Eine Woche EM So schlagen sich die TV-Experten von ARD, ZDF und Magenta TV

Meinung | Düsseldorf · Der Berichterstattung wird rund um die EM-Spiele viel Platz eingeräumt. Umso wichtiger ist es, dass die Experten als Team funktionieren und ebenso Unterhaltungswert wie Fachwissen mitbringen. Nicht bei allen gelingt das Zusammenspiel.

Jessy Welmer, ARD-Moderatorin, und Bastian Schweinsteiger, TV-Experte der ARD.

Jessy Welmer, ARD-Moderatorin, und Bastian Schweinsteiger, TV-Experte der ARD.

Foto: dpa/Matthias Balk

Mit deutschen Fußballkommentatoren ist das seit Jahren so eine Sache. Während die Kollegen aus anderen Ländern mit Feuer in der Stimme das Spielgeschehen begleiten, üben sich die heimischen Experten häufig in Zurückhaltung. Manche mögen diese unaufgeregte Einordnung des Geschehens, doch auch sie müssen wohl einsehen: Besonders unterhaltsam ist der trockene Stil nicht.

Umso erfrischender wirkt Sandro Wagners Ansatz bei der bisherigen Fußball-EM. Meinungsstark, geradeheraus und trotzdem analytisch begleitet der ZDF-Experte das Turnier. Allzu emotional wird der frühere Profi nicht, doch er bringt Dynamik ins Spiel. Kommentator-Kollege Béla Réthy hat bisweilen Probleme, sich aus seiner über Jahre aufgebauten Komfortzone herauszuwagen und Wagner bei rhetorischen Vorstößen in die Spitze zu folgen. Der Kommentator bleibt gewohnt souverän und sympathisch, etwas Lockerheit würde ihm und dem Zusammenspiel mit seinem Co-Kommentator aber sicher gut tun.

Für frischen Wind und viel Authentizität sorgt vor der Kamera auch Christoph Kramer. Als hätte er nie etwas anderes gemacht, kommentiert der Gladbacher Mittelfeldspieler mit Elan alles weg, was ihm vor die Nase kommt.

Er ist dabei entwaffnend charmant und präzise. Fernsehstudios wirken häufig wie eine perfekt choreografierte Parallelwelt – weil sie genau das sind. Kramer bricht die Inszenierung mit seiner direkten und ehrlichen Art auf, ohne unprofessionell zu wirken. Das wertet das ZDF-Sportstudio bei dieser EM ungemein auf.

Per Mertesacker wirkt daneben etwas blass, doch das ist nicht schlimm. Wie zu aktiven Zeiten sorgt er für Sicherheit und Ruhe, ein Anker für all jene, denen Kramers Art zu unkonventionell ist. Zudem ist es immer möglich, dass Mr. „Eistonne“ noch seine ungestüme Seite nach außen kehrt.

Moderator Jochen Breyer sitzt räumlich außen, aber mit seiner Moderationsart genau zwischen den Stühlen. Er versucht sich von den traditionellen Wurzeln der öffentlich-rechtlichen Seriosität zu lösen, entfernt sich aber nie zu weit von ihnen. Mehr Mut ist hier die Devise.

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Foto: AP/Rui Vieira

Peter Hyballa könnte sich dagegen gerne etwas zurücknehmen. Die visuellen und gut verständlichen Taktikanalysen bereichern auf inhaltlicher Ebene die Berichterstattung. Das übermotivierte Auftreten des Trainers wirkt dagegen etwas deplatziert. Hyballa hält gerne emotionale Ansprachen, die Spieler in der Kabine sicher motivieren. Als Zuschauer fühlt man sich aber irgendwie unangenehm in die Pflicht genommen und hat den Eindruck, gleich selbst auf dem Platz stehen und Hyballas Anforderungen umsetzen zu müssen.

Was man allen Experten des ZDF-Teams zugute halten muss, ist ihr Umgang mit dem Kollaps von Christian Eriksen. Mit viel Respekt, Ruhe und Zurückhaltung behandelten alle Anwesenden die tragischen und unerwarteten Szenen.

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Foto: dpa/Patrick Seeger

Die ARD hat sich mit Bastian Schweinsteiger einen der bekanntesten deutschen Fußballer der jüngeren Vergangenheit gesichert. Bisher fühlt sich der Weltmeister augenscheinlich nicht besonders Wohl in der neuen Rolle. Er wirkt etwas behäbig und schafft es über weite Strecken nicht, seine Haltung als Fußballer gegen die des TV-Experten zu tauschen. Es fehlt „Schweini“ an analytischem und emotionalen Abstand.

Nationaltorhüterin Almuth Schult schlägt sich deutlich  besser. Ihre Kommentare sind kernig, die Botschaft unmissverständlich. Sätze wie „Wenn Du mit dem Außenrist den eigenen Mann abschießt, dann sieht das einfach nur scheiße aus“ mögen nicht jedem gefallen, aber sind ein gutes Mittel gegen vornehme Zurückhaltung, oder besser gesagt: gähnende Langeweile.

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Auch Stefan Kuntz, Trainer der U21-Nationalmannschaft, macht sich bisher gut. Der frisch gekürte Europameister bringt bereits Kameraerfahrung mit und das ist ihm anzumerken. Kevin-Prince Boateng dagegen muss seine Rolle erst finden.

Neben den Sportlern moderiert Alexander Bommes souverän durch die ARD-Berichterstattung. Hier gibt es nichts zu meckern, aber auch nichts besonders hervorzuheben. Gleiches gilt für die Live-Band an seiner Seite.

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Foto: AP/Frank Augstein

Magenta TV ist mit einer breit aufgestellten und weithin bekannten Moderationsmannschaft in das Turnier gestartet. Kein Wunder, schließlich versuchen sie die Zuschauer davon zu überzeugen, dass es die richtige und notwendige Entscheidung ist, für zehn Vorrundenpartien der EM zusätzlich Geld auszugeben. Da muss alles passen.

Sky-Chefkommentator Wolff Fuss ist ebenso in der Startaufstellung, wie Michael Ballack und Johannes B. Kerner. Für taktische Tiefe sorgt Jan Henkel. Zudem kommen immer wieder Prominente zu Wort. Zusammengerührt ergibt das alles eine grundsolide Berichterstattung, die zu Beginn vor allem mit technischen Problemen zu kämpfen hatte.

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