Buch "Zockerliga" Ex-Profi Schnitzler erzählt sein Leben

Düsseldorf (RP). Am Ende sagt seine Mutter ein wahres Wort: "René musste nie arbeiten für sein Geld. Wer muss das schon als Fußballer? Es wäre besser gewesen, wenn er eine Lehre gemacht hätte, dann hätte er mal den Wert des Geldes kennen gelernt." Das hat er nicht. René Schnitzler ist Fußballprofi geworden. Er verdiente früh viel Geld und hatte kein Verhältnis dazu.

Er war spielsüchtig und verjubelte mehr, als er besaß. Er wurde zu einer zentralen Figur im Wettskandal, der zurzeit vor dem Bochumer Landgericht verhandelt wird. Am vorläufigen Ende einer verkrachten Karriere ist er vom DFB als Fußballer für zwei Jahre gesperrt, sein Urteil in Bochum steht noch aus.

"Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus"

Wigbert Löer und Rainer Schäfer haben ein Buch über diese Geschichte geschrieben. Heute kommt es auf den Markt, es heißt "Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus." Der Titel schreit ein bisschen lauter als das Buch selbst. Es ist gut recherchiert, an vielen Stellen sehr spannend und überwiegend bestürzend. Schnitzler hat wenig verschwiegen — weil es ihm schmeichelt, zumindest als handelnde Figur im Wettskandal prominent zu sein. Dieser Hang, im Mittelpunkt zu stehen, hat ihn getrieben.

Am Anfang ist er das natürliche Zentrum in seiner Clique, ein hochbegabter Fußballspieler, der bei Borussia Mönchengladbach in einer Jugendmannschaft mit dem späteren Nationalspieler Marcell Jansen (HSV) und dem heutigen Mainzer Bundesligaprofi Eugen Polanski steht. Weil er viele Tore schießt, ist er populärer als seine Kameraden. Er bekommt früher die besseren Verträge, und er hat als Vertragsamateur bei Bayer Leverkusen mit 20 Jahren schon 5000 Euro im Monat in der Tasche.

Wetten auf Hunderennen und Fußballspiele

Bei seinen alten Kumpels im Gladbacher Stadtteil Giesenkirchen protzt er mit dicken Autos, sie fahren Rennen aus Zeitvertreib, und er wettet. Auf Hunderennen, auf Fußballspiele, Hauptsache höher als die anderen. Er gewinnt mehr, er verliert mehr als seine Freunde. "Auch dort hat man immer auf ihn geschaut. Auch dort ragte er heraus", heißt es im Buch.

Das gibt seinem Leben den großen Reiz. Schnitzler spielt bald in Hinterzimmern, in filmreif verräucherten Buden. Manchmal sind andere Fußballer dabei, auch bei ihnen sitzt das Geld locker. Schnitzler erzählt den Autoren, wie beim Flug der Leverkusener Profis ins Trainingslager ein Hut herumging. Jeder warf 500 Euro rein. Den Einsatz strich ein, wessen Koffer zuerst aufs Laufband rollte. Mit solchen Szenen untermauern Löer und Schäfer die These von der Zockerliga. Es wird viel gespielt, im Bus, im Trainingslager, im Mannschaftshotel, im Internet und in Casinos. Meist um große Summen. Verbrieft sei, dass auch aktuelle Nationalspieler zu Pokerrunden im Netz gehören, schreibt das Autorenteam.

Kaum einer gerät so tief in den Sumpf wie Schnitzler, der gelegentlich vom Pokern zum Training fährt, den Mief der Nacht noch in den Klamotten. Da ist er beim FC St. Pauli und längst auf dem Weg nach unten. Er braucht Geld, und er bekommt Kontakt zur holländischen Wettmafia. Sie zahlt ihm bis zu 40.000 Euro, damit sein Klub Spiele verliert. Obwohl Schnitzler niemanden einweiht und nicht einmal mitspielt, verliert sein Team.

Schuldenberg und Bedrohungen

Der Wettpate Rooij, ein echter Finsterling mit Zweitwohnsitz in Monaco, wie die Bochumer Staatsanwälte ermitteln, will mehr. Aber irgendwann verliert St. Pauli nicht, und der doppelte Schwindel fliegt auf. Schnitzler wird von seinen Auftraggebern bedroht. Er fliegt bei St. Pauli raus, er pokert, um seine Schulden zu zahlen, leiht sich Geld bei "Zinsmännern", weil er es bei Banken nicht bekommt. Und er häuft weitere Schulden an. Über 150.000 Euro sind es, als ihn die Polizei bei den Ermittlungen im Wettskandal festnimmt — kurz vor Weihnachten 2010.

Eine Nacht in der Zelle scheint ihn zur Besinnung zu bringen. Die Spielsucht will er therapieren lassen, aber er träumt mit 26 Jahren und inzwischen 95 Kilo noch immer von der Fußball-Karriere. Er sieht sich wieder im Mittelpunkt, weil sich Fernsehsender und Zeitungen für seine Geschichte interessieren. In der Wirklichkeit ist er nicht angekommen.

Der DFB behandelt die Geschichte Schnitzlers wie einen Einzelfall. Löer und Schäfer beklagen das. Sie glauben, dass der Verband sich nicht mit dem allgemeinen Phänomen der Spielsucht befassen will, weil er auf das Geld aus dem Glücksspielvertrag setzt. Das finden die Autoren heuchlerisch. Aber auch sie schildern nur den Einzelfall. Vielleicht aus dramaturgischen Gründen.

(RP)
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