Fortuna-Coach Funkel im Interview „Der Trainer muss bei Transfers mitentscheiden“

Düsseldorf · Unter der Führung von Friedhelm Funkel geht es bei Fortuna beständig aufwärts, die Mannschaft entwickelt sich. Im Interview spricht Düsseldorfs Trainer über einen neuen Torhüter, sein Verhältnis zu Vorstandsboss Robert Schäfer und den ehemaligen Fehleinkauf Andrij Voronin.

 Fortunas Cheftrainer Friedhelm Funkel beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt.

Fortunas Cheftrainer Friedhelm Funkel beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt.

Foto: Frederic Scheidemann

In knalligen, orangefarbenen Sportschuhen kommt Fortunas Trainer aus der Kabine. In zwei Stunden wird Friedhelm Funkel seine Mannschaft zur Trainingseinheit am Montagnachmittag bitten. Zuvor macht es sich der 65-Jährige jedoch auf einem Stuhl im Presse-Container zwischen Arena und Leichtathletikhalle bequem und nimmt sich reichlich Zeit für ein Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Funkel, Sie heben ihre Führungspersönlichkeiten gerne hervor – wie zum Beispiel Kapitän Oliver Fink, der gerade seinen Vertrag bis 2020 verlängert hat. Sind sie der Grund für die positive Entwicklung?

Friedhelm Funkel Ja. Insgesamt haben wir über zweieinhalb Jahre eine tolle Mannschaft aufgebaut. Da muss ich wieder Uwe Klein (Kaderplaner und Leiter der Scouting-Abteilung, Anm. d. Red.) und seinem Team ein ganz großes Kompliment machen. Was wir – nach kontroversen Diskussionen – zusammen entschieden haben, war top. Wir waren uns nicht immer einig, aber wir waren uns immer einig, über den Spielertyp, den wir brauchen.

Und zwar?

Funkel Ein Spieler für Fortuna braucht Mentalität und soll möglichst aus der ersten oder zweiten Bundesliga kommen. Wir sind jetzt eine Mannschaft, die gerade dabei ist, Bundesliga-Format zu entwickeln. Als die Spieler zu uns kamen, waren sie keine gestandenen Bundesliga-Spieler – das ist für mich erst einer mit 100 Erstligapartien auf dem Buckel. Unsere Spieler reifen gerade erst dazu – in einer Mannschaft, in der es passt. Das ist der Weg der Fortuna. Und das muss er bleiben.

Wie soll dieser genau aussehen?

Funkel Punktuell können wir Spieler aus dem Ausland holen, aber der Kern einer Mannschaft, die in den vergangenen 20 Jahren nur ein Jahr erste Liga gespielt hat, muss den deutschen Fußball kennen. Das beste Beispiel ist dafür der SC Freiburg. Die haben teilweise elf deutschsprachige Spieler auf dem Platz. Denn wenn es mal nicht läuft, sind das die Spieler, die das ändern müssen. Denn die wollen auch hier in Deutschland weiter Bundesliga spielen. Zudem müssen die Spieler Mentalität haben. Vor meiner Zeit hat man sich in Düsseldorf die Truppe durch falsche Transfers kaputtgemacht.

Zum Beispiel?

Funkel Ich sage nur einen Namen: Andrij Voronin. Als der gekommen ist, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich habe mir gedacht: Wie kann Fortuna das nur machen? Dann hat man später Sercan Sararer geholt. Das ist eigentlich ein Top-Spieler, der schon 200 Bundesligaspiele haben müsste. Ihm fehlt aber oftmals die eben angesprochene Mentalität. In solchen Fällen sieht man: Da hätte die Zusammenarbeit zwischen dem Kaderplaner und dem Trainer passen müssen.

Fortuna Düsseldorf: Die schlimmsten Fehleinkäufe von Fortuna
19 Bilder

Die schlimmsten Fehleinkäufe von Fortuna

19 Bilder
Foto: Rheinische Post/rpo, Falk Janning

So wie es in den vergangenen drei Jahren dann bei Fortuna war?

Funkel Ja. Uwe (Klein, Anm. d. Red.) hat unglaublich Herzblut für die Fortuna, und er hat ein sehr gutes Auge für Spieler. Man muss sich ja nur die Jungs anschauen, die wir geholt haben. Jetzt haben wir mit Lutz (Pfannenstiel, Sportvorstand, Anm. d. Red.) noch einen Mann dazubekommen und zusammen im Winter mit Kownacki, Suttner und Drobny drei gute Spieler und Super-Typen dazu geholt. Sportvorstand, Kaderplaner und Trainer – zusammen mit dem Team drumherum – müssen entscheiden und in die gleiche Richtung gehen. Der Trainer muss die Arbeit mit den Spielern umsetzen. Also muss er auch mitentscheiden, welche Spieler kommen. Das ist bei vielen Vereinen heute leider anders geworden.

Ist das englische System, mit Trainer und Manager in Personalunion, dann besser?

Funkel Ich finde es gut, wie es bei uns in Düsseldorf läuft. Als Trainer will ich nicht alleine entscheiden, aber ich will mitentscheiden. Wenn der Trainer einen Spieler nicht will, dann nutzt es keinem, wenn der Klub den Spieler trotzdem holt.

Haben Sie denn da Bedenken bei Fortuna in Zukunft?

Funkel Nein. Wir haben es doch im Winter schon gut gemacht. Und so müssen wir es weiter machen. Nur so ist es der richtige Weg für einen Verein wie Fortuna. Es darf eben nicht nur einer den Hut auf haben. Wenn zwei von drei Entscheidungsträgern dagegen sind, wird der Spieler nicht geholt. Und wenn Uwe und Lutz dafür sind und ich dagegen, muss auch ich als Trainer mal sagen: Vielleicht haben die beiden ja doch recht. Und dann machen wir das und stehen gemeinsam zu unserer Entscheidung.

Neuer Trainer des 1. FC Kaierslautern: Das ist Friedhelm Funkel
58 Bilder

Das ist Friedhelm Funkel

58 Bilder
Foto: dpa/Marius Becker

Sie sagen, ihr Team ist auf dem Weg zur Bundesligareife. Das führt dazu, dass Spieler Begehrlichkeiten wecken. Wenn Spieler wie Kevin Stöger oder Kaan Ayhan gehen sollten, müssen Sie vielleicht wieder von vorne anfangen...

Funkel Das ist nun mal so im Geschäft. So weit sind wir als Verein eben noch nicht. Deshalb müssen wir immer die Augen und Ohren offen halten – gerade in der ersten und zweiten Bundesliga. Wenn da ein talentierter Bursche nicht so zum Einsatz kommt, müssen wir ihn zu uns holen. Wir müssen weiter gute und glückliche Entscheidungen treffen. Dann kommen wir vielleicht dahin, mal Spieler zu halten oder Spieler zu holen, die mehr Geld kosten. Denn unseren Weg auf Dauer so zu gehen, wird möglicherweise nicht immer erfolgreich sein.

Bei Dawid Kownacki hat Fortuna eine Kaufoption – wohl im hohen einstelligen Millionenbereich. Muss man da mal ins Risiko gehen und an anderen Stellen sparen?

Funkel Es kommt darauf an, wo man dann spart. Das ist nicht so einfach. Auf jeden Fall ist Dawid ein Spieler mit Potential. Da muss man abwägen. Bei Dodi Lukebakio haben wir keine Chance, aber bei Dawid muss man im gesamten Verein überlegen: Wollen wir solch einen Spieler mal halten? Er verspricht im Angriffsbereich einiges, er ist jung, sein Marktwert wird steigen. Das lohnt sich also in anderthalb Jahren vielleicht doppelt.

Zumal man das Risiko in Bezug auf den Charakter minimiert hat, da man ihn ja schon kennt...

Funkel Genau. Der Verein kann keinen Spieler für mehrere Millionen holen, den man nicht kennt. Hier weiß man, dass er funktioniert. Das Ziel ist doch, auf Dauer in der Bundesliga mitzuspielen. Da müssen die finanziellen Risiken dann vielleicht auch erhöht werden.

Zu Lukebakio: Eine Festverpflichtung ist ausgeschlossen. Aber Sie haben bereits angedeutet, dass eine weitere Leihe vielleicht möglich ist, oder?

Funkel Ich würde ihn natürlich mit Kusshand ein weiteres Jahr nehmen. Ich sage auch ehrlich – nicht, weil ich ihn behalten will: Für seine Entwicklung wäre es gut, wenn er noch ein Jahr bleiben würde. Denn hier kommt er auf 25 Spiele im Jahr. Er muss noch sehr viel lernen, vor allem im Spiel gegen den Ball. Da bringt es ihm nichts, wenn er nur fünf Einsätze bei einem Topklub bekommt. Dann geht das Selbstvertrauen in den Keller. Klar besteht für ihn die Möglichkeit, irgendwann nach ganz oben zu kommen. Aber er hat ja schon gesagt, dass er seine nahe Zukunft vermutlich gar nicht selbst entscheiden kann, sondern Watford und die Berater das machen werden.

Es gibt eine Startelf-Position, die im neuen Jahr sicher neu besetzt wird: die des Torhüters. Haben Sie zusammen mit Uwe Klein und Lutz Pfannenstiel schon einen Favoriten auserkoren?

Funkel Wir haben natürlich Spieler im Auge. Wir wollen jemanden holen, der die Nummer eins werden kann – ganz klar. Wir haben mit Micha (Rensing, Anm. d. Red.) schon darüber gesprochen und werden in den kommenden Wochen mit ihm darüber reden, wie auch unser gemeinsamer Weg weitergehen kann. Denn Micha hat einen großen Anteil daran, dass die Fortuna heute da ist, wo sie ist. Mit Rapha (Wolf, Anm. d. Red.) und seiner Verletzung müssen wir gucken, wo der Weg hingeht.

Also gibt es eine Chance, dass Michael Rensing die Rolle als Nummer zwei annimmt und verlängert?

Funkel Der Ausgang des Gesprächs ist offen. Wir müssen schauen, was herauskommt.

Rensing muss ja auch noch acht Spiele in dieser Saison absolvieren – ohne sich hängen zu lassen.

Funkel Das muss er unabhängig vom Ausgang der Gespräche. Dafür ist er Profi, und davon gehe ich auch aus.

Acht Spiele sind es noch in der Bundesliga. Zuletzt gab es zwei Niederlagen. Nun stehen die Aufgaben gegen Gladbach, Berlin und die Bayern an. Kommt doch noch mal das Nervenflattern im Kampf um den Klassenerhalt?

Funkel Nein, daran glaube ich nicht. Wir haben in der Hinrunde sechs Niederlagen in Serie weggesteckt. Auch wenn das keine Garantie ist, dass uns das nochmal gelingt. Wir müssen in jedem Spiel hart arbeiten.

Was muss sich verbessern in den kommenden Spielen?

Funkel Gladbach ist eine gestandene Bundesligamannschaft, wir sind erst eine heranwachsende. In so einem Spiel muss bei uns alles passen – vor allem in der Defensive. Wir haben zu viele Gegentore im Laufe der Saison bekommen. Wenn wir ganz tief gestanden haben und dann unser Umschaltspiel umgesetzt haben, haben wir Spiele überraschend gewonnen. Das haben wir in Wolfsburg gar nicht hinbekommen. Wenn wir einen offenen Schlagabtausch eingehen, verlieren wir Spiele. Das haben wir auch in Gladbach und in Frankfurt gemacht. Wir müssen die Gefahr eingehen, dass wir ein Spiel auch mal 1:2 oder 1:3 verlieren. Am Ende des Spiels kommt aber immer die Chance, noch was mitzunehmen. Aber wenn wir zu früh zu viel wollen, kriegen wir drei bis sieben Stück. Unser Hauptaugenmerk muss auf der Kompaktheit liegen. Dann sind wir stark.

Ist das der Fluch ihrer ehrgeizigen Mannschaft, die nach einem Rückstand direkt nach vorne rennt?

Funkel Das ist aber falscher und übertriebener Ehrgeiz. Ich werde das immer wieder predigen. Wir haben es ja in vielen Spielen besser gemacht: Gegen Freiburg, in Hannover, in Augsburg, gegen Stuttgart, gegen Nürnberg. Das sind schon fünf Siege. Das waren unheimlich wichtige 15 Punkte. Mich ärgern Niederlagen mit drei oder mehr Toren einfach. Wir müssen Spiele länger offen gestalten. Dann holen wir auch noch mehr Punkte. Wir sind mit 31 Punkten jedenfalls nicht zufrieden.

Wie würden Sie denn den Klassenerhalt in ihrer langen Trainer-Vita einordnen?

Funkel Das wäre einer der größten Erfolge. Vor der Saison hat uns keiner etwas zugetraut – außer unsere Fans. Aber auch die haben eine unglaubliche Realität an den Tag gelegt. Sie haben immer gesagt, dass sie uns uns sogar den Abstieg verzeihen würden, wenn wir nur bis zum Schluss kämpfen. So haben unsere Fans uns auch nach heftigen Niederlagen aufgebaut und Optimismus ausgestrahlt.

Da herrscht großes Vertrauen. Zwischen Ihnen und Vorstandsboss Robert Schäfer ist Vertrauen in der Posse um Ihre Vertragsverlängerung verlorengegangen. Wie sieht es rund zweieinhalb Monate danach aus?

Funkel Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin wirklich nicht nachtragend. Mir macht es wirklich große Lust, hier zu arbeiten. Ich war in anderen Vereinen zwar länger tätig, aber ich habe Fortuna wirklich schon im Herzen. Es waren bisher intensive drei Jahre. Mit Lutz habe ich schon viele gute Gespräche gehabt – auch in Bezug darauf, wie wir uns Fortunas Zukunft vorstellen. Und da Lutz nun als Sportvorstand mein erster Ansprechpartner ist, habe ich mit Robert nicht mehr so viel Kontakt. Aber klar gehe ich auch zu Robert ins Büro, wenn ich in der Geschäftsstelle bin.

Sie sind der älteste Bundesligatrainer. Sie haben alle Entwicklungen seit Anfang der 1990er Jahre mitgemacht. Was wünschen Sie sich für die Bundesliga in den kommenden Jahren?

Funkel Ich wünsche mir klarere Regeln – vor allem im Bezug aufs Handspiel. Kein Mensch weiß, wann Hand gepfiffen wird. Es ist ja eine Farce, wie Spieler mit ihren Händen auf dem Rücken in den Zweikampf gehen. Das ist in Wahrheit doch die unnatürliche Körperhaltung. Diese Regel muss klarer werden. Zudem soll das Miteinander in der Bundesliga wieder besser werden. Wir sollten fairer miteinander umgehen. Es müssen weniger Fouls provoziert werden. Auch Rudelbildungen müssen aufhören. Wenn ein Spieler gefoult wird, muss nicht aus 50 Metern der Verteidiger angerannt kommen und den Übeltäter wegstoßen. Das nervt beim Fußball. Es wird immer Foulspiele geben, aber ich muss Foulspiele auch mal akzeptieren. Auch wenn es mal wehtut. Das können wir vom Handball lernen, da passiert das nicht. Und: Ich bin ja Nostalgiker. Ich will am liebsten, dass alle Bundesligaspiele wieder am Samstag um 15.30 Uhr stattfinden. Aber das geht nicht mehr, das weiß ich leider auch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort