Frauen-EM DFB-Team mit Spaß-Fußball zum Titel

Solna/Düsseldorf · Im Endspiel der EM morgen (16 Uhr) gegen Norwegen setzt Bundestrainerin Silvia Neid auf die Lockerheit des Teams.

Die Spaß-Fraktion im deutschen Aufgebot bei der Europameisterschaft hat schon die Planung des weiteren Arbeitstages übernommen. Es soll auf jeden Fall gefeiert werden — mit oder ohne Titel, wobei letzteres sicherlich weniger ernsthaft ins Kalkül gezogen wird. Die Spielerinnen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) greifen morgen (16 Uhr/live in der ARD und Europsport) nach dem achten EM-Titel. Der DFB hat schon einen angemessenen Empfang in Frankfurt am Main angekündigt. Nadine Angerer hat indes etwas lauter angemerkt, dass vor solchen Überlegungen ein anspruchsvolles Finale gegen Norwegen steht. "Wir müssen total konzentriert sein", sagt die Spielführerin. "Mit Hacke, Spitze, eins, zwei, drei und noch ein bisschen mit dem Popo wackeln werden wir nicht gewinnen." Immerhin hat die Torhüterin auch festgestellt: "Wir brauchen Mut, Leidenschaft und Spaß."

Am Anfang stand die Skepsis. Deutschland hat über Jahre im Frauenfußball die Szene dominiert. 2003 und 2007 Weltmeister, seit 1995 am Stück auf dem Kontinent Titelträger. Doch da war dieser eine Tiefschlag. WM im eigenen Land vor zwei Jahren. Viertelfinale gegen Japan. Das Aus. Ein ganzes Land hatte mit der Auswahl gefiebert. Der Boulevard hatte die Spielerinnen im patriotischen Anflug zu Sommermädchen ernannt — und die sollten gefälligst ein passendes Märchen schreiben. Der Druck war zu groß, die Leichtigkeit dahin. Es hat sehr lange gedauert, bis man sich von diesem Rückschlag wieder erholen konnte.

Im Grunde bis zum Viertelfinale gegen Italien bei dieser EM. "Das war das Schlüsselspiel. Vorher sind wir holprig ins Turnier gekommen und waren dann mit dem Erreichen des Viertelfinales erst mal zufrieden. Gegen Italien kam es aber nicht darauf an, schön zu spielen, nur das Ergebnis war wichtig", sagt Bundestrainerin Silvia Neid. So hat man Neid nicht häufig reden hören. Denn es war in den vergangenen Jahren oft ein Selbstläufer, dass Ergebnis und Spielkunst wie selbstverständlich zusammenpassten. Neid hat es geschafft, auch Frauenfußball hierzulande zu einem Event zu machen. In den Anfängen der Sportart dominierten eher rohere Tugenden.

Neid hat immer versucht, Dinge weiterzuentwickeln. Erst als die dazu passenden Resultate nicht sofort abgeliefert wurden, hat überhaupt jemand zur Kenntnis genommen, dass sich etwas verändert hat. "Auch im Frauenfußball geht der Trend zu einem schnellen Umschaltspiel und zu Gegenpressing", sagt die 49-Jährige. "Das muss man heutzutage beherrschen. Das war ein Schwerpunkt in den vergangenen zwei Jahren." In diesem Zusammenhang holt sie gerne einen jener Sätze aus dem gehobenen Fußballer Wortschatz hervor: "Es gibt keine Kleinen mehr."

Norwegen gehört allerdings nicht gerade zu den Leichtgewichten der Branche. Schließlich kassierte das runderneuerte DFB-Team, das ohne sechs verletzte oder kranke Stammkräfte bei der Endrunde auskommen muss, zum Abschluss der Vorrunde vor zehn Tagen eine historische Niederlage, die erste seit 20 Jahren, gegen den Weltmeister von 1995. Die Bundestrainerin hat das 0:1 gegen den zweimaligen Europameister und Olympiasieger von 2000 jedenfalls noch nicht vergessen: "Dass Norwegen ein guter Gegner ist, haben wir ja schon in der Gruppenphase gesehen. Sie sind robust, klar strukturiert und erzwingen immer wieder Torchancen. So können sie immer wieder gefährlich werden." Deutschland ging nach allen bisherigen sieben Final-Teilnahmen als Sieger vom Platz — dreimal hieß der geschlagene Endspielgegner Norwegen (1989, 1991, 2005). Den deutschen Spielerinnen, die jeweils 15 000 Euro sicher haben, winkt die EM-Rekordprämie in Höhe von 22 500 Euro.

Silvia Neid, beim DFB liebevoll "die Chefin" genannt, hat in den vergangenen Tagen viele Gespräche geführt. Sie musste viele Umstellungen vornehmen und plötzlich Spielerinnen wie Anja Mittag Verantwortung übertragen, die bei ihr bislang nicht an erster Stelle standen. Dzsenifer Marozsan (21) hatte lange bei Neid einen schweren Stand. Bedingt durch Umbaumaßnahmen in der Offensive kam Maroszan, Spielmacherin vom siebenmaligen deutschen Meister 1. FFC Frankfurt, zurück ins Team. "Ich habe mit ihr viel geredet. Es war ein guter Austausch — sie hat gezeigt, was sie kann", sagt Neid. Eine Fortsetzung gegen Norwegen ist ausdrücklich erwünscht.

(RP)
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