Torjägerin aus Krefeld Nationalspielerin Lea Schüller ist im Strafraum zu Hause

Herzogenaurach/Düsseldorf · Bei der anstehenden Europameisterschaft in England gehört Stürmerin Lea Schüller zu den Hoffnungsträgerinnen im deutschen Team. Was die 24-Jährige besonders macht und warum sie als amtierende Bundesliga-Torschützenkönigin nicht mit ihrer Saison zufrieden war.

 Die Schweizer Torhüterin Gaelle Thalmann (unten) stoppt Deutschlands Lea Schüller (r.).

Die Schweizer Torhüterin Gaelle Thalmann (unten) stoppt Deutschlands Lea Schüller (r.).

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Das Wohnzimmer von Lea Schüller ist selbst für Profifußballerverhältnisse äußerst großzügig geschnitten. Rund 665 Quadratmeter Fläche stehen der 24-jährige Nationalspielerin zur Verfügung. Genug Platz also, um auch ihrer größten Leidenschaft regelmäßig nachgehen zu können – dem Toreschießen.

Der aufmerksame Leser wird es an dieser Stelle schon gemerkt haben: Natürlich handelt es sich bei den Maßen von 16,50 mal 40,32 Metern nicht um den Wohnbereich der Mittelstürmerin des FC Bayern, sondern um den Strafraum auf einem Fußballfeld. Und in diesem fühlt sich Schüller so richtig wohl.

Durchschnittlich in jedem zweiten Spiel klingelt es im gegnerischen Tor, wenn sie auf dem Platz steht. Sowohl in der Bundesliga (167 Einsätze, 95 Treffer) als auch beim DFB (39 Länderspiele, 25 Tore) kommt sie auf beeindruckende Quoten und gilt somit fast schon zwangsläufig als eine der großen Hoffnungsträgerin bei der anstehenden Europameisterschaft in England (6. bis 31. Juli), bei der das deutsche Team nach den enttäuschenden Verläufen bei den vergangenen beiden Turnieren wieder ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitreden möchte.

Für Schüller selbst wird es die erste EM in der A-Nationalmannschaft, 2017 wurde sie noch von der damaligen Bundestrainerin Steffi Jones aus dem endgültigen Kader gestrichen. „Dazu muss man sagen: Der Vorbereitungslehrgang auf die EM 2017 war damals mein erstes richtiges Mal bei der Nationalmannschaft“, erklärt Schüller. „Seitdem war ich aber bei fast jedem Lehrgang dabei und konnte entsprechend Erfahrung sammeln. Deswegen freue ich mich jetzt umso mehr, eine Europameisterschaft spielen zu können.“

Als amtierende Bundesliga-Torschützenkönigin (16 Tore in 22 Einsätzen für den FC Bayern) hat die gebürtige Tönisvörsterin ohnehin ein ganz anderes Standing als noch vor fünf Jahren. Umso mehr überrascht es, dass Schüller ihre vielleicht persönlich beste Saison als gar nicht so stark einschätzt. „Ich habe kontinuierlich nicht so gut gespielt: Mal habe ich von Anfang an gespielt, dann wieder nicht“, konstantiert sie. „Wenn ich dann mal ein gutes Spiel gemacht habe, habe ich in der darauffolgenden Partie nicht von Beginn auf dem Platz gestanden. Zudem habe ich in allen wichtigen Spielen entweder nicht von Anfang an oder auf meiner Position gespielt.“

Hinzu kamen mehrere Verletzungs- und Corona-Fälle im Team, sodass der FCB in Meisterschaft und Pokal dem größten Konkurrenten VfL Wolfsburg den Vortritt lassen musste. „Insgesamt“, so Schüller, „war es für den Kopf eine sehr schwierige Spielzeit.“ Die nun aber im Mutterland des Fußballs vielleicht doch noch gekrönt werden kann.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Es wäre ihr erster Titel überhaupt mit dem DFB. Weder bei den Juniorinnen noch im A-Team gelang ihr bisher der große Wurf. Und auch in diesem Jahr scheint der Weg zum Finale nach Wembley ein langer zu werden. In einer Gruppe mit Geheimfavorit Spanien und den traditionell unbequemen Däninnen muss man sich auch erstmal behaupten. „Es ist wirklich eine starke Gruppe“, bestätigt Schüller. „Am Ende ziehen zwei Teams in die nächste Runde ein – und das können wir auf jeden Fall schaffen.“

Behaupten muss Schüller indes auch ihre Position auf dem Platz. In vom Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg favorisierten 4-3-3-System gibt es nur Platz für eine Mittelstürmerin. Aktuell streitet sich die Krefelderin mit Kapitänin Alexandra Popp um diesen begehrten Platz. Popp, mit 114 Länderspielen die erfahrenste Akteurin im deutschen Kader, kommt allerdings aus einer längeren Verletzungspause und wurde zuletzt auch noch durch eine Corona-Infektion zurückgeworfen. Bei der Generalprobe gegen die Schweiz (7:0) kam sie daher auch nur zu einem Kurzeinsatz. Vorteil Schüller? Abwarten.

Mit der 24-Jährigen, die nebenbei Wirtschaftsingenieurwesen studiert, hat Voss-Tecklenburg in jedem Fall eine klassische Strafraumstürmerin im Kader, die ein Gefühl für Räume hat und das Gespür, wann sie diese bespielen muss. Dabei ist sie nicht nur mit den Füßen stark, sondern versteht es auch mit dem Kopf gefährliche Abschlüsse zu kreieren. Eine komplette Angreiferin also? Fast. „Lea hat noch Potenzial und Luft nach oben. Es ist noch mehr drin“, sagte zum Beispiel der ehemalige Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch zuletzt im „Kicker“. „Sie muss die Bälle besser festmachen.“

Unter dem ehemaligen Kopfballungeheuer Hrubesch feierte Schüller im April 2018 ihr Startelfdebüt in der Nationalmannschaft gegen Tschechien – und dankte es direkt mit einem Viererpack. Schon da bewies die Krefelderin eindrucksvoll, dass sie im Strafraum zu Hause ist.

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