Nach Gewalt-Exzessen in Köln Fanforscher Pilz sieht keine "Hooligan-Renaissance"

Köln · Tausende gewaltbereite Fußball-Hooligans verwandelten die Kölner Innenstadt am Sonntag kurzzeitig in eine Bürgerkriegs-Zone. Fanforscher Gunter A. Pilz spricht über die Vorkommnisse.

Hooligans gegen Salafisten in Köln: Krawalle bei Hogesa-Demo
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Köln 2014: Krawalle bei Hooligan-Demo

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Foto: dpa, cas hpl

Es waren erschreckende Bilder: Rund 4500 Gewaltbereite verwandelten die Kölner Innenstadt rund um den Hauptbahnhof am Sonntag in ein Schlachtfeld. Die schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei forderten 44 verletzte Beamte, unbeteiligte Passanten und linke Gegen-Demonstranten wurden angegangen und gejagt, schwere Sachbeschädigungen begangen. 17 Personen wurden vorübergehend festgenommen.

Die Demonstration lief unter dem Deckmantel "Hooligans gegen Salafisten" - Vereins-Anhänger aus ganz Deutschland gemeinsam gegen IS-Terror und radikale Muslime. Dass sich ein nicht unwesentlicher Teil der Teilnehmer in Köln aus dem Umkreis von Fußball-Klubs generiert, heißt allerdings nicht gleichzeitig, dass zukünftig auch wieder mehr Gewalt im Umkreis der Stadien droht.

Noch am Abend hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Angriffe verurteilt und gewarnt. "Es ist erschreckend, wie viel Menschen in den sozialen Medien Sympathie für diese alkoholisierte und brutale Horde bekundet haben, die sich angeblich für die bedrängten Menschen in Syrien einsetzen. Hier geht es um Gewalt und sonst nichts", sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. Die Gewerkschaft rechnet nun mit einer "neuen Dimension der Gewalt auf unseren Straßen".

Diese mögliche Radikalisierung findet aus Experten-Sicht allerdings nicht im Umfeld von Sportveranstaltungen statt. "In den Stadien ist mir wenig bange, außerhalb muss man wachsam sein", sagte Fanforscher Gunter A. Pilz am Montag dem Sport-Informations-Dienst (SID), die Gefahr einer "Hooligan-Renaissance" im Fußball sieht er noch nicht.

Das Problem scheint in erster Linie ein gesellschaftliches zu sein und keines des Sports. Allerdings sind die Auswirkungen auch in den Stadien zu bemerken. "Alt-Hooligans haben sich schon vor zwei Jahren mit Nazis zusammengeschlossen, um im Stadion linke Fans zu vertreiben", sagt Pilz. Den Krawallmachern gehe es darum, gegenüber der Ultra-Kultur alte Werte aufleben zu lassen, Männlichkeit, Aggressivität oder Sexismus.

Auseinandersetzungen innerhalb der Fangruppen belegen das, beim früheren Bundesligisten Alemannia Aachen war das gewaltsame Vorgehen der Hooligans bereits erfolgreich, auch bei Vereinen wie dem MSV Duisburg und Fortuna Düsseldorf gibt es solche besorgniserregende Tendenzen. Ein Vergleich zu der vor allem in den 80er-Jahren in Form einer Subkultur organisierten Schlägereien stellt sich aber nicht, die Stadien sind trotz gelegentlicher Panikmache von Politik und Exekutiv-Organen zurzeit noch sicher.

Dass der unheilvolle Zusammenschluss von Hooligans und Neo-Nazis, deren Kern ohnehin schon immer eine gemeinsame Schnittmenge besaß, in Köln zu einer Eskalation der Gewalt geführt hat, ist glücklicherweise wenig produktiv für den Wunsch nach gesellschaftlicher Legitimation. "Mit Gewalt werden sie im bürgerlichen Lager nicht punkten, sie haben die Maske fallen gelassen", glaubt Pilz.

(sid)
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