Benedikt Höwedes Der Schalker im Moskau-Trikot

Düsseldorf · Er hat 16 Jahre seines Fußballerlebens beim FC Schalke 04 verbracht. In der Champions League empfängt Benedikt Höwedes nun die alte Liebe mit seinem neuen Klub Lokomotive Moskau. Eine Liebe, die niemals geendet ist.

 Ungewohnter Anblick: Benedikt Höwedes im Trikot von Lokomotive Moskau.

Ungewohnter Anblick: Benedikt Höwedes im Trikot von Lokomotive Moskau.

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Wenn Benedikt Höwedes am Mittwochabend in Moskau den Fußballrasen betritt, dann wird er sich vorkommen wie im falschen Film. Anders kann es gar nicht sein. Der 30-Jährige aus Haltern am See ist wie ein verlorener Sohn des FC Schalke 04, der einst unfreiwillig auszog – und nun die alten Freunde zur Wiedersehens-Feier erwartet. „Es wird merkwürdig sein“, schrieb der Profi, der seit August beim russischen Erstligisten Lokomotive Moskau unter Vertrag steht. In der Gruppenphase der Champions League trifft er (18.55 Uhr/DAZN) auf seinen ehemaligen Klub.

16 Jahre lang stand Höwedes beim Ruhrpottklub unter Vertrag. 335 Pflichtspiele hat er für die Blau-weißen absolviert. Höwedes ist in Gelsenkirchen zum Nationalspieler gereift. Er war Kapitän und eine Säule des Teams. Ein Spielertyp der Sorte solider Innenverteidiger. Einer, der das Feld nach außen hin ruhig und unauffällig beackert, der in der Mannschaft aber durchaus ein Sprachrohr ist. Schalkes einstige Nummer 04 – spielerisch limitiert, aber immer wertvoll. Kopfball- und willensstark. Und einer, für den Loyalität kein Fremdwort ist. „Es gab keinen Streit“, gab er lediglich zu Protokoll, als im Sommer 2017 der neue Trainer Domenico Tedesco kam, Höwedes erst das Kapitänsamt nahm und ihm dann nahelegte, den Klub zu verlassen.

Höwedes flüchtete – geradezu Hals über Kopf packte er seine Sachen und wechselte auf Leihbasis zum italienischen Traditionsklub Juventus Turin. Verletzungsgeplagt kam er auf drei Einsätze (248 Spielminuten) und stand nach der Saison wieder in der alten Heimat auf der Matte. Doch die Tür war längst zu. Wie gut, dass sich ein alter Bekannter aus S04-Zeiten in Russland noch an Höwedes erinnerte.

Als Erik Stoffelshaus zum ersten Mal Kontakt zu Höwedes suchte, musste er noch mit Vater Wilfried vorlieb nehmen. Bei einem Hallenturnier in Duisburg-Wedau war der damals Zwölfjährige dem Scout des FC Schalke 04 aufgefallen. Nun ist Stoffelshausen seit Januar 2017 als Sportdirektor von Lokomotive Moskau tätig. Und er hat eine Schalke-Vergangenheit. Die U11 und U12 der Gelsenkirchener Knappenschmiede hat er einige Jahre betreut und war Assistent des ehemaligen Schalke-Managers Andreas Müller, ehe es ihn über den Umweg Kanada nach Moskau zog. Dort hat es sich der gebürtige Mülheimer zum liebsten Hobby gemacht, Fußballprofis im Herbst ihrer Karriere zu verpflichten – und zu einer erfolgreichen Mannschaft zu formen. Russischer Pokalsieger, Europa-League-Achtelfinale und nun amtierender Meister der Premjer Liga. Den Peruaner Jefferson Farfan (33) holte Stoffelshaus sozusagen aus dem Vorruhestand, nachdem er 2016 keinen weiteren Vertrag bei Al-Jazira Abu Dhabi erhielt. Farfan, noch so ein ehemaliger Schalker Leistungsträger.

Benedikt Höwedes – Schalker, Allrounder, Weltmeister
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Die Gäste sind bereit. Alessandro Schöpf aber, der Schalke am Samstag mit seinem Kopfballtor zum 1:0 gegen Mainz den ersten Saisonsieg bescherte, fällt erkrankt aus. Genau wie Amine Harit. Tedesco ist dennoch optimistisch: „Nach fünf Niederlagen war nicht alles schlecht, genauso ist jetzt noch nicht alles gut“, sagte er am Dienstag in Moskau. „Wir müssen einen super Leistung abliefern, um mit einem guten Gefühl nach Hause zu fahren.“

Das Wiedersehen mit Tedesco könnte tatsächlich „merkwürdig“ werden. So unangenehm, wie die Begrüßung des unbeliebten Besuchers, der nur auf der Gästeliste steht, weil man ihn nicht nicht einladen konnte. „Reisende soll man nicht aufhalten“, sagte Tedesco vor rund einem Jahr, als er Höwedes ausgemustert und ihm keine andere Wahl als den Wechsel gelassen hatte. S04-Sportvorstand Christian Heidel betonte, wie die Aufgabe aus sportlicher Sicht wird: „Das wird eine ganz schwierige Nummer“, sagte Schalke-Sportvorstand Christian Heidel vor dem zweiten Gruppenspiel. „Aber es wäre schön, wenn wir einen Sieg mitnehmen könnten. Wir wollen aus einer negativen Serie eine positive machen.“

Höwedes hat es vermieden, vor dem Spiel ein Interview zu geben. Aber das muss er auch nicht. Dass seine Verbundenheit zu Schalke stark ist wie eh und je, zeigt er regelmäßig auf seinen Profilen im sozialen Netz. Auf Instagram postete er noch im August ein Musikvideo. Eine Liedzeile: „In den 80ern im Parkstadion, mit leuchtenden Augen“. Den Song „Mein Schalke“, hat er mit einem Schalke-Rapper aufgenommen. Knapp 100.000 Fans haben ihn mit „Gefällt mir“ bewertet. Höwedes schrieb darunter eine Liebeserklärung an die Fans und „Kumpels“ in der Nordkurve. Auch das zeichnet ihn aus: Der 30-Jährige ist klug genug, um zu wissen, dass sein 2022 auslaufender Vertrag in Russland die Heimkehr bedeuten kann. Und dass ihm die Türen in der Schalker Führungsetage offenstehen.

Die Königsblauen brauchen nach dem 1:1 im ersten Gruppenspiel gegen den FC Porto dringend drei Punkte in der Champions League. Höwedes wird ein guter Gastgeber sein, er wird es aber allen voran Tedesco sportlich beweisen wollen, dass er limitiert, aber wertvoll für ein Team ist.

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