Halbfinale Frauen-EM Wie Schwester Lena Fortunas Tim Oberdorf stolz macht

Düsseldorf/Milton Keynes · Die 20-jährige Lena Oberdorf vom VfL Wolfsburg steht am Mittwoch ab 21 Uhr mit der DFB-Elf im EM-Halbfinale gegen Frankreich. Tim Oberdorf ist Profi bei Fortuna Düsseldorf und ein absoluter Fan des Frauenfußballs. Und er schaut sich sogar etwas bei seiner Schwester ab.

 Tim und Lena Oberdorf.

Tim und Lena Oberdorf.

Foto: DPA, IMAGO, ISTOCK | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Noch, so versichert Tim Oberdorf nach dem Dienstagstraining von Fortuna Düsseldorf, sei er völlig entspannt. „Aber am Mittwochabend sieht das ganz anders aus.“ Nicht etwa, weil für den 25-Jährigen dann ein wichtiges Spiel des Zweitligisten anstünde, bei dem er als Abwehrspieler unter Vertrag steht. Nein, am Mittwoch um 21 Uhr (live ZDF und Dazn) wird im englischen Milton Keynes das Halbfinale der Frauen-Europameisterschaft angepfiffen. Und in der deutschen Elf, die sich mit den Französinnen misst, wird Tims Schwester Lena Oberdorf wieder eine ganz wichtige Rolle einnehmen.

Der große Bruder wird dann, wie jedes Mal bei dieser EM, mitfiebernd vor dem Fernseher sitzen. „Ich habe mir fast alles von den deutschen Turnierspielen angesehen“, betont der Düsseldorfer Profi. Natürlich habe es ihn gefreut, als Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem 1:0-Sieg gegen Österreich im Viertelfinale seine Schwester besonders herausgehoben habe. „Aber es geht mir dabei nicht nur um Lena. Die Mädels machen das sehr gut, und das nach einer Vorbereitung, in der nicht immer alles so lief, wie sie sich das vorgestellt hatten.“

Tim Oberdorf ist bei diesen Interna der DFB-Elf voll im Thema, denn die Geschwister stehen in engem und regelmäßigen Kontakt. „Jeden Tag“, sagt Tim. „Nicht immer Sinnvolles, wir reden auch viel Mist, wie das bei Geschwistern nun mal so ist.“ Und die Oberdorfs sind Geschwister wie aus dem Bilderbuch. Natürlich auch mal mit ein bisschen Zoff, im Grunde aber ein Herz und eine Seele. „Ich bin richtig stolz auf Lena“, sagt der fünf Jahre ältere Bruder mit einem Lächeln, „und das auch unabhängig vom Fußball“.

Lena Oberdorf, die beim Topteam VfL Wolfsburg unter Vertrag steht, spielt als Sechserin der deutschen Elf ein überragendes Turnier. Die 20-Jährige füllt diese wichtige Rolle in einer Form aus, wie man es bislang im Frauenfußball vielleicht noch gar nicht gesehen hat: kompromissloses Abräumen, Zweikampf- und Kopfballstärke gepaart mit klugem Pass- und nahezu perfektem Stellungsspiel.

Einiges davon hat sie schon früh beim gemeinsamen Fußballgucken mit Tim gelernt. „Ich habe mir früher mit meinem Bruder Sergio Ramos auf Youtube angeguckt und wie er sich dann immer gefeiert hat, wenn er eine Grätsche ausgepackt hat“, sagte Lena erst kürzlich. „Dass sie das erzählt hat, hat mich schon überrascht“, sagt der Düsseldorfer, bestätigt aber die Geschichte: „Irgendwie war bei uns beiden früh klar, dass wir eher in Richtung Defensivspieler gehen würden. Und da haben wir uns bei den großen Spielen eben nach den Toren die Verteidigungs-Aktionen angeschaut.“

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Bei Lena wirkte das nachhaltig. „Ich liebe es, wenn es physisch zur Sache geht, wenn es im Zweikampf auch mal knallt“, erklärte Oberdorf mal ihre Spielweise. Mit zwölf spielte sie schon in der U15-Auswahl des DFB, mit 17 löste sie bei der WM 2019 in Frankreich Birgit Prinz als jüngste deutsche Nationalspielerin ab. Bruder Tim war im Vergleich eher ein Spätzünder, kickte bis zu seinem 24. Lebensjahr höchstens in der vierten Liga. In der U23 der Fortuna, deren Kapitän der Lehramtsstudent war, fiel er dann jedoch so positiv auf, dass er im relativ hohen Alter noch Zweitligaspieler wurde. In dieser Saison stand er bei den beiden Auftaktsiegen der Düsseldorfer in Magdeburg und gegen Paderborn jeweils über die volle Distanz auf dem Feld.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Hat die kleine Schwester denn dabei auch zugeschaut? „Leider ging das von England aus nicht“, berichtet Tim. „Sie kann dort Sky nicht empfangen, und unser Spiel in Magdeburg lief ohnehin parallel zum letzten Gruppenspiel gegen Finnland. Deshalb habe ich das leider auch verpasst. Aber Lena war früher schon bei uns im Stadion, und als wir in Hannover spielten, ist sie auch von Wolfsburg aus rübergekommen.“

Eine Frage gilt es freilich noch zu klären: Was ist eigentlich so Besonderes an Gevelsberg? In dem 31.000-Einwohner-Städtchen im Ennepe-Ruhr-Kreis sind neben den Oberdorfs auch Lenas Teamkollegin Alexandra Popp und der deutsche Nationalspieler Lukas Klostermann aufgewachsen. „Ich habe keine Ahnung“, antwortet Tim Oberdorf auf entsprechende Nachfrage lachend. „Poppi ist das auch schon gefragt worden, hat sie mal erzählt. Vielleicht ist es die gute Landluft?“

Stolz sind sie in Gevelsberg in jedem Fall auf ihre Profis. So wie Tim auf Lena und den deutschen Frauenfußball insgesamt. Denn belächelt, so versichert er, werde dieser bei den männlichen Kollegen längst nicht mehr. „Im Gegenteil, wir sprechen bei Fortuna viel über die Spiele und fiebern mit. Ich bin absolut pro Frauenfußball. Und bei einigen Aktionen schaue ich mir auch etwas ab.“ Für das Halbfinale ist Tim Oberdorf zuversichtlich: „Wenn diese junge Truppe ins Rollen kommt, dann kann ich mir gut vorstellen, dass sie bis Sonntag dort bleibt.“

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