Heiß auf den Titel Klopp will alles: "Ich liebe Alles-oder-nichts-Situationen"
Jürgen Klopp greift mit dem FC Liverpool am Mittwoch in Basel nach dem Gewinn der Europa League. Mit einem Sieg gegen den FC Sevilla will der 48-Jährige sein persönliches Finaltrauma verdrängen.
Die Herzen der Fans hat Jürgen Klopp beim FC Liverpool ebenso schnell erobert wie die Beatles, jetzt will der Kult-Coach den Reds den ersten internationalen Titel seit elf Jahren bescheren. "Ich liebe diese Alles-oder-nichts-Situationen. Aber nur, weil du die Chance hast, alles zu bekommen", sagte Klopp vor dem Europa-League-Endspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ Live-Ticker) in Basel gegen den FC Sevilla. Er machte unmissverständlich deutlich: "Jetzt wollen wir alles! Wir werden alles für diesen wunderbaren Verein geben."
Kein Frust trotz schlechter Finalbilanz
Mit einem Erfolg gegen den Titelverteidiger würde Klopp auch sein persönliches Finaltrauma verdrängen. Der 48-Jährige verlor mit seinen Mannschaften seine letzten vier Endspiele. In seinem bisher einzigen internationalen Finale unterlag Klopp mit Borussia Dortmund 2013 im Champions-League-Endspiel in Wembley Bayern München (1:2). Pokalniederlagen gegen die Bayern (2014) und den VfL Wolfsburg (2015) folgten, mit Liverpool verlor er das League-Cup-Finale im Elfmeterschießen gegen Manchester City.
Trotz dieser Negativserie versucht Klopp, den Druck nicht ins Unendliche steigen zu lassen. "Ich habe vielleicht zu viele Silbermedaillen zu Hause hängen, aber besser welche aus Silber als gar keine", sagte der deutsche Trainer und fügte hinzu: "Der wichtigste Grund des Fußballs ist es, die Leute zu unterhalten". Im dramatischen Europa-League-Viertelfinale gegen den BVB und im Halbfinale gegen den FC Villarreal gelang dies dem 18-maligen englischen Meister vorzüglich.
Auch Nationalspieler Emre Can ist überzeugt, dass "Kloppo" im St. Jakob-Park im Konfettiregen jubeln kann. "Wir fahren nicht umsonst nach Basel", sagte Can. Es werde natürlich nicht einfach, so Can, "aber uns zu schlagen, ist auch nicht einfach"
Klopp kann gegen den Rekordsieger aus Andalusien auf die Rückkehr seines zuletzt verletzten Kapitäns Jordan Henderson hoffen. "Ich fühle mich gut und mache große Fortschritte. Ich spiele so lange, wie es der Trainer verlangt", sagte der Mittelfeldspieler.
Klopps Stellenwert an der Merseyside ist gigantisch
In Liverpool wird Klopp nach dem Finaleinzug schon mit den Trainerlegenden Bill Shankly und Bob Paisley verglichen, doch davon ist der gebürtige Schwabe noch weit entfernt. Shankly hat dem Verein die Identität gestiftet, er hat den "Liverpool Way" erfunden. Seine Prägung ist heute noch die DNA des Klubs.
Doch auch Klopps Stellenwert an der Merseyside ist schon nach sieben Monaten gigantisch. Weil er den Nerv der Menschen trifft, für die der FC Liverpool so viel mehr ist als nur ein Verein. Klopp emotionalisiert, er peitscht auf, reißt Sprüche. An der Anfield Road tragen die Anhänger bereits Masken von Klopp. "Er hat ein Wahnsinnsstanding", sagte Tote-Hosen-Sänger und Reds-Fan Campino nach dem Finaleinzug, während das Liverpool Echo schrieb: "Jürgen Klopp erweckt einen Giganten zum Leben."
Den Trainer-Legenden Shankly und Paisley könnte "Kloppo" denn auch bald etwas voraus haben: Shankly (fünf Jahre) und Paisley (zwei Jahre) gewannen auch nicht auf Anhieb mit Liverpool einen Titel, aber Klopp kann dieses Kunststück gelingen.
Die Sehnsucht in Liverpool ist jedenfalls riesig: Die bislang letzten internationalen Triumphe gelangen den Reds 2005 (Champions League und europäischer Supercup). Damals eroberte Klopp die Herzen der Fans noch beim FSV Mainz 05.