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Fall "Heinz Müller" Der Fußball fürchtet zweites Bosman-Urteil

Erfurt/Mainz · Es käme einer Revolution gleich: Das Bundesarbeitsgericht entscheidet am Dienstag darüber, ob auch Profi-Fußballer das Recht auf unbefristete Verträge haben. Geklagt hatte der ehemalige Mainzer Torhüter Heinz Müller.

Heinz Müller und FSV Mainz 05 treffen sich vor Gericht
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Müller und Mainz treffen sich vor Gericht

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Foto: dpa, fve kno

Der Fußballlehrer Thomas Tuchel ist kürzlich durch seine Modeltätigkeiten aufgefallen. Er trug auf dem Titelbild des "Zeit Magazins" einen Mantel, ein Hauch von Nichts und eine Hose. Damit lief er streng gescheitelt durch New York. Das fand großen Widerhall, etwa im Internet, wo Hohn und Spott über ihn hereinbrachen. In der kommenden Woche könnte nun eine andere Aktion des Fußballlehrers Thomas Tuchel großen Widerhall finden - nämlich der Satz: "Es ist eine harte Entscheidung, aber wir haben sie jetzt so getroffen." Mit diesen Worten warf Tuchel im Dezember 2013 seinen Torhüter Heinz Müller aus dem Kader des FSV Mainz 05.

Wenn man so will, dann ist es Tuchels Satz, der die Kraft hat, die Gepflogenheiten des Profifußballs gänzlich auf den Kopf zu stellen. Denn besagter Heinz Müller hat seinen früheren Mainzer Arbeitgeber, der ihn damals in das Regionalligateam verbannte, verklagt. Bereits zwei Gerichte haben sich mit dem Fall Müller befasst; am Dienstag verhandelt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in der Sache. Es geht, vereinfacht gesagt, um die Frage: Müssen Bundesligavereine ihre Spieler bald unbefristet anstellen? Das wäre eine Revolution.

Es fing damit an, dass Müller im Juli 2009 einen Dreijahresvertrag bei den Mainzern unterschrieb, der später um zwei weitere Jahre bis zum Ende der Saison 2013/2014 verlängert wurde. Der letzte Vertrag sah die Möglichkeit einer weiteren Vertragsverlängerung um ein Jahr vor - unter der Voraussetzung, dass Müller mindestens 23 Bundesligaspiele für Mainz bestreitet. Nach zehn Spielen verletzte Müller sich und fiel bis zum Ende der Hinrunde aus. Thomas Tuchel befehligte Müller daraufhin in die zweite Mannschaft. Der heute 39 Jahre alte Ex-Torhüter sieht sich dadurch der Möglichkeit beraubt, auf die 23 Spiele in Liga eins zu kommen - und somit der Vertragsverlängerung.

Müller klagte deshalb zunächst, um entgangene Prämien zu bekommen (261.000 Euro) und später auch auf die Entfristung seines Arbeitsverhältnisses. Sein Frankfurter Rechtsanwalt Horst Kletke argumentiert damit, dass Mainz 05 für eine Befristung keinen vom Gesetz geforderten sachlichen Grund hatte. Durch die Degradierung in die zweite Mannschaft habe Mainz Spieleinsätze von Heinz Müller in der Bundesliga außerdem "treuwidrig vereitelt". Würde das Bundesarbeitsgericht dieser Argumentation folgen, müsste der Bundesligist Müller einen Rentenvertrag geben. Sämtliche Bundesligisten kämen in die Bredouille, weil sie ihre Profis weit über die Zeit hinaus beschäftigen müssten, in der sie sie einsetzen könnten. Fußballprofis 50 plus wären die Folge.

Mainz 05 ist nun der Ansicht, dass die Befristung nach Paragraf 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zulässig sei. Demnach liegt ein Sachgrund für einen befristeten Arbeitsvertrag dann vor, wenn die "Eigenart der zu erbringenden Arbeitsleistung" die Befristung rechtfertigt. Darauf beruft sich auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die mit der gesamten Branche vor der Erfurter Entscheidung bangt. In einem Beitrag für das "DFL-Magazin" schreibt Jürgen Paepke, der für Recht zuständige Geschäftsleiter der DFL, etwas umständlich: "Die Revision von Müller ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des professionellen Mannschaftssports und im Interesse des Wettbewerbs, der Clubs, der Zuschauer und nicht zuletzt der Spieler selbst zurückzuweisen." Mit anderen Worten soll für die millionenschweren Unterhaltungsunternehmen der Bundesliga anderes gelten als für andere Betriebe, weil der Zuschauer sonst das Interesse verliert. Doch auch Fußballprofis sind Arbeitnehmer.

Das Mainzer Arbeitsgericht gab Müller im Frühjahr 2015 Recht; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz kassierte die Entscheidung wieder. Das Bundesarbeitsgericht muss nun die Frage klären, ob der Beruf des Profifußballers derart anders ist, dass für ihn Ausnahmen greifen. Die DFL verweist dazu etwa auf den körperlichen Verschleiß und einen altersbedingten Leistungsabfall. Allein schon deshalb ergäben unbefristete Arbeitsverträge in der Bundesliga keinen Sinn, schreibt DFL-Justiziar Paepke.

Der Heidelberger Arbeitsrechtsprofessor Markus Stoffels hält die Entscheidung des obersten deutschen Arbeitsgerichts nicht für vorhersehbar. "Das wäre reine Kaffeesatzleserei", meint Stoffels. In der Wissenschaft wären die Meinungen durchaus heterogen, weshalb er sagt: "Es war selten so eine große Spannung." Und zwar auch deshalb, weil die Folgen unabsehbar sind. Rechtlich dürfen diese bei der Entscheidung der Richter eigentlich keine Rolle spielen, betont Markus Stoffels. Gleichwohl fragt er sich schon, ob die Erfurter Richter eine "strenge Linie" ziehen - und dem ehemaligen Mainzer Torhüter zustimmen.

(her)
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