EM im Fernsehen Zur Abwechslung mal Fußball

Düsseldorf · Bei den vergangenen Fußballturnieren ist vor allem das ZDF in die Kritik geraten, zu sehr Hofberichterstatter des deutschen Nationalteams zu sein. Der Sender will nun mit einem aufgestockten Expertenteam sachlicher werden.

EM 2016: Die TV-Teams
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Die TV-Teams bei der EM 2016

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Foto: ZDF/Nadine Rupp/Ruppografie

Es gibt da diese eine Szene von der Weltmeisterschaft 2014. Katrin Müller-Hohenstein sitzt am Pool im Campo Bahia. Sie hält ihre Füße ins Wasser und lächelt. Neben ihr am Beckenrad sitzt Lukas Podolski. Er hält ebenfalls seine Füße ins Wasser und lächelt. Die beiden sind offenbar sehr zufrieden mit sich. Die Katrin und der Lukas. Am Ende des Gesprächs live im ZDF hat "KMH" dem Poldi auch noch Badelatschen geschenkt. Einfach nett. Die Kritiken in der Heimat waren nicht ganz so euphorisch. Das Bild von Müller-Hohenstein und Podolski galt fortan als Sinnbild für öffentlich-rechtliche Hofberichterstattung von der Nationalmannschaft.

Dieter Gruschwitz sitzt an einem Tisch in einem Düsseldorfer Flughafenhotel und lächelt. Er weiß, was jetzt kommt. 2014, plitsch-platsch, Campo, KMH, hihi. Gruschwitz blickt ein, zwei Augenblicke ins Leere, dann sagt er staatstragend: "Das hätten wir sicher besser lösen können. Es ist aber auch nicht fair, die gute Arbeit einer Kollegin von einem ganzen Tag auf wenige Augenblicke zu reduzieren." Diese Aussage ist natürlich ehrenwert für einen loyalen Vorgesetzten. Gleichwohl macht er auch deutlich, was er von modernem Sportjournalismus im TV erwartet — und was eben nicht.

Das ZDF hat für dieses Turnier sein Expertenteam kräftig aufgestockt und auch ein paar konzeptionelle Änderungen vorgenommen. Man könnte sagen, der Sender hat damit den unerschütterlichen Willen bekundet, auch tatsächlich ein wenig über Fußball zu plaudern. Das ist eine durchaus vernünftige Idee - immerhin überträgt das ZDF 23 Partien, darunter Deutschland - Polen (16. Juni, 21 Uhr). Die ARD zeigt eins weniger. Das ZDF überträgt das Eröffnungsspiel Frankreich - Rumänien am Freitag (21 Uhr), zwei Spiele der DFB-Auswahl in der Vorrunde und das Endspiel. Privatsender Sat.1 will auch ein wenig bei den Großen mitspielen und hat sich die Rechte für sechs Begegnungen in der Vorrunde gesichert, eine davon ist aus der deutschen Gruppe Ukraine - Polen (21. Juni, 21 Uhr). Frank Buschmann, Marcel Reif, Horst Heldt, Fredi Bobic, Marco Bode und Felix Magath gehören unter anderem zum Personal für die EM und berichten aus dem Europapark in Rust so ein TV-Paket kostet viel Geld und muss vermarktet werden.

Bei der ARD vertraut man weitestgehend auf die bewährte Mannschaft. Mathias Opdenhövel wird bei Top-Spielen von Mehmet Scholl unterstützt, bei allen anderen Partien meldet sich Alexander Bommes mit Arnd Zeigler aus einem Studio in Paris. Die Kollegen des ZDF haben diesmal geballte Fachkompetenz engagiert. Neben dem unverwüstlichen Ex-Titan Oliver Kahn wirken rund um die EM auch noch Simon Rolfes, Sebastian Kehl und der Supermarktbesitzer Holger Stanislawski. Der Ex-Leverkusener Profi Rolfes meldet sich mit Müller-Hohenstein aus dem Quartier der deutschen Mannschaft in Evian. "Mit den meisten Jungs habe ich selbst noch auf dem Platz gestanden", sagt Rolfes. "Ich weiß, wie sie ticken. Ich glaube nicht, dass ich noch zu nah dran bin. Es kommt darauf an, wie man seine Kritik formuliert."

Bisher hatte man damit beim ZDF noch nicht so viele Berührungspunkte. Oliver Kahn redet durchaus viel, sagt aber nichts. Die ARD dagegen hat in Scholl einen verlässlichen Polterer in seinen Reihen, der immer mal wieder für einen Spruch gut ist. "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wund liegt und mal gewendet werden muss", spottete er vor vier Jahren bei der EM über die Darbietung von Nationalstürmer Mario Gomez.

Gruschwitz sagt, man erwarte von den Experten keineswegs, mit aller Gewalt "einen rauszuhauen". Man ermuntere sie aber, sich in eine Diskussion einzubringen. Damit das auch gelingt, lädt man zu Gesprächsrunden - Moderator und Experte stehen also nicht mehr an einem Tisch, sondern sitzen jetzt, wie bei Pay-TV-Sender Sky schon seit geraumer Zeit praktiziert, an einem Tisch. Stanislawski steht in dem von ARD und ZDF gemeinsam genutzten Studio in Paris an einem Bildschirm und soll über Taktisches erzählen.

Damit es aber nicht zu fachlich wird, werden auch Gäste eingeladen. Boris Becker hat bereits zugesagt.

(gic)
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