Rheinderby Als Fortuna Gladbach den Titel nahm

Düsseldorf · In der Vor-WM-Saison 1973/74 verloren die Borussen zweimal gegen die Düsseldorfer und verpassten so die deutsche Meisterschaft. Der lachende Dritte waren wieder einmal die Bayern.

 Fortuna-Keeper Wilfried Woyke hielt einen Foulelfmeter von Jupp Heynckes.

Fortuna-Keeper Wilfried Woyke hielt einen Foulelfmeter von Jupp Heynckes.

Foto: Horstmüller

Samstag, 11. Mai 1974. Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land wirft bereits ihre Schatten voraus, doch das ist den 45.000 Zuschauern im Düsseldorfer Rheinstadion an diesem Nachmittag ziemlich egal. Zum einen wissen sie noch nicht, dass die deutsche Nationalmannschaft auf ihrem Weg zum Titel schon wenige Wochen später zwei wichtige Partien an dieser Stätte absolvieren wird - das wird erst durch die 0:1-Niederlage gegen die DDR am letzten Gruppenspieltag möglich. Zum anderen steht an diesem 11. Mai ein ganz wichtiges Bundesligaspiel an: Der Tabellendritte Fortuna erwartet am vorletzten Spieltag den Zweiten Borussia Mönchengladbach.

Ein Derby, ganz so wie das aktuelle Pokalduell am 24. Oktober in der Arena, aber mehr als das - die Gäste liegen nur einen Punkt hinter Spitzenreiter FC Bayern München, den sie zum Saisonfinale erwarten. Mit einem Sieg in Düsseldorf hätte Gladbach alle Chancen, den Meistertitel einzufahren. Doch es läuft von Beginn an nicht nach Plan. Bereits in der achten Minute köpft der damals 24-jährige Fortuna-Stürmer Reiner Geye sein Team in Führung, und die folgenden Minuten zeigen, dass die Düsseldorfer keinesfalls gewillt sind, Nachbarschaftshilfe zu leisten.

Die Gladbacher, die im Rheinstadion ein Jahr zuvor das denkwürdige DFB-Pokalfinale gegen Köln gewonnen haben, wehren sich verzweifelt, bleiben aber stets anfällig gegen Fortunas gefährliche Konter. In der 33. Minute scheint alles für die Wende bereitet: Schiedsrichter Walter Engel aus Reimsbach verhängt einen Foulelfmeter für Borussia. Doch der routinierte und sonst so sichere Schütze Jupp Heynckes, damals 29, scheitert, findet seinen Meister in Fortunas Torhüter Wilfried Woyke.

Es bleibt noch fast eine Stunde Spielzeit, doch Gladbach vermag sie nicht zu nutzen. Fortunas Anhänger Hajo Kendelbacher, der ein Vierteljahrhundert später maßgeblich an der richtungweisenden neuen Satzung des Vereins mitarbeiten sollte, erinnert sich: "Ich war damals zwölf Jahre alt, und aus unserem Block 36 ertönten dieses eine Mal hämische ,Bayern wird Meister'-Rufe." Sie bewahrheiten sich, denn Fortuna gewinnt durch den Treffer des 2002 viel zu früh verstorbenen Geye 1:0, und über die Stadionlautsprecher ertönt wenig später die Kunde vom 1:0-Sieg der Bayern über Kickers Offenbach.

Der bedeutungslose letzte Spieltag geht ins Kuriositäten-Kabinett der Bundesliga ein, weil die sichtlich feiergeplagten Meister-Bayern auf dem Bökelberg dringender Sonnenbrillen und ein paar Aspirin benötigt hätten als ein Fußballspiel. Dieses gewinnt Borussia gegen das Starensemblem mit Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller und Co. zwar 5:0, aber den Titel hat Fortuna ihr eine Woche zuvor genommen. Die Düsseldorfer Rolle in dieser Saison wird noch dadurch unterstrichen, dass die Truppe von Trainer Heinz Lucas auch das Hinspiel in Gladbach gewonnen hatte, mit 2:1 nach Treffern von Dieter Herzog und Geye beim zwischenzeitlichen Ausgleich von Heynckes - Spielverderber in Rot-Weiß.

(jol)
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