Deutschland bei der Frauen-EM Auf der Suche nach der Turniermannschaft

Der Einzug in die K.o.-Phase bei der EM in den Niederlanden war für die deutschen Frauen alles andere als ein Spaziergang. Eine Analyse.

Frauen-EM 2022 Kader: Diese Frauen spielen für Deutschland - Fotos
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Der DFB-Kader für die Frauen-EM 2022

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Steffi Jones dürstete es nach einem Schnaps. "Den brauche ich jetzt, den habe ich mir verdient", verkündete die Bundestrainerin des Frauenfußball-Nationalteams. Kurz zuvor hatte ihre Mannschaft mit dem 2:0 gegen Russland den Einzug ins Viertelfinale bei der Europameisterschaft in den Niederlanden perfekt gemacht.

Nun war es nie ernsthaft eine Frage, dass die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an dieser Aufgabe scheitern könnte. Gleichwohl war es ein mühsamer Weg bis zum Erreichen der K.o.-Phase. Dafür gibt es Gründe.

  • Die Rotation

Jones hat noch nicht ihre Stammbesetzung für diese EM gefunden. Im Vergleich zum 2:1-Sieg gegen Italien veränderte sie ihre Startelf gleich auf vier Positionen. Inzwischen sind sogar alle 20 Feldspielerinnen bei der EM zum Einsatz gekommen. Jones begründet die vielen Wechsel so: "Ich hatte vor, diese Gruppenphase mit Variabilität zu spielen, damit wir nicht so berechenbar sind." Dieser Plan ist jedenfalls nicht aufgegangen. In den nächsten Spielen, hat sie angekündigt, soll sich nun eine Turniermannschaft finden.

  1. Die Taktik

Von allem etwas, ist oftmals von allem etwas zu viel. Jones hat sich selbst enorm unter Druck gesetzt vor der EM. Nicht nur erfolgreichen, sondern attraktiven Fußball soll die Nationalmannschaft unter ihrer Ägide zeigen. Auch dieser Plan braucht wohl noch etwas bis zur Reife. Die Spielerinnen irren jedenfalls noch mächtig in den Räumen umher und wählen den falschen Weg. Statt einfacher Spielzüge, wirkt alles schrecklich überladen. Jones dagegen sagt: "Wir halten die Positionen gut, selbst wenn wir rochieren, ist immer die Raute sichtbar. Da ist es egal, wer auf dem Feld steht."

  1. Die Offensive

Die deutsche Mannschaft hat bislang nur vier Tore erzielt — davon drei (!) Elfmeter. Das ist keine besonders rühmliche Ausbeute. Es ist mit Blick auf die Vergangenheit allerdings auch nicht Grund für allzu ausgeprägte Besorgnis, was zumindest den weiteren Turnierverlauf angeht. Vor vier Jahren, bei der EM in Schweden, schloss der spätere Sieger Deutschland die Vorrunde sogar mit einem Tor und drei Punkten weniger ab. Gleichwohl haben sich die Angreiferinnen bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Mandy Islacker und Anja Mittag hängen viel zu sehr in der Luft und werden nur unzureichend mit Bällen bedient. Spielmacherin Dzsenifer Marozsán von Champions-League-Sieger Olympique Lyon rückt viel zu selten entscheidend vor. Was bleibt sind vor allem Schüsse aus der zweiten aus der Distanz, statt herausgespielter Chancen.

  1. Die Führungsspielerinnen

Steffi Jones will sich auch im Führungsstil deutlich von Vorgängerin Silvia Neid abheben und hat dem Team deutlich mehr Verantwortung übertragen. Der Mannschaftsrat wird in viele ihrer Entscheidungen eingebunden. Und auch auf dem Platz soll dieser Kreis ihr verlängerter Arm sein. In der praktischen Umsetzung hapert es bislang noch gehörig. Einigen Akteurinnen sieht man die Last förmlich an. Allen voran Marozsán, von der als Spielgestalterin am meisten erwartet wird. Sie taucht viel zu oft ab, hat es bisher verpasst, dem deutschen Spiel ihren Stempel aufzudrücken. Doch auch von Babett Peter und Anja Mittag muss noch mehr kommen.

  1. Der Ausblick

Fünf Euro fürs Phrasenschwein liegen bereit: Deutschland ist eine Turniermannschaft. Und diese Erkenntnis lässt auch die zarte Hoffnung aufkeimen, dass es am Samstag (20.45 Uhr) im Viertelfinale in Rotterdam gegen Dänemark besser läuft. Jones findet: "Wir haben wieder eine Steigerung gesehen. Der Knoten platzt, die Maschinerie ist jetzt ins Rollen gekommen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gegen Dänemark auch weiter Tore schießen werden."

(gic)
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