussaglia - Abily, Necib (32. Thomis), Thiney - Le Sommer. - Trainer: Bini

Schiedsrichter: Kari Seitz (USA)

Tore: 1:0 Schelin (29.), 1:1 Thomis (56.), 2:1 Hammarström (82.)

Zuschauer: 25.475 (ausverkauft)

Beste Spielerinnen: Rohlin, Schelin - Thomis, Thiney

Rote Karten: Öqvist nach einer Tätlichkeit (68.)

Erweiterte Statistik:

Torschüsse: 13:20
Ecken: 7:5
Ballbesitz: 46:54 Prozent
Fouls: 8:3

(RP)
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