Ein Punkt reicht Türkei kurz vor EM-Qualifikation - und unter Beobachtung

Istanbul · Ein Punkt gegen Island reicht der Türkei zur erfolgreichen EM-Qualifikation. Nach dem Salutieren der Spieler zuletzt stehen die Türken aber unter Beobachtung.

 Die türkische Nationalmannschaft.

Die türkische Nationalmannschaft.

Foto: dpa/Uncredited

Die Vorzeichen für eine türkische Fußball-Party stehen bestens - eigentlich. Bereits am Donnerstag (18.00 Uhr MEZ/Dazn) gegen Island kann das Team von Nationaltrainer Senol Günes die Qualifikation für die EM 2020 perfekt machen. Doch der Umgang mit der Militäroffensive in Nordsyrien sorgt im wahrsten Wortsinn für einen "Nebenkriegsschauplatz".

Stein des Anstoßes war das Qualifikationsspiel gegen Albanien (1:0) Mitte Oktober. Es war das erste Länderspiel der Türkei nach Beginn der international heftig kritisierten Operation gegen die Kurden in Nordsyrien. Nach dem späten Siegtreffer durch den früheren Frankfurter Cenk Tosun salutierten er und weitere Spieler vor den Fans. Der Jubel wurde als Unterstützung der Offensive interpretiert und hatte international für Verstimmung gesorgt.

Auch in Deutschland, da mit den beiden Düsseldorfern Kaan Ayhan und Kenan Karaman zwei Bundesligaspieler ebenfalls salutiert hatten. Beide versicherten danach, es habe sich nur um eine "Solidaritätsbekundung für Soldaten und ihre Angehörigen" gehandelt. Drei Tage nach dem Albanien-Spiel jubelten einige Spieler beim 1:1 in Frankreich erneut mit dem Militär-Gruß. Ayhan und Karaman verzichteten darauf - was zu einem Disput mit Mitspieler Merih Demiral führte.

Die Europäische Fußball-Union (Uefa) leitete einen Tag später eine Untersuchung ein, da das Regelwerk des Verbandes politische Äußerungen in Stadien verbietet. Eine Strafe sprach die Uefa bislang nicht aus, stattdessen gab es Kritik von höchster Stelle. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Ermittlungen als "diskriminierend" und "ungerecht" - er sprach sogar von einer "Lynch-Kampagne".

Und auch das Spiel gegen Island hat eine besondere Vorgeschichte. Die Regierung des Inselstaats hatte sich besonders offensiv gegen den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien gestellt, sogar ein Boykott des Spiels in Istanbul stand im Raum. Eine pikante Note erhält das Aufeinandertreffen zusätzlich durch die Vorkommnisse beim Hinspiel im Juni.

Damals war es bei der Anreise der Türken in Reykjavik zu besonders intensiven Gepäck- und Passkontrollen gekommen. Die türkische Seite bezeichnete das Vorgehen als "inakzeptabel" und warf Island einen "Mangel an Respekt" vor. Das türkische Außenministerium sandte zudem eine diplomatische Protestnote an die Nordeuropäer.

Im Hexenkessel von Galatasaray Istanbul dürfte auf die Isländer auch deshalb wohl ein wenig warmherziger Empfang warten. Nur ein Sieg hält die EM-Chancen der Wikinger am Leben, den Türken hingegen reicht bereits ein Punkt zur Qualifikation. "Wir wollen diesen letzten Schritt gehen", sagte Günes. Für die stolzen Türken wäre es eine Wiedergutmachung für die verpasste WM 2018 in Russland.

Island hingegen trat zuletzt auf der Stelle. Nach dem märchenhaften Auftritt bei der EM 2016 in Frankreich und dem sensationellen Einzug ins Viertelfinale gelang zwar die Qualifikation für die WM in Russland. Dort aber blieb Island ohne Sieg, das Verpassen der EM im kommenden Jahr wäre eine weitere Enttäuschung.

(eh/sid)
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