Experten warnen vor Anleihen Fan-Liebe kann teuer werden

Frankfurt am Main · Vereine wie der HSV, Schalke 04 oder der 1. FC Köln haben hochverzinste Anleihen für Fans herausgegeben, um Geld für den Stadionumbau oder eine neue Jugendabteilung einzusammeln. Doch die Papiere bergen Risiken, die viele Anhänger nicht durchschauen.

Ein Euro (Symbolfoto)

Ein Euro (Symbolfoto)

Foto: dpa, Karl-Josef Hildenbrand

„Treue fest verzinst“: Mit großen Gefühlen warb der 1. FC Köln um die Gunst seiner Fans - aber nicht etwa auf der heimischen Tribüne, sondern als Geldgeber. Den Anhängern bot der Fußballclub 2016 üppige 3,5 Prozent Zinsen pro Jahr, wenn sie zwei neue Anleihen mit Laufzeit bis 2024 zeichneten. Gerahmte Urkunden mit dem Maskottchen Geißbock gab es limitiert dazu, ein Schmuckstück für jede Fansammlung. Schon ab 100 Euro waren Anhänger dabei.

Mit den Einnahmen von bis zu 15,5 Millionen Euro wollte der Klub alte Fananleihen ablösen, die Schulden senken und sein Finanzpolster stärken. Nach dem Erfolg bei der ersten Ausgabe von Fan-Papieren 2012 sollten die Anhänger weiter einen „ganz persönlichen Anteil“ an der Entwicklung des Vereins haben, erklärte der Klub.

Mit dem Geldsammeln über Fan-Anleihen steht der 1. FC Köln nicht alleine da. Schulden bei den Anhängern aufgenommen haben auch Schalke 04 („Das königsblaue Wertpapier“) und der 1. FC Kaiserslautern („Unsere Bank für die Zukunft“). Und als der Hamburger SV zum 125. Vereinsjubiläum 2012 eine Anleihe mit 6 Prozent Zins herausgab, war das Papier über 12,5 Millionen Euro in gut zwei Wochen ausverkauft.

Die Klubs werben dabei nicht nur mit hohen Zinsen, sondern auch mit der „emotionalen Rendite“: Fans bekommen das Gefühl, mit ihren Geldspritzen etwas Gutes für ihren Herzensverein zu tun - etwa für ein größeres Stadion oder eine neue Jugendabteilung.

Doch Finanzexperten warnen vor blinder Fan-Liebe. Denn hohe Renditen sind zwar verlockend, wenn Tagesgeld kaum noch etwas abwirft, aber auch immer mit großen Risiken verbunden. „Kein Verein zahlt freiwillig hohe Zinsen“, sagt Olaf Tölke, der das Geschäft mit Unternehmensanleihen bei der Rating-Agentur Scope leitet. „Wer sich problemlos über die Bank finanzieren kann, muss nicht hohe Zinsen über den Anleihemarkt zahlen.“

Viele Fans unterschätzten, wie riskant die Geschäftsmodelle von Fußballclubs sind, sagt Tölke. „Viele Leute lassen sich von klangvollen Namen und der Strahlkraft der Vereine blenden.“ Doch bekannte Marken bedeuten nicht starke Finanzen: „Schon die Teilnahme am internationalen Geschäft kann über einen operativen Gewinn oder Verlust in einem Geschäftsjahr entscheiden“, sagt Tölke. Wenn Klubs teure Spieler kauften und dann die Qualifikation für die Champions League verpassten, könnten sie schnell in Schieflage geraten.

Was viele Fans gar nicht wissen: Mit dem Zeichnen einer Anleihe werden sie zum Gläubiger ihres Vereins. Rutscht der im Ernstfall in die Insolvenz, sieht der Fan als Investor sein Kapital unter Umständen nicht wieder. Den GAU erlebten Fans von Alemannia Aachen: Sie hatten „Tivoli-Anleihen“ gezeichnet, um den Bau des gleichnamigen Stadions zu unterstützen. Doch als der Verein abstieg und 2013 in die Insolvenz stürzte, verloren die Fans viel Geld.

„Allein zur Geldanlage sind Anleihen von Fußballclubs nicht zu empfehlen“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Wer in Anleihen investieren will, kann sein Vermögen leicht über Indexfonds günstig und breit streuen, ohne das Klumpenrisiko eines Papiers einzugehen.“ Wer als Fan seinen Klub finanziell unterstützen wolle, solle nur einen kleinen Teil seines Vermögens investieren. Dann seien mögliche Verluste verkraftbar.

Das Risiko einer Pleite könne niemand vorhersehen, sagt Nauhauser. Selbst Extremereignisse seien nicht ausgeschlossen - etwa der Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund. „Bei Fußballclubs ist die Mannschaft das Kapital.“ Auch verunglückte Transfers oder schlechtes Management könnten Vereinen zum Verhängnis werden.

So geschehen beim 1. FC Kaiserslautern: Als der Verein 2013 „Betze-Anleihen“ für 6 Millionen Euro ausgab, um ein neues Nachwuchszentrum zu finanzieren, war die Euphorie groß. Doch der Aufstieg in die Bundesliga misslang und die Geldnot in der Pfalz wuchs. Stadt und Land mussten den Verein finanziell stützen, der Profibetrieb wurde in eine neue Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Und das Geld der Fans floss nicht nur in das Nachwuchszentrum, sondern in der Not auch in den laufenden Betrieb. Wie die Anleihe 2019 zurückgezahlt wird, steht noch nicht fest.

Der 1. FC Köln ging da transparenter mit den Fans um und schuldete die alten Anleihen zu niedrigeren Zinsen in neue Papiere um. Jedoch wurde der Verein auch Opfer des schnelllebigen Fußballgeschäfts. Nach dem Abgang von Stürmer Anthony Modeste stieg der Klub in die 2. Liga ab.

Wer in Anleihen von Fußballvereinen investieren wolle, solle börsengehandelte Papiere wählen, rät Nauhauser. So hat Schalke 04 zwei Anleihen über insgesamt 50 Millionen Euro begeben, die an der Börse Frankfurt notiert sind. Ein Vorteil, sagt Nauhauser: „Je nachdem, wie Investoren Chancen und Risiken einschätzen, entwickelt sich der Kurs. Das sorgt für Transparenz.“ Denn die emotionale Rendite kann schmerzhaft sein - gerahmte Urkunde hin oder her.

(dpa/sef)
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