Außerordentlicher Fifa-Kongress Fifa-Wahlkampf mit allen Tricks und Finten

Seoul (rpo). Zwischen Fifa-Präsident Joseph Blatter und seinen Kritikern herrscht erbitterter Wahlkampf. Und da sind zur Stimmungsmache vor der Abstimmung über den neuen Fifa-Präsidenten am Mittwoch alle Finten und Winkelzüge erlaubt. Deshalb kommt es am Dienstag noch zu einem Außerordentlichen Kongress, den 54 Verbände beantragt haben.

Damit wird dem zur Wiederwahl angetretenen amtierenden Blatter ein einzigartiges Forum geboten, seine Finanzpolitik zu rechtfertigen und alle Mauschelei-Vorwürfe zu entkräften. Die hauptsächlich von Europa und Asien initiierte Opposition stützt sich auf Anklagen des Fifa-Generalsekretärs Michel Zen-Ruffinen, der in Seoul bekräftigte: "Ich stehe zu meinen Aussagen." Als Gegenkandidaten zu Blatter hat die Opposition den Kameruner Issa Hayatou erkoren, der in seinem Wahlkampf allerdings - zumindest was sein Auftreten betrifft - reichlich blass blieb.

Nach den Zahlen, die die Finanzkommission am Samstag absegnete, hatte die Fifa am 1. April ein Eigenkapital von 155 Millionen Schweizer Franken (108,5 Millionen Euro), bildete Rückstellungen gegen etwaige Risiken in Höhe von 367 Millionen Franken (256,9 Millionen Euro) und verfügt über eine Liquidität von 913 Millionen Franken (639,1 Millionen Euro). Davon werden - vor allem für die Kosten der Weltmeisterschaft - laut Finanzplanung in diesem Jahr noch 280 Millionen Euro ausgegeben. Wie Blatter auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung des Exekutiv-Komitees ergänzend mitteilte, beträgt der Verlust aus der ISL-Pleite für die Fifa nur 25,8 Millionen Euro. Über die letzten vier Jahre wird der Weltfußballverband 133,7 Millionen Euro Gewinn erwirtschaften.

Während Blatter also auf dem außerordentlichen Kongress mit einem Feuerwerk beeindruckender Zahlen aufwarten wird, zielen die Fragen der Opposition in eine andere Richtung. Sie bezweifeln, dass die Pleite von ISL die Fifa nur 35,7 Millionen Euro gekostet hat, sie fragen, wie Gelder, die der Fifa zustanden, auf einem Konto in Liechtenstein haben verschwinden können.

Und sie wollen wissen, weshalb die Fifa 2001 so viel flüssige Mittel nötig hatte, dass sie bereits Forderungen über 100 Millionen Euro, die sie an Sponsoren der WM 2006 hat, verkaufte und damit einen Vorgriff auf die Finanzperiode nahm, in der die WM in Deutschland die wesentlichen Einkünfte bringen soll.

Der außerordentliche Kongress wird die Form wahren und sich über die Zahlen streiten. Es ist nicht damit zu rechnen, dass er aus dem Ruder läuft und die Korruptionsvorwürfe, die Zen-Ruffinen gegen Blatter erhoben hat und die elf Mitglieder des Exekutiv-Komitees zu einer Anzeige bei einem Schweizer Gericht bewegten, öffentlich diskutiert werden. Doch die Debatte um die Zahlen ist nur vordergründig.

Blatter sieht sich als Anwalt der "kleinen" Verbände und malt das Szenario an die Wand, die sechs Konföderationen - und allen voran die mächtige Uefa - wollten mehr Einfluss gewinnen und die Fifa nur noch als eine Art "Holding" des Weltfußballs akzeptieren. Den Europäern ist es ein Dorn im Auge, dass Blatter durch seinen Charme und seine Tricks die kleinen Verbände immer wieder auf seine Seite zieht und damit seine Macht absichert, denn auf dem Kongress hat jedes der 199 Mitgliedsländer eine Stimme. Deshalb auch lehnte Blatter die Aufforderung zum Rücktritt durch Teile des Exekutiv-Komitees rundweg ab und verwies auf die Souveränität des Kongresses. Dort kann er sich aller Anfeindungen zum Trotz einer satten Mehrheit sicher sein - egal, wie angekratzt sein Ruf ist.

Sollte Blatter am Donnerstag wiedergewählt werden - woran in Seoul kaum einer der Beobachter zweifelt - dürften die Tage von Generalsekretär Zen-Ruffinen gezählt sein. Bei der Antwort auf seine Anklagen hat Blatter ihm öffentlich in der letzten Woche schon Inkompetenz und Faulheit unterstellt. Egal, wer wie viel Recht hat - im Fußball gibt es kein Schwarz oder Weiß, aber sehr viel Grau - eine vertrauliche Zusammenarbeit der beiden ist nach den Vorfällen der letzten Wochen nicht mehr vorstellbar.

"Das Fifa-Haus brennt", hat Blatter gewarnt, "Wer hat das Gas ins Haus gebracht?", hat Zen-Ruffinen rhetorisch gekontert. Ein Ergebnis steht schon vor den beiden Kongressen fest: "Zum Wohle des Fußballs", wie der Wahlspruch der Fifa heißt, arbeiten im Moment beim Weltfußballverband nicht viele. Und es steht zu befürchten, dass auch nach den Kongressen die Schlammschlacht weiter geht.

(RPO Archiv)
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