Analyse Populismus statt Meisterschaft

München · Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat sich für die verbale Attacke gegen seinen Ex-Spieler Juan Bernat entschuldigt. Darin steckt ein gewisses Kalkül, findet unser Autor. Der Bayern-Boss betreibt ein gefährliches Spiel. Ein Kommentar.

 Uli Hoeneß.

Uli Hoeneß.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Uli Hoeneß entdeckt in diesen Tagen mal wieder eine neue Seite an sich. Der Präsident des FC Bayern München versucht sich in Demut. Zumindest in dem, was er darunter versteht. 19 Tage zuvor hat er auf einer vom Boulevard als „Wut-PK“ deklarierten Veranstaltung alles, was nicht schnell genug auf dem Baum war, niedergemäht. Und wer nicht da war, der wurde von ihm in Abwesenheit abgeurteilt. Einer der Leidtragenden war der Spanier Juan Bernat, dem Hoeneß kurzerhand die Befähigung, auf gehobenem Niveau seinen Beruf ausüben zu können, abgesprochen hat. Mit etwas Abstand ist Hoeneß also nun aufgefallen, dass er dabei noch deutlicher übers Ziel hinaus geschossen hat, als einst im EM-Finale 1976, als er beim Elfmeterschießen seinen Versuch in den Himmel von Belgrad beförderte.

„Das ein oder andere Wort, das ich gebraucht habe, würde ich nicht noch einmal machen. Das hat mir sehr leid getan. Juan Bernat beleidigt zu haben, seine Spielweise in einem Spiel. Das würde ich so nicht mehr machen“, sagte Hoeneß. Kurz zuvor hatte der FC Bayern München 2:0 (1:0) in der Champions League gegen AEK Athen gewonnen. Kein besonderes glanzvoller Auftritt, immerhin ein Erfolg. Man ist rund um die Säbener Straße in der Amtszeit von Niko Kovac bescheidener geworden. Bernat hat die beste Antwort selbst gegeben: Wiederum Tags zuvor hatte der Mittelfeldspieler, der mittlerweile bei Paris Saint-Germain unter Vertrag steht, in Neapel beim 1:1 ein Tor erzielt.

Der FC Bayern täte gut daran, sich hauptsächlich mit sich selbst zu beschäftigen. Hoeneß weiß das. Dementsprechend zurückhaltend präsentiert er sich dann auch vor dem großen Duell mit Borussia Dortmund. Meisterschaft? „Die würden wir immer gerne haben. Aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen. Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt.“ In den vergangenen sechs Jahren konnte die Konkurrenz einen klitzekleinen anderen Eindruck gewinnen, alle Titel blieben in München.

„Die beste Pressekonferenz seit Tic Tac Toe!“
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Foto: dpa/Sven Hoppe

Selbst ein Jahr ohne Meisterschaft wäre für Hoeneß also kein Problem. Und auch zu Kovac steht er nach wie vor finster entschlossen. „Daran hat sich nix geändert. Meine Aussagen gelten nicht immer nur für zwei, drei Wochen.“ Man könnte ein Telefonbuch mit Aussagen zusammenstellen, deren Halbwertzeit deutlich kürzer war. Hoeneß hat das Beckenbauersche „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ sozusagen noch einmal in eine ganz andere Liga geführt.

Was Hoeneß macht, ist aus subjektivem Empfinden heraus immer und ausschließlich nur zum Besten seines Vereins. Und es ist in gewisser Weise auch gut für die ganze Branche, dass der FC Hollywood sich zurück auf der großen Bühne gemeldet hat. Denn sportlich hat die Bundesliga im Vergleich zu den anderen Top-Ligen deutlich an Glanz verloren. Dann versucht man eben, im Unterhaltungssegment zu punkten.

Uli Hoeneß betreibt allerdings ein gefährliches Spiel. Er bedient sich der Sprache des Populismus. Er überzeichnet und überschreitet bewusst Grenzen, um hinterher wieder öffentlichkeitswirksam einen Schritt zurückzugehen. Die Aussagen haben da aber längst ihre Wirkung erzielt. Hoeneß passieren Dinge nicht einfach so. Dazu ist er zu lange im Geschäft. Dazu hat er ein zu ausgeprägtes Gespür für den richtigen Zeitpunkt. So oder so ähnlich hat er sich immer wieder verhalten, wenn der FC Bayern vermeintlich in die Enge getrieben worden ist. Wenn ein anderes Team seinem Klub die Show zu stehlen drohte. Wie in den 1980ern mal der HSV. Später dann Dortmund.

Und Borussia Mönchengladbach? Die nimmt er offenbar weit aus weniger Ernst. Ein sehr guter Beleg hierfür ist der Versuch eines Gesprächs zwischen ihm und einem Journalisten.

Journalist „Also sehen Sie die Situation insgesamt gar nicht so kritisch, dass man jetzt Dritter in der Bundesliga ist...“

Hoeneß „Meines Wissens sind wir Zweiter. Torverhältnis interessiert mich nicht.“

Journalist „Gladbach ist Zweiter.“

Hoeneß „Aber die haben doch nicht mehr Punkte als wir. Höchstens das bessere Torverhältnis, aber das interessiert mich nicht am zehnten Spieltag. Wollen wir darüber jetzt diskutieren?“

Stimmt, da fällt einem wirklich nicht mehr viel zu ein, worüber man da noch diskutieren könnte. Das ist einfach nur abenteuerlich. Hoeneß muss aufpassen, dass er so nicht zur Lachnummer der Liga verkommt.

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