Poker um Fernseh-Rechte für WM Wie TV-Sender und Fifa dem Frauenfußball wirklich helfen würden

Meinung | Düsseldorf · Der Frauenfußball bekommt in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit. Jedoch könnten die deutschen Fans ausgerechnet bei der WM im Sommer in die Röhre schauen. Es wäre ein schwerer Rückschlag im Kampf für Gleichberechtigung im deutschen Fußball.

Deutschlands Torschützin Felicitas Rauch (r) feiert einen Treffer während der WM-Qualifikation.

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Foto: dpa/Friso Gentsch

So viel Aufmerksamkeit und so viele Zuschauer wie seit der EM 2022 gab es für den Frauenfußball in Deutschland selbst nach den WM-Titeln 2003 und 2007 sowie dem Olympiasieg 2016 nicht. Mehr als 30.000 Fans kamen am 11. April zum Testspiel gegen Brasilien in Nürnberg. In der Frauen-Bundesliga spielen die Teams immer häufiger in den großen Stadien der Männerteams, neue Zuschauerrekorde werden aufgestellt. Das EM-Finale der DFB-Frauen im vergangenen Sommer gegen England war mit fast 18 Millionen TV-Zuschauern das meistgesehene Fußballspiel des Jahres in Deutschland. Die Männer konnten diese Zahl bei der WM im Winter bei Weitem nicht erreichen.

Und doch könnten die deutschen Fans ausgerechnet bei der Frauenfußball-WM im Juli und August in die Röhre schauen. Statt den Aufschwung und die Euphorie aus der EM zum Turnier in Australien und Neuseeland mitzunehmen, noch mehr Fans zu gewinnen und weiter Werbung für die Sportart zu machen, droht dem Nationalteam eine Sendepause – zumindest auf den Bildschirmen in der Heimat. Die TV-Rechte an der WM sind für Deutschland weniger als 100 Tage vor dem Start des Turniers noch nicht vergeben. Das könnte auch so bleiben. Es wäre ein schwerer Rückschlag im Kampf für Gleichberechtigung im deutschen Fußball.

Bisher waren die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF nicht bereit, die vom Weltverband Fifa aufgerufene Summe für die Übertragungsrechte zu zahlen. Auch andere Anbieter wie Magentasport, RTL, Prosieben/Sat.1, Sky oder Dazn konnten sich die Rechte bisher nicht sichern. Zu den Verhandlungen mit der Fifa äußern sie alle sich derzeit nicht. Der Grund für den Poker um die Übertragungsrechte: Fifa-Präsident Gianni Infantino hat angekündigt, mehr in den Frauenfußball zu investieren und nach dem Prinzip des Equal Pay zu handeln. Die Fußballerinnen sollen also für ihre Turniere genauso viel Geld bekommen, wie die Männer. Entsprechend will die Fifa 2023 auch die TV-Rechte zu ähnlichen Millionen-Preisen verkaufen, wie bei der Weltmeisterschaft der Männer in Katar. Der Weltverband fordert deutlich mehr Geld als bei vergangenen Turnieren. Wie viel genau, darüber schweigt der Verband. Den Frauen könnten aber nur die gleichen Möglichkeiten wie den Männern geboten werden, wenn der „kommerzielle Wert“ anerkannt werde, so die Fifa, deren Präsident die TV-Anbieter der Länder attackiert, die den veranschlagten Preis nicht zahlen wollen. Auch in England, Spanien und Frankreich gestalteten oder gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Alles große und wichtige Märkte für den Frauenfußball, in denen es viel Zuschauerzuspruch gibt. Einige würden „100 Mal weniger“ zahlen wollen als für die Männer-WM 2022, betonte Infantino. „Das ist nicht akzeptabel“, schimpfte er.

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Foto: dpa/Uwe Anspach

Und damit hat der so umstrittene Fifa-Präsident zumindest nicht unrecht. 215 Millionen Euro sollen ARD und ZDF für die WM in Katar gezahlt haben – für eine Sublizenz von Rechteinhaber Telekom. Zu sehen waren damit nicht alle Spiele des Turniers, aber viele. Die Partien der deutschen Nationalmannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Finale müssen in Deutschland ohnehin laut Rundfunkstaatsvertrag im Free-TV zu sehen sein. Seit 2011 haben die beiden Sender auch alle Spiele der Frauen-Turniere gezeigt.

Das würden sie auch 2023 gerne. Aber eben nicht um jeden Preis. Warum aber nicht, wenn sich doch alle einig sind, dass der Frauenfußball sich weiterentwickelt hat, immer mehr Menschen begeistert und Millionen vor die Fernseher zieht? Während selbst für höchst umstrittenen und von vielen Zuschauern abgelehnte Turniere wie in Katar der Geldbeutel weit geöffnet wird, sitzt das Geld nun nicht so locker bei den TV-Anstalten.

Das mutet gerade in der Diskussion um gleiche Bezahlung und Wertschätzung schnell als geizig, rückständig und ungerecht an. Von der positiven Entwicklung profitieren, aber dafür nicht zahlen wollen – das macht keinen guten Eindruck. Gerade von öffentlich-rechtlichen Sendern könnte man erwarten, dass sie in eine Idee investieren, die sie für unterstützenswert halten. Um die Entwicklung nicht nur zu fördern, sondern mitzugestalten. Und doch müssen auch dort die Verantwortlichen wirtschaftlich handeln und denken. Mitarbeitende müssen bezahlt werden. Es kann nur das Geld ausgegeben werden, das vorhanden ist. Und große Sportevents müssen eben auch zumindest zum Teil das investierte Geld wieder durch Werbung einbringen.

Und deswegen hat Infantino auf der anderen Seite auch unrecht. Ja, der Frauenfußball hat sich auch in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Das Zuschauerinteresse ist um ein Vielfaches größer als noch vor ein paar Jahren – nicht nur an den Spielen der DFB-Frauen. Dennoch ist der Frauenfußball national wie international noch weit entfernt vom Umsatz des Männerfußballs. Superstars, die mit ihren Trikots für Millioneneinnahmen sorgen und jedes Produkt zum Verkaufshit machen, gibt es bei den Frauen kaum. Die Werbeeinnahmen sind noch weit entfernt von denen für eine Männer-WM. Die TV-Sender und Streamingdienste können nicht mit den gleichen Zahlen kalkulieren. Auch das Interesse an Spielen ohne deutsche Beteiligung ist noch ausbaufähig. Hinzu kommt, dass die WM-Spiele in Deutschland wegen der Zeitverschiebung am frühen Morgen laufen – um 8.30 Uhr und 10 Uhr. Damit werden die TV-Quoten der EM nur schwer zu erreichen sein. Auch das führen die TV- Sender als Begründung für ihre niedrigeren Gebote an.

All das fließt dann eben auch in die Beurteilung des kommerziellen Wertes ein. Und dass auch die Streamingdienste Magentasport und Dazn sowie der Pay-TV-Sender Sky, die zuletzt mit mehr Übertragungen großen Anteil am Fortschritt im Frauenfußball hatten, bisher nicht die Fifa-Summe zahlen wollen, zeigt, dass es nicht so einfach ist, wie Infantino meint.

Wenn die Fifa den Frauenfußball wirklich fördern will, dann funktioniert das nicht durch derart immense Preissteigerungen auf einen Schlag. Wie viel von den Mehreinnahmen bei den Spielerinnen wirklich ankommt, müsste sich ohnehin erst zeigen. Viel mehr wäre es wichtig, mit den TV-Sendern in einen wirklichen Austausch zu kommen, wie man dem Frauenfußball bessere Sendezeiten, mehr Aufmerksamkeit, Zuschauer und Werbeeinnahmen verschaffen kann. Denn neben höheren Preisgeldern für die Spielerinnen braucht es vor allem eine Plattform, um mit spannenden und hochklassigen Spielen Werbung für den Sport zu machen. Wenn ausgerechnet die WM-Spiele in einigen der wichtigsten Länder für den Frauenfußball nicht zu sehen sind, schadet das den Fußballerinnen auf ihrem Weg zu mehr Professionalität mehr, als ihnen der werbewirksame Einsatz der Fifa für Gleichberechtigung nützt.

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