Dauer-Belastung macht sich bemerkbar Europacup-Teilnehmer am Tropf: "Wir pfeifen aus dem letzten Loch"

Hamburg (dpa). Die deutschen Europacup-Teilnehmer beklagen lauthals die Geister, die sie einst vehement riefen und nicht mehr los werden. 72 Stunden nach ihren kräftezehrenden Auftritten im UEFA- Cup begründeten am Sonntag Spieler, Trainer und Funktionäre von Werder Bremen, 1860 München, VfB Stuttgart und Bayer 04 Leverkusen die teilweise erbärmlichen Bundesliga-Vorstellungen überwiegend mit der Überbelastung des Personals.

Jung-Nationalspieler Ingo Hertzsch vom Hamburger SV schilderte die alarmierende Situation für die Profis mit den Worten: "Wir gehen zur Zeit mehr als nur auf dem Zahnfleisch. Und zwischen den Spielen denkt man eigentlich, es kann nicht mehr schlimmer kommen, aber dann kommt es doch noch schlimmer."

"Es ist nicht einfach für die Spieler, wenn sie in einem so kurzen Abstand Höchstleistungen bringen sollen. Der Kräfteverschleiß ist enorm hoch", warb Werder-Coach Thomas Schaaf nach dem 1:0 gegen Stuttgart für Verständnis, dass das Kräftemessen der Leidensgenossen nur geringen Unterhaltungswert und wenig Tempo aufwies. "Jeder Spieler hat bei den kurzen Zeitabständen seine Probleme. Die Leistungen leiden darunter, wenn wir ständig gefordert werden", sagte der Österreicher Andreas Herzog.

Bayer Leverkusens neuer Chefcoach Berti Vogts schätzte sich beim 4:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern in der glücklichen Lage, den Substanzverlust mit einer vierfachen Rotation auffangen zu können. Doch auch der ehemalige Bundestrainer sieht in dem Dauerstress "ein großes Problem", weil sich die Mannschaft nicht weiterentwickeln könne. "Trainieren können wir nicht mehr viel, nur regenerieren", bemängelte Vogts, dessen Team bereits am Mittwoch im Achtelfinale um den DFB-Pokal beim SC Freiburg erneut gefordert ist.

"In unserer Situation leiden wir sehr unter der Vierfach-Belastung Bundesliga, Europapokal, DFB-Pokal und Länderspiele. Unsere Nationalspieler kommen auf etwa 35 Einsätze. Da muss man vernünftig regenerieren und immer wieder den inneren Schweinehund überwinden", sagte Bayer-Manager Reiner Calmund. Das Bundesliga-Schwergewicht ist deshalb "heilfroh, wenn endlich Winterpause ist".

Allerdings tragen die Clubs selbst die alleinige Schuld für ihr jetziges Dilemma. Ausnahmslos alle wollten aus wirtschaftlichen Gründen die Reform der Champions League, die zwangsläufig zur Dauer- Beanspruchung führte. Die Hoffnung, sich irgendwie unbeschadet durch das Terminchaos manövrieren zu können, ging am Wenigsten beim Hamburger SV auf. Den hanseatischen Überfliegern der vergangenen Saison droht nach zwei schmerzvollen Pleiten binnen 48 Stunden eine bittere Bauchlandung in UEFA-Cup und Bundesliga.

"Wir haben jetzt eine Situation, die sehr kritisch ist", gestand Trainer Frank Pagelsdorf nach dem 0:1 in Rostock ein. Nach der vierten Bundesliga-Niederlage in Folge bilanzierte HSV-Chef Werner Hackmann: "Zurzeit pfeifen wir personell aus dem letzten Loch."

Eine - wie meistens - ganz andere Sicht der Dinge hat "Löwen"- Coach Werner Lorant, der nach der 0:2-Pleite im Münchner Derby gegen die SpVgg Unterhaching die müden Beine seiner Kicker nicht auf die Belastung schieben wollte. "Die Entschuldigung kann ich nicht stehen lassen. Die Spieler haben gut trainiert und waren frisch. Man muss lernen, englische Wochen zu spielen", befand Werner "Beinhart".

Seine Spieler durften sich auf Geheiß des Trainers zunächst nicht äußern, dafür schlug Unterhachings Coach Lorenz-Günther Köstner eine Lanze für die schlappen Löwen: "Die Sechziger haben - auch wenn der Werner das nicht gerne hört - im Spiel gegen Parma viel Kraft gelassen."

(RPO Archiv)
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