Fortuna Düsseldorf Kall: "Der Mut zu Entscheidungen ist gefragt"

Düsseldorf · Fortunas Vorstandsvorsitzender Dirk Kall spricht nach 100 Tagen im Amt im Interview mit unserer Redaktion über Ziele, Teamwork, schlafende Riesen und die Trainerfrage.

 Dirk Kall ist seit 100 Tagen als Vorstandsvorsitzender bei der Fortuna im Amt.

Dirk Kall ist seit 100 Tagen als Vorstandsvorsitzender bei der Fortuna im Amt.

Foto: rpo, Falk Janning

100 Tage Vorstandsvorsitzender — welcher Gedanke kommt Ihnen mit Blick auf diese Zeit als erster in den Sinn?

Dirk Kall Dass wir schon nach kurzer Zeit so gut als Team zusammenarbeiten und mich alle so gut angenommen haben.

Hatten Sie es anders erwartet?

Kall Nein, überhaupt nicht. Aber es war mir eben sehr wichtig, dass ich nicht als Besserwisser von außen wahrgenommen werde, der in den Laden hineinplatzt und sagt: Ab jetzt machen wir das so!

Wie sind Sie dann vorgegangen?

Kall Ich habe mir ein Bild aus vielen Gesprächen gebastelt, die ich geführt habe, mit Fortuna-Mitarbeitern aus allen Bereichen, aber auch mit Außenstehenden. Dann habe ich dieses Bild mit dem übereinandergelegt, das ich selbst von Fortuna hatte - und so groß waren die Unterschiede gar nicht.

Also ein positives Zwischenfazit?

Kall Ja, absolut. Ich stelle fest, dass ich nach 100 Tagen im Amt sehr glücklich bin und die anstehenden Herausforderungen mit viel Freude angehe.

...was natürlich auch mit der sportlichen Entwicklung der vergangenen Wochen zu tun hat, stimmt's?

Kall Sicher. Im Fußball geht es nun einmal um den sportlichen Erfolg, und wir sind alle sehr zufrieden, dass die Mannschaft auf der Zielgeraden so erfolgreichen und auch attraktiven Fußball gespielt hat.

Der Erfolg ist eng verbunden mit dem Namen Oliver Reck. Wie geht Fortuna nun damit um, dass nominell dennoch nicht er der Cheftrainer ist, sondern der erkrankte Lorenz-Günther Köstner?

Kall Wir sind Oliver Reck sehr dankbar, dass er in dieser schwierigen Phase eingesprungen ist und einen so guten Job macht. Aber wir dürfen auch die menschliche Komponente nicht vergessen. Mir tut Lorenz sehr leid und ich hoffe sehr, dass er bald wieder vollständig gesund wird.

Aber abzusehen ist das nicht. Wird daher Reck bald der neue Chef?

Kall Es gibt da keinen neuen Stand. Lorenz-Günther Köstner hat einen Vertrag als unser Cheftrainer. Eine Rückkehr ist aber erst dann sinnvoll, wenn er zu 100 Prozent fit ist. Es wird in dieser Sache sicher bald eine Entscheidung geben.

Paul Jäger, als Finanzvorstand einer ihrer wichtigsten Kollegen, war einmal ein Konkurrent um Ihren Posten. Ein Problem?

Kall Überhaupt nicht. Paul und ich respektieren uns total. Und mehr noch: Wir arbeiten hervorragend zusammen, weil wir uns bestens ergänzen. Auch deshalb haben ich das Gefühl gewonnen, dass ich gemeinsam mit dem großen Team bei Fortuna der Verantwortung gerecht werden kann.

Wie definieren Sie Ihre Ziele?

Kall Wir wollen mittelfristig ein etablierter Erstligist werden, sportlich wie wirtschaftlich. Das geschieht nicht von selbst, darin muss man investieren, auf solider Basis.

Was heißt das konkret?

Kall Es gibt vier zentrale Felder: Erstens den Sport systematisch entwickeln, zweitens die Infrastruktur mit dem Nachwuchs-Leistungszentrum, drittens die Einnahmen- und Kapitalbasis zum Beispiel über Sponsoring und Merchandising stärken, viertens die Kommunikation weiter verbessern und dabei vor allem Transparenz schaffen.

Da haben Sie sich eine Menge vorgenommen.

Kall Ja, aber die Entwicklung hat ja längst begonnen. Sicher, ohne die Stadt gäbe es Fortuna nicht mehr. Aber in den vergangenen Jahren hat es der Verein unter der Regie meines Vorgängers Peter Frymuth geschafft, sich Schritt für Schritt freizustrampeln. Jetzt geht es darum, diesen Weg mit klarer Zielvorgabe, System und Strategie weiterzugehen.

Kann man einen Fußballverein überhaupt so strategisch entwickeln wie ein Unternehmen?

Kall Grundsätzlich ja. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Wenn man in einem normalen Unternehmen freitags sein Büro verlässt, kann man in aller Regel montags seine Arbeit fortsetzen. In einem Fußballklub dagegen kann am Montag alles ganz anders aussehen, als man es sich freitags hätte vorstellen können. Wichtig ist, Mut zu Entscheidungen und Veränderungen zu haben und sich von Niederlagen, aber auch Siegen nicht ablenken zu lassen.

Günter Netzer hat vor ein paar Jahren gesagt, Fortuna sei ein schlafender Riese. Schläft sie immer noch?

Kall Sie ist sukzessive aufgewacht. Aber wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, müssen alle Körperteile wach werden - und das sind sie noch nicht. Aber wir sind auf einem guten Wege.

Bernd Jolitz führte das Gespräch

(seeg)
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