Sonderrechte für Fußball-EM Die Privilegien für Uefa und Co. müssen ein Ende haben

Meinung | Düsseldorf · Damit sie große Sportevents ausrichten dürfen, gestehen die Bewerber den internationalen Verbänden wie Uefa oder IOC immer wieder Privilegien zu – so auch bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland. Dadurch entgeht den Gastgebern auch Geld.

EM 2024: Die Gastgeberstädte der EM in Deutschland
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Die Gastgeberstädte der EM 2024 in Deutschland

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Foto: dpa/Alexander Hassenstein

Um den Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft 2024 zu bekommen, haben die deutschen Gastgeberstädte dem Europäischen Fußballverband Uefa einst weitgehende rechtliche, organisatorische und finanzielle Zugeständnisse gemacht. Die reichen von den Vermarktungsrechten über Regeln für Kneipen bis hin zu Nachlässen bei der Einkommens- und Körperschaftssteuer und eigenen Landezeitnischen für das Unternehmen Uefa. Das war schon 2017 ein falsches Signal, heute wirkt es in der aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Situation noch fataler.

Auch die Kostenpflichtiger Inhalt Bundesregierung hat seiner Zeit schon Hilfe bei der Durchführung der EM zugesagt, das geht nun noch mal aus der Antwort der aktuellen Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Unklar ist noch, wie viel Geld aus Bundesmitteln in Projekte rund um das Turnier fließen werden. Auch die aktuelle Bundesregierung will die Ausrichtung unterstützen.

„Vorfreude ist riesig“
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Foto: AFP/CHRISTOF STACHE

Aber wie will man bei Inflation und Energiekrise, in Zeiten, in denen der Staat Milliarden ausgeben muss, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzumildern, in denen zahlreiche Unternehmen um ihr Überleben kämpfen, erklären, dass ein Verband, der mit der EM in Deutschland voraussichtlich wieder einen hohen dreistelligen Millionengewinn machen wird, Steuererleichterungen bekommt? Wie, dass Bäcker in Düsseldorf, Gelsenkirchen oder München keine Europameister-Brote, Imbisse kein EM-Menü anbieten dürfen, weil es gegen die Vermarktungsrechte der Uefa verstoßen würde, die die Lizenzen an große Konzerne verkauft?

Auch Versammlungen im Umkreis der Stadien sind verboten. Die Kneipen in Stadionnähe dürfen die Spiele nicht auf großen Leinwänden zeigen. Das alles schränkt die Rechte der Menschen und Verdienstmöglichkeiten der Gewerbetreibenden immens ein. Gleichzeitig verzichtet der Staat auf Steuereinnahmen.

Ja, Einnahmen, die es auch nicht geben würde, wenn das Turnier gar nicht erst in Deutschland stattfinden würde. Der wirtschaftliche Faktor wird gerne hervorgehoben, wenn es um die Kritik an sportlichen Großevents geht. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass die Gastgeberstädte durchaus davon profitieren, dass die Fans ihr Geld auch in den Städten lassen. Es gibt einen gemeinschaftsstiftenden Sinn solcher Events und sie sind wichtig, weil sie Menschen für Sport begeistern. Das haben zuletzt auch die European Championships in München gezeigt und das wird auch aktuell bei der Basketball-EM in Köln und Berlin deutlich.

Aber solche Wettkämpfe dürfen nicht um jeden Preis stattfinden.

Internationale Pressestimmen zur EM-Vergabe
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Foto: rpo

Schaut man sich die Zugeständnisse an die Uefa und deren Gewinne an, dann kann von einem partnerschaftlichen Verhältnis keine Rede sein. Der große Gewinner sind am Ende die Verbände. Jetzt könnte man sagen, der Markt regelt den Preis. Wenn ich etwas unbedingt haben möchte, muss ich mich auf die Bedingungen des Anbieters einlassen, oder bekomme eben den Zuschlag nicht. So hat 2018 auch der Deutsche Fußball-Bund argumentiert, so wird gerne argumentiert.

Genau diese Haltung bringt die internationalen Sportverbände erst in die Lage, derartige Bedingungen diktieren zu können. Und nun war es bei der EM 2024 nicht so, dass die Bewerber Schlange gestanden hätten. Neben Deutschland wollte nur die Türkei das Turnier ausrichten. Auch das IOC muss nach Ausrichtern für die Olympischen Spiele eher suchen, als dass sie sich um das Event reißen würden. Für demokratische Staaten wird es auch wegen dieser vielen Sonderrechte immer schwieriger sich für solche Veranstaltungen zu entscheiden. Auch aus diesem Grund hat der Deutsche Olympische Sportbund zuletzt auf eine Olympiabewerbung verzichtet. Anders der DFB.

Die Bewerber müssen selbstbewusster mit den Verbänden verhandeln. Sie dürfen nicht auf jede Forderung eingehen, müssen eigene Forderungen stellen. Dass das dann auch zu einer Ablehnung führe kann, muss in kaufgenommen werden, wenn man wirklich bei den Menschen eine Akzeptanz für solche Sportevents erreichen will. Mit Zugeständnissen wie für die EM 2024 wird man die Kritiker nicht davon überzeugen, dass die Vorteile des Turniers gegenüber den Zugeständnissen überwiegen.

Und die mächtigen Verbände, ob nun Uefa, Fifa oder IOC, müssen begreifen, dass sie ohne ihre Mitgliedsverbände, ohne demokratische Gastgeberländer, auf Dauer ihre Macht verlieren. Sie müssen die Ausrichter als Partner auf Augenhöhe akzeptieren. So lange aber genug Staaten oder Städte die inzwischen obligatorischen mehr als 100-seitigen Vereinbarungen mit Befugnissen, Zugeständnissen und Sonderrechten unterschreiben, wird sich das wohl nicht ändern. Bremen wollte zum Beispiel die Bedingungen der Uefa für 2024 nur abgeändert akzeptieren und wurde nicht als Spielort ausgewählt. Es gab ja genug Städte, die kein Problem mit den Vorgaben hatten.

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