Analyse zur EM-Vergabe 2024 Grindels Schicksal hängt an der Europameisterschaft

Düsseldorf · Heute Nachmittag entscheidet sich, wer die EM 2024 austrägt – Deutschland oder die Türkei. Von dem Votum der Uefa hängt für den DFB viel ab. Bei einer Niederlage wäre Reinhard Grindel als Präsident nicht mehr haltbar. Eine Analyse.

 DFB-Präsident Reinhard Grindel.

DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Als zum letzten Mal eine Fußball-Europameisterschaft in Deutschland veranstaltet wurde, war Philipp Lahm gerade einmal vier Jahre alt. Und deshalb hält sich auch seine Erinnerung an das Großereignis 1988 in engen Grenzen. 18 Jahre später war er dann mittendrin. „Ich erinnere mich an 2006, was es für das Land bedeutet hat und für jeden einzelnen bedeutet hat, so ein Turnier vor der Haustür zu haben“, sagt der 34-Jährige. „Wir können zeigen, wie offen und gastfreundlich wir sind. Wir haben gute Voraussetzungen.“ Lahm ist das Gesicht der deutschen EM-Bewerbung, über die heute im schweizerischen Nyon von der Uefa entschieden wird. Einzig übriggebliebener Kontrahent um die Austragung des Fußballturniers ist die Türkei. Hinter den Kulissen waren Verhandlungen über einen möglichen Deal zwischen beiden Verbänden früh gescheitert. Niemand wollte seine Kandidatur zurückziehen oder sich darauf verlassen, vier Jahre später unterstützt zu werden.

Fragen und Antworten zur EM-Vergabe
Infos

Fragen und Antworten zur EM-Vergabe

Infos
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Für den DFB gab es auch lange überhaupt keinen Grund dazu, nur einen Millimeter von seiner Position abzurücken. Der DFB war ein stolzer Verband. Gut vernetzt und respektiert von den anderen Nationalverbänden. Doch das Renommee hat in den vergangenen Jahren enorm gelitten. In der Aufarbeitung um die Affäre um das sogenannte Sommermärchen 2006 hat man sich mit großem Eifer selbst isoliert. Die Zahl der Verbündeten ist auf ein überschaubares Maß zusammengeschrumpft, und dieser Umstand kann nun zum echten Problem werden. Denn es gilt als überhaupt nicht mehr sicher, dass sich Deutschland am Donnerstagnachmittag gegen die Türkei durchsetzen wird.

Die Nervosität im deutschen Lager ist von Woche zu Woche gestiegen. DFB-Präsident Reinhard Grindel ist herumgereist, und hernach hatte man mitunter das Gefühl, es würde immer düsterer. Denn intern ist ein Machtkampf entbrannt. Es geht um die Macht im deutschen Fußball und zuvorderst beim DFB. Würde die deutsche Bewerbung am Donnerstag bei den 17 wahlberechtigten Funktionären durchfallen, wären die Tage von Grindel an der Spitze wohl gezählt. Erhält dagegen Deutschland den Zuschlag, würde das seine Position erst einmal festigen.

Dem Profifußball ist nicht unbedingt an einer weiteren Zusammenarbeit gelegen. Vielen Vertretern der Bundesliga-Klubs gilt Grindel mittlerweile als Verhinderer, der vor allem um die eigene Vermarktung bedacht ist. Der Deutschen Fußball Liga (DFL) geht es indes in erster Linie darum, wie man das Produkt Bundesliga noch besser und effektiver vermarkten kann. Und wie man sich von den Klüngeleien beim DFB befreien kann. Fußball in Deutschland funktioniert bislang nach dem Solidaritätsprinzip. Alle unter einem Dach, die Großen unterstützen die Kleinen, die Profis fördern die Amateure. Die Vereine hätten gerne deutlich mehr Kontrolle über diese Entwicklung. Bei einem Scheitern der Bewerbung um die EM 2024 wäre der Zeitpunkt für einen Neustart gewiss gekommen.

Stadien für EM 2024: Diese Spielorte aus NRW sind dabei
6 Bilder

Diese NRW-Stadien haben den Zuschlag für die EM 2024 bekommen

6 Bilder
Foto: dpa, cas hak

Offiziell sind natürlich alle in der Charmeoffensive und bemühen sich um den Zuschlag bei der Vergabe. „Der DFB hat alles getan“, sagte Bundestrainer Joachim Löw dieser Tage, „dass die Bewerbung erfolgreich sein wird. Wie die Chancen stehen, kann ich nicht beurteilen, aber wir würden uns freuen. Wir haben bei der WM 2006 erlebt, was das auslöst. Es wäre für den deutschen Fußball wichtig.“ Löw hat zuletzt bekanntlich nicht immer das richtige Gefühl gehabt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort