Frauen-EM Deutschland zittert sich in Überzahl zum Sieg gegen Italien

Das DFB-Team ist bei der Frauen-EM noch auf der Suche nach der Bestform, hat mit großer Mühe aber einen wichtigen Schritt Richtung Viertelfinale gemacht. Gegen Italien gab es im zweiten Gruppenspiel einen 2:1-Sieg.

Frauen-EM 2017: Italiens Torfrau Laura Giuliani patzt gegen Deutschland
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Italiens Torfrau patzt gegen Deutschland

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Antonio Cabrini ist noch immer so eine Art Entwicklungshelfer. Der 59-Jährige ist seit fünf Jahren für die italienische Frauenfußball-Nationalmannschaft verantwortlich. Doch er kommt nicht so recht voran. Bei dieser Europameisterschaft in den Niederlanden hat er sich viel vorgenommen. Er wollte vor allem eine breitere Öffentlichkeit in der Heimat davon überzeugen, dass er ein Team betreut, dass durchaus verdient hat, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Projekt ist allerdings bereits nach dem ersten Gruppenspiel herbe ins Stottern geraten. Zum Auftakt setzte es gegen Russland eine 1:2-Niederlage. Und auch in der zweiten Partie gegen Deutschland am Freitag in Tilburg reichte es nicht für einen Erfolg. Das 1:2 gegen den Titelverteidiger war gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Aus bei diesem Turnier.

Cabrini war während seiner aktiven Karriere ein Verteidiger von durchaus internationalem Rang. Als Nationalspieler hat er mit der Squadra Azzurra 1982 die Weltmeisterschaft gewonnen, insgesamt 13 Jahre spielte er für Juventus Turin und holte mit der "alten Dame" unter anderem 1985 den Europapokal der Landesmeister gegen den FC Liverpool. Ein Triumph, der allerdings immer im Schatten der schweren Katastrophe im belgischen Heysel-Stadion mit 39 Toten stehen wird.

Frauen-EM 2017: die Bilder des Spiels Deutschland - Italien
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Deutschland - Italien: die Bilder des Spiels

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Der Trainer Cabrini hat sich für eine besonders knifflige Aufgabe entschieden. 2012, als er den Posten bei der Frauenabteilung des italienischen Verbands übernahm, wusste er von den schauerlichen Strukturen. Ihm war klar, dass er für seine Ambitionen, die Mannschaft weiter entwickeln zu wollen, nur belächelt werden würde. Die Medien spotteten über eine Auswahl, für die sich niemand so recht interessieren wollte. In einer Nation, in der Macho-Strukturen noch immer omnipräsent sind, schien kein Platz zu sein für die Auswahl. "Du musst dich ständig erklären, du musst dich ständig verteidigen", sagt Cabrini. "Es kommt aber einfach nichts von unten nach. So ist es schwer, den nächsten Schritt zu gehen." In Italien sind nur rund 22.500 Frauen in Fußballvereinen registriert — Konkurrenzkampf und Duelle auf gehobenem Niveau: Fehlanzeige.

Umso beachtlicher, was Cabrini für eine Arbeit leistet. Gegen Deutschland konnte Italien Werbung in eigener Sache machen. Im Vorfeld hieß es aus dem deutschen Lager, die Kontrahentinnen würden versuchen, sich mit unerlaubten Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. "Sie provozieren, sie reden immer schön und versuchen, einen aus dem Rhythmus zu bringen", urteilte die deutsche Bundestrainerin Steffi Jones. "Da gibt es auch mal einen auf den Zeh. Wir dürfen uns nicht locken lassen." Jones, für sie ist es das erste große Turnier als Trainerin, wollte nicht in die Falle laufen, gegen tief stehende Italienerinnen ausgekontert zu werden. So viel zur Theorie.

Deutschland profitiert von Torwartfehler

In der praktischen Umsetzung tat sich Deutschland auch beim zweiten Auftritt schwer. Die Offensivabteilung brachte nur wenig zwingendes Zustande. Der Führungstreffer durch Josephine Henning (19.) ging ein kapitaler Schnitzer der italienischen Torfrau Laura Giuliani voraus, der der Ball aus den Fingern flutschte. Es brauchte auch schon die freundliche Unterstützung der Gegnerinnen, die Angriffsbemühungen waren schlicht nicht zwingend genug. Italien dagegen brauchte nur einen schnellen Angriff um aufzuzeigen, dass auch die von Jones aufgestellte junge Defensive noch nicht besonders standhaft ist. Ilaria Mauro, die Ende des ersten Durchgangs verletzt ausgewechselt werden musste, traf zum Ausgleich (29.)

Wer fortan ein spielerisches Feuerwerk der deutschen Mannschaft im Koning Willem II Stadion erhoffte, der wurde bitter enttäuscht. Der von Jones angekündigte kontrollierte Ballbesitzfußball war maximal in Grundzügen erkennbar. Anja Mittag nahm schließlich ein erneutes Geschenk der Italienerinnen an, die etwas zu rustikal im Strafraum zu Werke gingen, und holte einen etwas schmeichelhaften Elfmeter raus. Babette Peters traf (67.).

Am Ende war es ein Pflichtsieg für die DFB-Auswahl, die die Schlussphase in Überzahl bestritt — Elisa Bartoli sah die Gelb-Rote Karte (69.) — in der Defensive aber weiterhin einige Wackler offenbarte. "Wichtig ist, dass wir drangeblieben sind und versucht haben, Lösungen zu finden. Es ist immer schön, wenn man ein Tor schießen darf und der Mannschaft weiterhelfen kann", sagte Torschützin Henning. Jones fügte in der ARD hinzu: "Den Sieg haben wir uns verdient, wir waren spielerisch stärker. Im Endeffekt bin ich froh über die drei Punkte."

Für den angestrebten erneuten Gewinn der Europameisterschaft müsste aber eine deutliche Leistungssteigerung her. Zunächst im letzten Gruppenspiel am Dienstag in Utrecht gegen Russland, um sich überhaupt für das Viertelfinale zu qualifizieren.

(gic)
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