EM-Tagebuch Britische Gärten in Frankreich

Paris · Unser Autor kehrt in die französische Hauptstadt zurück. Er hat sich damit abgefunden, Ziel des umgekehrten "Mr.-Bean-Effekts" zu sein. Doch nicht nur der Dauerregen erinnert ihn an Großbritannien.

RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM.

RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM.

Foto: Phil Ninh

Und wieder Paris. Es hat sich erstaunlich wenig verändert seit vergangenem Freitag. Obwohl sie mich nun auf die andere Seite der Stadt gebracht haben, ist das Bild wohlvertraut. Die Autos stehen im Dauerstau, das regt aber niemanden auf, es gibt putzige Wolkenkratzer und prächtige Bürgerhäuser, auf fünfspurigen Straßen wird in sechs Spuren gefahren (mindestens), Rückspiegel sind was für Amateure und Touristen. Und es regnet, natürlich regnet es.

Dieses Wetterphänomen verhält sich umgekehrt zu jener meteorologischen Erscheinung, die Fachleute als den "Mr.-Bean-Effekt" kennen. Der beruht darauf, dass Mr. Bean ständig von einem kreisförmigen Sonnenschein verfolgt wird, den man sich am besten wie einen Kamera-Scheinwerfer vorstellt. Vielleicht verwechsle ich auch das eine mit dem anderen. Tatsache ist: Wo Mr. Bean ist, da scheint die Sonne. Wo ich bin, da regnet es eben. Ich habe mich damit abgefunden.

Nicht mal die 28.561 Einwohner meiner vorübergehenden Heimatgemeinde Bois-Colombes vor den Toren von Paris machen es mir zum Vorwurf. Ich habe jedenfalls noch nichts gehört, was unter Umständen an unzureichenden bis nicht vorhandenen Französisch-Kenntnissen liegen mag. Mangelndes Verständnis für das gesprochene Französisch gleiche ich durch intensives Studium übersetzter Wahrheiten über dieses große EM-Land in meinem kleinen Wundertelefon aus, das ich manchmal sogar zum Telefonieren benutze.

Hier lerne ich zu meiner großen Überraschung, dass all diese Vororte, die ich in meiner grotesken Unwissenheit immer Paris zugeschlagen habe, eigene Gemeinden sind, mit Bürgermeisteramt, auf dem aber auch immer über dem Eingang "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" eingemeißelt ist, bestimmt mit einer ganz eigenen Identität, vielleicht mit einem eigenen Dialekt. Wahrscheinlich verhält es sich so wie mit, nur zum Beispiel, Goch und Pfalzdorf. Da gibt es die Metropole an der Niers und das eingemeindete Dorf. Jüngere Menschen halten es für eine natürliche Verbindung, ältere wissen, dass es ein Ergebnis roher Gebietsreform ist.

Gut möglich, dass vor ein paar hundert Jahren die Einwohner von Bois-Colombes allenfalls mal zum Markt nach Paris reisten - so wie die Nachfahren der Pfälzer, die auf ihrem Weg nach Amerika am Niederrhein hängen blieben, Goch am liebsten nur von weitem sahen. Heute fahren ein paar erkennbar reiche Menschen aus Bois-Colombes jeden Tag mit dem Porsche zur Arbeit nach Paris, und alles ist untrennbar zusammengewachsen. Es soll auch reiche Pfalzdorfer geben, die nach Goch zur Arbeit reisen. Böse Menschen behaupten, das seien Gocher, die sich vor dem Lärm der 30.000-Seelen-Metropole in Sicherheit gebracht haben und die am Abend ihre Ruhe haben wollen.

Das scheint den Bürgern von Bois-Colombes ebenso zu gehen. Sie suchen sich am Abend auf Sträßchen, die nicht einmal eine Fahrbahnspur breit sind, eine Stunde ihren Parkplatz, dann betreten sie durch schmucke Eingangstore ihre kleinen Gärten, hinter denen reizende Einfamilienhäuser liegen. Manchmal sieht es fast ein bisschen britisch aus. Dazu passt der Dauerregen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Nordiren irgendwo hier wohnen. Ihnen müssten das Wetter und die Häuser wie eine zweite Heimat vorkommen. Entdeckt habe ich sie aber noch nicht.

(pet)
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