„In unserem Herzen“ So emotional widmet Dänemark Eriksen den Halbfinal-Einzug

Baku · Dänemark jubelt über das erste EM-Halbfinale seit dem Überraschungscoup von 1992. Mit emotionalen Worten widmen Spieler und Trainer den Erfolg ihrem schmerzlich vermissten Teamkollegen. Dieser soll in Gedanken auch in Wembley mit dabei sein.

 Auch in Baku: Dänische Fans unterstützen Christian Eriksen mit einem Banner.

Auch in Baku: Dänische Fans unterstützen Christian Eriksen mit einem Banner.

Foto: AFP/DAN MULLAN

Auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer emotionalen Reise dachten die neuen dänischen EM-Helden sofort an ihren sehnsüchtig vermissten Freund und Teamkollegen. Nach dem Jubel-Taumel von Baku über den ersten Halbfinaleinzug seit dem Überraschungstriumph 1992 soll Christian Eriksen nun auch als Inspiration für das große Duell mit Gastgeber England in London dienen. „Ich denke jeden Tag an Christian, vor dem Spiel und nach dem Spiel“, sagte Coach Kasper Hjulmand nach dem 2:1-Erfolg gegen Tschechien ergriffen. „Ich bin froh, dass er überlebt hat. Wir haben ihn hierhin mitgenommen und werden ihn auch mit nach Wembley nehmen.“

Seit dem bangen Zittern um Eriksen nach dessen Zusammenbruch im ersten EM-Gruppenspiel wird das dänische Team von einer Woge der Zuneigung emotional durch dieses Turnier getragen. In der Heimat feierten die Fans nicht nur in Kopenhagen stolz und ausgelassen die Nachfolger von Danish Dynamite. Auch ans Kaspische Meer waren mehr als 1000 Anhänger mitgereist. Hjulmand jubelte ihnen mit einem rot-weißen Schlapphut zu, der überragende Thomas Delaney hüpfte mit nacktem Oberkörper eingehüllt in eine dänische Fahne auf und ab. Das gesamte Team versammelte sich vor dem eigenen Fan-Block zum ganz großen Fußball-Familienfoto.

Stolz präsentierten Yussuf Poulsen & Co. Bilder davon auf Instagram. Dass Eriksens Account bei dem Sozialen Netzwerk jedes dieser Fotos auf den Profilen seiner Mitspieler noch in der Nacht zu Sonntag mit einem Herzchen versah, zeigt wie eng die Bindung ist. „Christian hat letzte Nacht geschrieben, dass er sehr stolz auf uns ist“, sagte Borussia Dortmunds Delaney in einem von zahllosen bewegenden Momenten. „Er war der beste Spieler über viele Jahre, wir tragen ihn in unserem Herzen, er sollte hier bei uns sein. Wir kämpfen immer noch damit. Aber ihn stolz zu machen, macht mich glücklich.“

Die nächste Chance dafür bietet sich am Mittwochabend (21 Uhr), wenn bei Final-Gastgeber England der nächste Coup gelingen soll. „JA, JA, JA“, schrieb die Zeitung „B.T.“. „Wilde Party in Baku! Wembley, HERE WE COME“. Nach zwei Niederlagen zum Auftakt hatte es zuvor noch nie ein EM-Teilnehmer bis ins Halbfinale geschafft - es gibt nun wohl nur wenige Fans in Europa, die Dänemark diesen Erfolg nicht gönnen.

Er fühle diese übergreifende Unterstützung definitiv, sagte Hjulmand und setzte zu einem Monolog der großen Worte über das Schicksal Eriksens an: „Es gibt so viele Agendas im Fußball, aber in diesen Momenten haben wir uns alle daran erinnert, warum wir begonnen haben, Fußball zu spielen und auf welchen Werten der Fußball basiert.“

Das bislang letzte Mal hatte Eriksen sich über Instagram vor knapp drei Wochen mit erhobenem Daumen aus dem Krankenhaus gezeigt. Inzwischen ist der 29-Jährige entlassen, am Wochenende tauchte ein erstes Foto auf, dass ihn laut dänischen Medien am Strand in Tisvilde mit einem jungen Fan zeigen soll. „Er sah gesund und gut aus, das war sehr schön zu sehen“, sagte der elfjährige Björn Bindzus der Zeitung „B.T.“, die das gemeinsame Foto veröffentlichte.

Das Drama um seinen Anführer hat nicht nur das Team noch enger zusammenrücken lassen. Auf der Tribüne des blau erleuchteten Olympiastadions von Baku präsentierten die Anhänger ein Banner mit der Aufschrift „FOR CHRIS10AN“. Der Ex-Mainzer Hjulmand sprach nach dem hart erkämpften Erfolg in der schwülen Abendhitze davon, dass auch die Unterstützung der Fans seiner Mannschaft die notwendige Energie für den Sprung unter die besten Vier des Kontinents verschafft habe.

Die 2:0-Halbzeitführung durch Delaney (5. Minute) und Kasper Dolberg (42.) verteidigten die Dänen auch nach dem fünften Turniertreffer von Bayer Leverkusens Patrik Schick (49.) leidenschaftlich. „Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Wir sind eine wunderbare Gruppe, wir vertrauen uns gegenseitig, wir sind füreinander da“, erläuterte Kapitän Simon Kjaer das dänische Erfolgsrezept. „Dazu wissen wir, dass es Christian gut geht. Wir spielen für ihn.“ Auch in Wembley.

(dör/dpa)
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