Deutschland bei der EM Viel Zeit zum Einspielen
Meinung · Europameisterschaften waren mal eine sehr überschaubare Veranstaltung. Zu den besten deutschen Zeiten trafen sich vier Teams zur Endrunde. 1972 in Belgien spielte Deutschland das Halbfinale gegen den Ausrichter (2:1) und kegelte das Team der Sowjetunion im Endspiel locker mit 3:0 vom Rasen. Ein langes Wochenende reichte für jahrzehntelangen Ruhm.
Inzwischen liegt zwischen Auftaktspiel und Finale ein ganzer Monat, in Frankreich bemühen sich erstmals 24 Mannschaften um den Titel. Gibraltar, Liechtenstein und Andorra sind zwar noch nicht dabei. Aber auch andere Riesenzwerge des europäischen Fußballs wie Albanien verwässern tüchtig das Niveau.
Für die Großen, zu denen Weltmeister Deutschland natürlich gehört, hat das nicht nur Nachteile. Es muss zwar mehr gespielt werden, aber das Achtelfinale kann nach menschlichem Ermessen selbst bei einer höchst holprigen Vorrunde nicht verpasst werden. Sogar die vier besten Gruppendritten kommen eine Runde weiter. Deshalb können sich Deutschland und Frankreich, Italien und Spanien in ihren Gruppen so richtig einspielen und den Rhythmus finden.
Das ist für die deutsche Mannschaft auf jeden Fall wichtig. Sie hat weder in der Qualifikation noch in den Testspielen vor der EM zu konstanter Form gefunden. Zu viele Spieler waren in Gedanken noch im Fußball-Himmel von Rio de Janeiro, so mancher musste den Anstrengungen seines langen Berufslebens mächtig Tribut zollen. Und der wichtigste Spieler der vergangenen zehn Jahre ist nicht mehr dabei. Philipp Lahms Nachfolge hat Bundestrainer Joachim Löw noch nicht regeln können.
Trotzdem rechnen alle Experten die DFB-Auswahl zu den Favoriten. Das ist sicher richtig, weil sie offenbar noch so viel Luft nach oben hat. Aber sie hat sich selbst in ihren Leistungen auf dem Rasen zu selten an ihre großen Fähigkeiten erinnert.
Löw muss in der Vorbereitung und in den ersten Gruppenspielen den richtigen Schalter finden. Das wäre gerade noch rechtzeitig.