EM-Teilnehmer im Porträt Ukraine hat schon vor EM-Beginn verloren

Kiew · Die Heim-EM ist für die Ukraine eigentlich ein Traum. Die politischen Ereignisse wenige Wochen vor dem Start des Turniers liegen als schwerer Schatten darauf.

EM-Teilnehmer im Porträt: Ukraine hat schon vor EM-Beginn verloren
Foto: dapd, Oliver Lang

Schon vor dem ersten Anpfiff bei der Heim-EM hat die Ukraine ihr erstes Ziel klar verpasst. Nicht nur die eigene Nationalmannschaft, sondern auch das Land sollte Werbung für sich betreiben. Sich als moderne europäische Nation, als weltoffen und potenzielles Reiseziel präsentieren. Die Vorfälle um die inhaftierte und in den Hungerstreik getretene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko machten dies alles schon im Vorfeld zunichte.

Auf den Straßen der Ukraine, vor allem in der EM-Stadt Charkow, kam es immer wieder zu Protesten. Manche Länder erwogen zwischenzeitlich sogar einen EM-Boykott. Bundespräsident Joachim Gauck sagte seine geplante Ukraine-Reise ab, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mahnte die Ukraine, die "Chance, ihr Land positiv zu präsentieren", nicht zu vernachlässigen.

So gesehen spielen die Schowto-Blakittni, zu deutsch Gelb-Blauen, in Bezug des weltweiten Images irgendwie nur noch um Schadensbegrenzung. Für das verwirrte Volk könnte ein erfolgreiches Auftreten ihres Team aber eine noch größere Bedeutung bekommen, um von den Alltagssorgen ablenken zu können. "Dieses Turnier ist für die Ukraine sehr wichtig. Nicht nur für die Entwicklung des Fußballs, sondern auch für die Entwicklung des Landes und der Leute", sagte Andrej Schewtschenko, Europas Fußballer des Jahres von 2004.

Doch auch fußballerisch ist diese EM für die Ukraine ein absolutes Highlight. Denn trotz großer Namen wie eben Schewtschenko, der im Alter von 35 Jahren seine große Karriere mit der Heim-EM krönen will, waren sie seit der Eigenständigkeit zuvor erst bei einem einzigen Großturnier vertreten: Bei der WM 2006 in Deutschland scheiterten die Ukrainer im Viertelfinale am späteren Weltmeister Italien (0:3). Drei weitere Weltmeisterschaften verpassten sie knapp durch Niederlagen in den Play-offs (vor der WM 2002 unter anderem gegen Deutschland), vor Europameisterschaften waren sie regelmäßig in den Play-offs gescheitert.

Schewtschenko glaubt an eine Überraschung

An Selbstvertrauen mangelt es den Gastgebern, die Deutschland im vergangenen November ein beachtliches 3:3 abtrotzten, jedenfalls nicht. "Griechenland und Dänemark hatte auch keiner auf der Rechnung und sie holten den Titel. Warum sollen wir das nicht auch schaffen?", sagt Schewtschenko, der von einem Finale in seiner Heimatstadt Kiew träumt.

Der Aufbau der Mannschaft um Schewtschenko sowie Kapitän und Rekordnationalspieler Anatoli Timoschtschuk von Bayern München sowie den langjährigen Bundesliga-Stürmer Andrej Woronin scheint jedoch Früchte zu tragen. Nachdem es in den ersten acht Spielen des Jahres 2011 lediglich einen Sieg gegeben hatte (2:0 gegen Usbekistan) und die Stimmung auch in dieser Hinsicht Richtung Nullpunkt tendierte, schürten die folgenden fünf Spiele mit vier Siegen und dem Remis gegen Deutschland die Hoffnung.

Schon die Vorrunde beschert den Ukrainern jedoch starke Gegner: Schweden, Frankreich und England, da ist die Ukraine selbst mit Heimvorteil nur Außenseiter. "Ich hoffe aber, dass die Mannschaft uns alle im Sommer überraschen wird", sagte Verbandspräsident Grigori Surkis. Und auch Schewtschenko gibt sich optimistisch. "Wir haben eine junge und voranschreitende Generation", betonten er. Und die will im Sommer dafür sorgen, dass die Politik in den Hintergrund rückt.

(sid)
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