Deutsch-deutsches Duell 1973, Teil 4 Wie „Mister Fortuna“ ins Visier der Stasi geriet

Serie | Leipzig/Düsseldorf · Werner Faßbender hat bei Fortuna viele Funktionen ausgefüllt. Vor allem aber trug er den Verein stets im Herzen und erhielt nicht zuletzt deshalb den ehrenvollen Spitznamen „Mister Fortuna“. Vor der Bespitzelung durch die Stasi schützte ihn das beim Uefa-Pokalspiel 1973 nicht. Teil 4 unserer Serie.

Fortuna Düsseldorf - Das deutsch-deutsche Europapokal-Duell mit Lok Leipzig 1973 in Bildern
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Fortunas deutsch-deutsches Europapokal-Duell

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Foto: Horstmueller/HORSTMUELLER GmbH

Wenn Fußballer im internationalen Wettbewerb spielen, bedeutet das für die Vereine hohen organisatorischen Aufwand. Das galt ebenso für den damaligen Bundesligisten Fortuna Düsseldorf im Jahr 1973. Die Rot-Weißen erwarteten in der dritten Runde des Uefa-Pokals die DDR-Mannschaft von Lokomotive Leipzig.

Nicht nur die eigenen Touristen aus der DDR gerieten beim Hinspiel im Rheinland ins Visier des Ministeriums für Staatssicherheit – der berüchtigten Stasi. Auch Werner Faßbender, „Mister Fortuna“ genannt, damals Lizenzspieler-Obmann und Spielausschuss-Mitglied, fiel auf: Zum einen reiste er im Vorfeld der beiden Vergleiche zweimal in die DDR, um den Gegner bei Ligaspielen zu beobachten und die Tour zum Rückspiel organisatorisch vorzubereiten. Die Stasi-Akten kündigen ihn in ihren Unterlagen fälschlicherweise als „Trainer“ an.

Außerdem berichtete ein inoffizieller Mitarbeiter (IM) seinem Vorgesetzten von einem angeblichen „Vorfall“. Danach habe er Faßbender in der Stadionzeitschrift „Fortuna Aktuell“ eindeutig erkannt. Der Düsseldorfer Funktionär habe angeblich Jugendliche angestiftet, nach dem Hinspiel auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof bei Abfahrt des DDR-Sonderzugs zurück nach Leipzig die Lok-Fans zu provozieren. Die bundesdeutschen „Jugendlichen“ sollen Parolen wie „Opa – Fußballer“ und „Vaterlandsverräter“ gerufen haben. Bei der vermeintlichen Anstiftung sei Faßbender auf dem Bahnsteig beobachtet worden.

Drei weitere inoffizielle Mitarbeiter bestätigten zumindest, dass „diese Person“ auf dem Bahnsteig in der Nähe der randalierenden Jugendlichen gestanden und nichts unternommen habe. Damit hatte die Stasi ihre erwartete, von oben (wenn auch nicht von oberen politischen Kreisen) gelenkte Provokation – wenn es sie wirklich gegeben hat. Aber genau das dürfte allen, die den inzwischen verstorbenen Faßbender kannten, zumindest sehr unwahrscheinlich vorkommen.

 Werner Faßbender mit dem damaligen Fortuna-Trainergespann Hans-Dieter Tippenhauer und Dietrich Weise (v. re.)

Werner Faßbender mit dem damaligen Fortuna-Trainergespann Hans-Dieter Tippenhauer und Dietrich Weise (v. re.)

Foto: HORSTMUELLER GmbH

Bemerkenswert ist, dass das MfS auch im Westen Mitarbeiter hatte und mindestens einer davon für das Hinspiel aktiv wurde. Laut Hochrechnungen des Stasi-Unterlagen-Archivs waren über 40 Jahre hinweg insgesamt rund 6000 Bundesbürger und Westberliner als IM der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A/Spionageabteilung des MfS) tätig. Der offenbar in der Nähe von Düsseldorf lebende IM „Karl Walter“ sollte bei beiden Spielen vor Ort sein und dem MfS darüber Bericht erstatten.

Zudem sollte er seine Kontakte zu SPD-Parteifunktionären sowie zu einem Polizeioffizier spielen lassen und vertrauliche Informationen organisieren. Außerdem sollte er im Vorfeld des Hinspiels das Rheinstadion-Gelände oberservieren. Ob der IM letztlich wirklich mit den Fortuna-Fans nach Leipzig reiste, verraten die vorliegenden Akten nicht. Was weitere Dokumente der Stasi-Unterlagen-Behörde jedoch wissen: Besagter IM war auch als sogenannter „Romeo-Agent“ tätig: Dabei setzte die Stasi gezielt männliche Mitarbeiter ein, die eine Liebesbeziehung zu einer möglichen Quelle eingehen sollten, um vertrauliche Informationen zu erhalten.

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Foto: Frederic Scheidemann

„Karl Walter“ sollte laut Dokumenten der Stasi-Unterlagen-Behörde eine Beziehung zu „Beatrix“ eingehen. Sie war als Sekretärin im diplomatischen Dienst beschäftigt. Über eine Freundin suchte der IM in den 1980er-Jahren ihre Nähe. Zu einer gezielten Anwerbung kam es jedoch aufgrund des Mauerfalls 1989 nicht. Zum Fußball verraten die Akten keine besondere Nähe des inoffiziellen Mitarbeiters. Hier schien 1973 eher sein Wohnort nahe Düsseldorf zu fruchten.

Nähe zu den Leipziger Kickern suchte übrigens auch ein anderer Düsseldorfer Fußballklub. In den vorliegenden Stasi-Akten findet sich ein Brief des Düsseldorfer SC 1899 an den „FC Lokomotive Leipzig“, unterschrieben „Mit Sportsgruß!“ von einem DSC-Vorstandsmitglied. Der DSC 99 fragte an, ob die dortige „Alt-Herren-Mannschaft“ im Vorfeld des UEFA-Cup-Spiels gegen die Fußballer des DSC spielen könne. Auch ein Rückspiel in Leipzig sei gern gesehen.

Ob es wirklich dazu kam, ist nicht überliefert. Das Anschreiben wurde laut handschriftlicher Notiz der Stasi zwar „weitergeleitet“. Eine Zustimmung und Umsetzung ist aber aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Denn das hätte eine noch aufwändigere Überwachung von noch mehr Reisenden für die MfS-Mitarbeiter bedeutet.

Hier geht es zu den ersten Teilen unserer Serie:

Lesen Sie morgen den fünften Teil der Serie.

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