Axel Bellinghausen Wissen, wann es reicht

Düsseldorf · Bis zum 30. Lebensjahr hatte sich Fortuna Düsseldorfs Mittelfeldspieler Axel Bellinghausen (33) keine Gedanken über die Zeit nach dem Fußball gemacht. Dann kam eine Knieverletzung - seitdem fährt er zweigleisig, hört sich um, bereitet sich vor.

Axel Bellinghausen: Fortuna Düsseldorfs Rückkehrer
16 Bilder

Das ist Axel Bellinghausen

16 Bilder
Foto: dpa, Jonas Güttler

Mit einem Schlag wurde Axel Bellinghausen klar, dass es das gewesen sein könnte. Dass er nicht mehr wie selbstverständlich seinen Lebensunterhalt mit seinem großen Hobby Fußball verdienen könnte, dass sein Körper ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Vor gut drei Jahren war das, als die Ärzte dem Profi des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf offenbarten, wie schwer sein Knie verletzt war. "Als ich das Ausmaß des Knorpelschadens erfuhr, ging es für mich nur noch darum, irgendwie noch einmal auf einen Fußballplatz zurückzukehren", erinnert sich der 33-Jährige. "Dabei wusste ich aber immer, dass es vielleicht nur noch für ein einziges Spiel sein würde."

Es sind seitdem noch viele mehr geworden, 74 allein in der Zweiten Liga - doch das konnte zum Zeitpunkt der Diagnose niemand absehen. "Damals bin ich gezwungen worden, mich mit der Zukunft auseinanderzusetzen", berichtet Bellinghausen. "Ich war 30 und hatte bis dahin keinen Gedanken daran verschwendet, was ich nach der Laufbahn tun könnte." Sicher ein Versäumnis - freilich eins, das der erfahrene Axel dem jungen Axel verzeiht. Mehr noch: "Es wäre fatal, schon zu Beginn einer Karriere über die Zeit danach nachzudenken. Heute geht es für die meisten doch schon mit 17 los. Da muss man sich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren, sonst geht es nicht."

"Plötzlich habe ich nach rechts und links geschaut"

Mit 30 dagegen schellte der Wecker. "In so einer Zeit fällt einem erst auf, wie ahnungslos man eigentlich ist", sagt der gebürtige Siegburger kopfschüttelnd. "Ich hatte ja keine Ausbildung gemacht und die Schule schon nach dem Fachabitur beendet. Plötzlich habe ich nach rechts und links geschaut, mich im Freundeskreis nach Berufsaussichten umgehört. Es kann schließlich nicht jeder Fußballer später Trainer werden oder einen anderen Job im Verein übernehmen, diese Positionen sind ja auch begrenzt."

Auch wenn das Knie wieder heilte, hat sich Bellinghausens Denken nachhaltig verändert. "Seit der Verletzung bin ich zweigleisig gefahren, gehe nicht mehr so blauäugig durchs Leben", erklärt er. "Ich halte die Augen offen und führe viele Gespräche. Ich habe mir schon einiges aufgeschrieben, was für mich noch interessant werden könnte. Wenn dann einmal mein Entschluss kommt, dass es jetzt reicht mit dem Fußball, dann wird er wohlüberlegt sein. Und ich möchte nicht, dass ein Arzt meine Karriere beendet."

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt? Wann weiß man, dass es jetzt reicht? "Für mich ist es dann so weit aufzuhören, wenn ich für meinen Verein und meine Mannschaft eine Belastung werde", sagt Bellinghausen. "Ich bin dabei ganz ehrlich zu mir selbst, habe zum Glück auch einige Menschen in meiner Familie und im Freundeskreis, die ganz offen mit mir umgehen. Wenn sie mir sagen oder ich merke, dass es keinen Zweck mehr hat, dann ist Schluss."

Zumindest wird der bodenständige Profi dann in kein tiefes Loch fallen, wird er mit einem aktuellen Jahresgehalt von deutlich unter 500.000 Euro genügend abgesichert sein, um seine begonnenen beruflichen Planungen in Ruhe zu intensivieren. "Mein Traum war immer ein Eigenheim, den habe ich mir mit meiner Frau Silly erfüllt. Aber mir war immer klar, dass ich mir mit dem Fußball nicht mein ganzes Leben finanzieren kann, dass es mit meinem bescheidenen Talent nicht für die großen Fleischtöpfe reicht."

15 Jahre, wenn es gut läuft

Wenn es wirklich gut läuft, meint der Düsseldorfer Publikumsliebling, könne ein Profi 15 Jahre mitschwimmen in diesem Haifischbecken. "Die Frage ist aber", so Bellinghausen, "wie groß bist du als Fisch in diesem Becken? Dann sind ein gutes Elternhaus und ein ehrlicher Freundeskreis wichtig, um Realismus zu bewahren." Er selbst hatte beides. Und dazu den Wecker Knorpelschaden.

Das Ende der Profilaufbahn wird für Axel Bellinghausen nicht das Ende der Welt sein. Und als Fortuna-Urgestein, das schon in der Jugend für die Düsseldorfer spielte und sich auch zu Augsburger und Kaiserslauterer Zeiten immer mit Fortuna identifizierte, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er eine Zukunft im Verein haben wird. Verlassen wird er sich darauf jedoch nicht, lieber seine Augen und Ohren überall haben. Und er will weiter Fußball spielen, "denn ich habe noch richtig Spaß, bin unglaublich dankbar für jeden Moment, den ich gesund genießen darf. Ich bin aber komplett entspannt, was die Verlängerung meines im Juni auslaufenden Vertrages angeht." Noch sagt Axel Bellinghausen nicht, dass es reicht. Aber wenn er es einmal sagt, dann wird er vorbereitet sein.

(jol)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort