Auf seiner Seite im Internet hat Bastian Schweinsteiger seine Lieblingsspiele aufgelistet. Das WM-Finale von 1998 zwischen Frankreich und Brasilien ist dabei, Deutschlands Erfolge über Portugal bei der WM 2006 (3:1) und EM 2008 (3:2) und Bayern Münchens Sieg im Champions-League-Finale 2001 über den FC Valencia (6:5 n.E.). Schweinsteigers vielleicht bestes Länderspiel ist nicht aufgeführt.

Beim sensationellen 4:0-Sieg gegen Argentinien im WM-Viertelfinale von Südafrika stellte der Mittelfeldmann von Bayern München auch Lionel Messi in den Schatten. Seither gilt der 26-Jährige aus Kolbermoor selbst als einer der besten Fußballer der Welt. Und er soll heute Abend in Brüssel beim Auftakt der EM-Qualifikation gegen Belgien den Favoriten Deutschland zum ersten Erfolg in der Gruppe führen.

Dirigent und Taktgeber

Wie schon in Südafrika oder beim FC Bayern wird er seinen Anspruch auf eine der wesentlichen Rollen im Team nicht auf dem Podium bei den Mediengesprächen unterstreichen, sondern durch sein Verhalten auf dem Platz. Seit Schweinsteiger vom rechten Flügel aus der Position des gelegentlich spielverzögernden Dribblers in die Zentrale des Spiels versetzt ist, bestimmt er den Rhythmus des Geschehens, fordert den Ball, dirigiert das Tempo und seine Nebenleute.

Die äußerlichen Zeichen eines Spielführers braucht der heimliche Kapitän der DFB-Auswahl dafür nicht, weil er weiß, dass seine Fähigkeiten ihm hohe Anerkennung garantieren. "Das Amt des Kapitäns ist eine Ehre, klar", hat er gesagt, "auf dem Platz kann man aber auch ohne Binde Verantwortung übernehmen."

Die öffentliche Diskussion um das hohe Amt und das Kompetenzgerangel zwischen Michael Ballack, dem Kapitän im Wartestand, und dessen Vertreter Philipp Lahm verfolgt Schweinsteiger mit kluger Zurückhaltung aus der Ferne. Selbstverständlich sei Ballack der Kapitän, erklärte er, "er hat viel für die Nationalelf geleistet, und wäre er nicht verletzt gewesen vor der WM, hätte es diese Debatte nicht gegeben".

Das sichert ihm Ballacks Unterstützung, wenn der Leverkusener tatsächlich in Bestform zurückkehren sollte. Er muss sich nicht in einem ziemlich eitlen Wettbewerb die gute Laune verderben lassen. Und er kann darauf hoffen, nach der Ära Ballack selbst der starke Mann im Team zu werden.

Eigentlich ist er es bereits, obwohl er Wert darauf legt, als gleichberechtigter Teil der Mannschaft angesehen zu werden. Schweinsteiger verkörpert neue Umgangsformen, die von Lahm so gern mit dem wohlfeilen Begriff der "flacheren Hierarchien" geadelt werden. Aber sein Wort hat Gewicht bekommen — nicht nur im Team.

Anders als Lukas Podolski, sein überaus passender Partner zu gemeinsamen Fußball-Flegelzeiten, mit dem er schon mal in der Aufwärmhalle der Münchner Arena um die Wette die Zapfen der Sprinkleranlage von der Decke schoss, ist Schweinsteiger erwachsen geworden. Seinen Charme hat er dabei nicht verloren. Aber er strahlt unterdessen eine Ernsthaftigkeit im Umgang mit seinem Beruf aus, die deutlich weniger aufgesetzt wirkt als beim Kollegen Lahm.

Das verschafft ihm eine natürliche Autorität in der Mannschaft und in der Öffentlichkeit. Sie nimmt Schweinsteiger längst als legitime Führungsfigur in der DFB-Auswahl wahr. Und sie erwartet von ihm weiterhin Großes — selbstverständlich auch heute Abend in Brüssel.