Marketing-Vorstand beim FC Schalke Jobst legt Amt wegen anonymer Anfeindungen und Bedrohungen nieder

Gelsenkirchen · Paukenschlag beim FC Schalke 04: Marketing-Vorstand Alexander Jobst wird den Klub zum Saisonende verlassen. Die Gründe für die Entscheidung des 47-Jährigen sind besorgniserregend.

 Alexander Jobst.

Alexander Jobst.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Schalke 04 versinkt im Chaos. Nach dem angekündigten Rückzug des Marketing-Vorstands Alexander Jobst taumelt der Bundesliga-Krisenklub weitgehend führungslos und finanziell schwer angeschlagen dem Abstieg entgegen. Wegen anonymer Anfeindungen und Bedrohungen seiner Familie legt der 47-Jährige im Sommer sein Amt nieder - es ist der vierte Abgang aus der Führungsetage innerhalb eines Jahres.

"Ich gehe sehr, sehr schweren Herzens und habe lange mit dieser Entscheidung gerungen", sagte Jobst, der seit 2011 im Vorstand sitzt und noch einen Vertrag bis 2024 besaß. Vor ihm hatten bereits Finanzvorstand Peter Peters und Aufsichtsratschef Clemens Tönnies die Kommandobrücke des sinkenden Schiffs verlassen, zudem war Ende Februar Sportvorstand Jochen Schneider nach dem beispiellosen Absturz des einstigen Champions-League-Stammgastes gefeuert worden.

Schalke steht damit vor einem gewaltigen Umbruch unter extrem kritischen Bedingungen: Nach einem Minus von 52 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2020 ist der Traditionsklub mit 217 Millionen Euro verschuldet und mit negativem Eigenkapital von mehr als 70 Millionen Euro in höchster Not, die sehr teure Mannschaft muss für die zweite Liga radikal umgebaut werden - und das Machtvakuum an der Vereinsspitze ist riesig.

Der Aufsichtsrat, den Tönnies als Klubboss 19 Jahre lang führte, wird im Sommer zu großen Teilen neu gewählt. Die Opposition hatte sich zuletzt bei der Posse um die gescheiterte Verpflichtung von Ralf Rangnick schon sehr offensiv in Stellung gebracht.

In die Kritik war in den vergangenen Monaten vor allem Jobst geraten. Der Diplom-Sportökonom, zuvor für Real Madrid und den Weltverband FIFA tätig, hatte zwar die jährlichen Vermarktungserlöse zwischenzeitlich auf über 90 Millionen Euro gesteigert und zuletzt trotz des bevorstehenden Abstiegs die Verträge mit dem Hauptsponsor Gazprom und dem Stadionsponsor Veltins verlängert.

Doch für viele Fans war er eine Reizfigur, die in Interviews den hochemotionalen Verein immer wieder als "Produkt" bezeichnete. Die zunehmende Kommerzialisierung des Traditionsklubs mit zahlreichen Aktivitäten in China stieß viele Anhänger ab, mehrmals wurde Jobst in den vergangenen Monaten auf Transparenten der Ultras auf dem Vereinsgelände als "Teil des Problems" harsch kritisiert und zum Rücktritt aufgefordert.

"Man kann es als dünnhäutig bezeichnen, aber mir ging das einen Schritt zu weit", sagte er damals. Doch es kam noch deutlich schlimmer. "Ich habe SMS und E-Mails erhalten, in denen mir geschrieben wurde, dass man wisse, zu welcher Schule meiner Kinder gehen und ob ich mir sicher bin, dass sie nach Hause kommen", berichtete Jobst im Februar in einer digitalen Gesprächsrunde mit Vereinsmitgliedern: "Oder, dass die nächste Mitgliederversammlung kommt und ich deswegen schon einmal anfangen sollte zu laufen." Es sei "eine Grenze überschritten" worden.

Schalke sucht nun wieder einen neuen Vorstand. Zuvor war Christina Rühl-Hamers zur Nachfolgerin ihres langjährigen Chefs Peters aufgerückt, der Nachwuchs-Direktor Peter Knäbel beerbte Schneider, nachdem die Wunschkandidaten Rangnick und Markus Krösche (RB Leipzig) abgesagt hatten.

(old/sid)
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