Geschmacklos-Plakat von Fortuna-Ultras Das törichte Schweigen der Vereine

Düsseldorf · Immer wieder überschreiten Ultras im Profifußball bewusst Grenzen und reklamieren für sich die Deutungshoheit. Die Klubs halten sich oft vornehm zurück, wenn es um das Sanktionieren solchen Fehlverhaltens geht. Ein fatales Signal. Ein Kommentar.

Fortuna-Fans verurteilen Ultra-Plakat
Infos

Fortuna-Fans verurteilen Ultra-Plakat

Infos
Foto: dissidenti-ultra.de/privat

Es ist kein großes Geheimnis, dass es der Bundesliga an Attraktionen mangelt. Die großen Stars spielen in Paris, in der englischen Premier League und in Spanien, bei Real Madrid oder dem FC Barcelona. In Deutschland ist der Star das Publikum. Moderne Arenen. Sicheres Stadionerlebnis. Begegnungen fast immer vor vollbesetztem Haus. In der Regel gute Stimmung auf den Rängen. Fans in der Bundesliga haben also eine große Macht. Sie können den Regler hoch oder runter schieben. Diesem Umstand sind sich die Vereine durchaus bewusst. Deshalb sind sie mitunter auch erschreckend nachsichtig, wenn sich der organisierte Teil der Anhängerschaft mal wieder in Erinnerung ruft, dass er am Unterhaltungsprogramm nicht nur als Statist mitwirken will.

In Düsseldorf hat die Ultragruppierung „Dissidenti“ nun ein Spruchband vor der Heimspielstätte von Fortuna ausgerollt. „Sagt Ihr den Spieltag ab, machen wir im Wald die Bullen platt!“, war in Versalien zu lesen. Und etwas kleiner unter dem Ultra-Logo noch der vermeintlich politische Zusatz: „Hambi bleibt“. Gemeint ist damit der Hambacher Forst, in dem Aktivisten seit Wochen gegen die Rodung für den Braunkohletagbau von RWE protestieren.

Was das Plakat vor allem ist: eine Geschmacklosigkeit erster Güte. Ultras finden solche Plakate überraschenderweise selbst überhaupt nicht schlimm. Allen Ernstes wird versucht, den Inhalt als szenetypische Rhetorik herunterzuspielen. Das ist grober Unfug. Auf dem Plakat ist eine Gewaltandrohung zu lesen. Nichts anderes.

Was Plakate und Aktion wie diese so besonders machen, ist das Schweigen der anderen. Das Nicht-Einschreiten der Vereine. Jedenfalls nicht in der Konsequenz, in der es die meist bekannten Urheber verdient hätten. Man kann lange darüber fachsimpeln, ob es clever vom Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp gewesen ist, ausgerechnet vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund in Erinnerung zu rufen, dass er juristisch gegen Teile der Fanszene vorgeht, die ihn persönlich auf Plakaten und in Sprechchören massiv diffamiert haben. Das Resultat: Der Konflikt hat sich weiter hoch geschaukelt und zu erneuten Eskalationen geführt. Aber ist es nicht trotzdem Hopps Recht, sich zu wehren, wenn er sich in seiner Ehre verletzt fühlt? Der Vorstand von Borussia Dortmund hat sich für das Verhalten entschuldigt. Immerhin.

Bis auf Trainer Friedhelm Funkel will sich bei Fortuna Düsseldorf kein Offizieller zu dem Plakat seiner Ultras äußern. Das passt ganz gut ins Bild von vielen Klubs hierzulande, die sich sehr defensiv verhalten, wenn es darum geht, in den eigenen Fanreihen aufzuräumen. Man will sich keine „Baustelle“ direkt vor der eigenen Haustür aufmachen. Weil man weiß, dass sie zu einem nur schwer zu kalkulierenden Pulverfass werden kann. Ultras haben Macht. Ultras machen Stimmung. Und ein Verein wie Fortuna, vor der Saison als Absteiger Nummer eins von vielen gehandelt, braucht vor allem positive Stimmung. Doch das Signal ist fatal. Das Schweigen ist töricht. Dieses Plakat bedeutet gewiss nicht den Untergang des Abendlandes, aber es ist eine schwere Entgleisung und nicht zu rechtfertigen als Ausdruck einer um Aufmerksamkeit bemühten Jugendkultur.

Es ist geradezu die Pflicht des Vereins, auch in Verantwortung für alle anderen friedlichen Fans, die Verursacher ausfindig zu machen und angemessen zu reagieren. Es geht dabei durchaus wirkungsvoller, als immer mit Stadionverbot zu drohen, dass nach ein paar Wochen eh wieder zurückgenommen wird. Vielleicht wäre es pädagogisch lehrreicher, wenn sich die Feierabend-Protestler mal von einem Familienvater in Uniform erzählen lassen, wie er es findet, an jedem Spieltag auf eine Horde Spätpubertierender aufpassen zu müssen und sich als Dank dafür auch noch bespucken zu lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort