DFB-Team Und jetzt acht Monate Feinschliff

Leipzig · Die Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 2016 wurde erfolgreich beendet. Bis zum Turnier in Frankreich im Juni besteht aber noch in diversen Bereichen Optimierungsbedarf - das weiß auch Bundestrainer Joachim Löw.

EM-Kader 2016: Joachim Löw hat sich entschieden
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Joachim Löws EM-Kader

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Foto: dpa, woi lof

Der Weltmeister hat sich für die Endrunde der Europameisterschaft 2016 in Frankreich qualifiziert. Das ist alles andere als überraschend. Die Aufblähung des Teilnehmerfelds hat es den Großen leicht gemacht, denn sie konnten sich kleinere Pannen leisten. In Bestform war von den (vermeintlichen) europäischen Großmächten keine. Sie alle müssen bis Mitte Juni 2016 noch mächtig nachlegen. Das gilt auch für die deutsche Mannschaft, die sich in Leipzig mit einem dünnen 2:1 gegen den fußballerischen Riesenzwerg Georgien aus der Qualifikation verabschiedete. "Es gibt in den nächsten Monaten einiges zu tun", sagt Bundestrainer Joachim Löw. Seine Baustellen:

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Deutschland - Georgien: Einzelkritik

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Konstanz Es gab viele Holprigkeiten in der Qualifikation. Der Weltmeister verkraftete weder frischen Ruhm noch den Abgang prominenter Spieler. Ehe sich die Deutschen eingestanden hatten, dass sie nicht unschlagbar sind, gab es die ersten Punktverluste. Erst ein Zwischenspurt im September korrigierte den Fehlstart. Dem Spiel fehlt noch die Balance.

Effektivität Die Begegnungen mit Irland und Georgien waren für die Statistiker im großen Stab des DFB dabei sehr lehrreich. Sechs Großchancen, so haben die Fachleute errechnet, braucht das Team für ein Tor. Das ist selbst dem erklärten Anhänger fußballerischer Feinkost zu viel. "Das ist eine Sache der Konzentration", urteilt Löw. Und er hat den passenden Tipp bereit: "Die Spieler müssen lernen, mit jeder Chance so umzugehen, als wäre sie die einzige."

Einstellung Von solcher Entschlossenheit war in der Qualifikation selten etwas zu sehen. Die deutsche Mannschaft setzt auf ihre fußballerische Klasse, wogegen ja nun niemand etwas haben kann, der sich noch an die furchtbaren Zeiten des sprichwörtlichen Rumpelfußballs an der Wende des Jahrtausends erinnert. Sie gibt im Zweifel allerdings der Schönheit den Vorzug vor der Klarheit. Das hat den Spielern den Vorwurf der Überheblichkeit eingetragen. Löw wehrt sich dagegen. "Das kann man von unserer Mannschaft nicht behaupten", beteuert er, "die Spieler wollen schon auch gewinnen, sie sind schon wahnsinnig professionell."

Die Spielidee Das muss Löw sagen, denn sonst müsste er vielleicht sein Modell hinterfragen. Das aber ist ihm heilig. "An unserer Spielidee gibt es überhaupt keinen Zweifel", sagt der Bundestrainer mit feierlichem Ernst, "natürlich überlegen wir: Wie können wir es besser machen?" Das Ergebnis dieser Überlegungen teilt er dann auch gern mit: "Es ist eine Sache des Trainings."

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Deutschland - Georgien: Pressestimmen

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Das Training Deshalb vertraut der Coach auf die Vorbereitung auf das große Turnier. Er hat Gründe dafür. Bisher ist es ihm noch immer gelungen, die Unebenheiten im Zusammenspiel in der langen gemeinsamen Zeit vor einem Großereignis auszugleichen. Und er schaffte es, dem Kollektiv ein Gefühl für das große Ziel zu geben. Daraus wächst seine Überzeugung, dass seine Mannschaft neben ihrer Kreativität das Ergebnis wiederentdeckt. Noch ist das längst nicht so. "Wir sind nicht so tödlich für den Gegner, wie wir das schon mal waren", stellt Löw mit wehem Blick nach Brasilien fest, wo namentlich die Gastgeber im Halbfinale mit einer geradezu erbarmungslosen Effektivität zerlegt wurden.

Die Außenverteidiger Dazu trugen der eher zurückhaltende Benedikt Höwedes auf der Position des linken Verteidigers und der kreative Weltklassemann Philipp Lahm bei. Beide spielten in der Qualifikation keine Rolle, der eine (Lahm), weil er zurückgetreten ist, der andere, weil er verletzt war. Löw hat nun eine andere Idee. Zuletzt bildeten Matthias Ginter (rechts) und Jonas Hector das Flügelpaar. Da ist das internationale Topniveau noch weit weg. "Es sind Spieler, die in der Entwicklung stehen", erklärt Löw, "wir kommen von den Außen selten hinter die Abwehr. Da brauchen wir Lösungen." Es wird sein Job sein, bis zur EM-Endrunde Lösungen zu finden. Einen neuen Lahm kann er sich schließlich nicht backen.

Die Hierarchie Lahm war es, der das schöne Wort von den flachen Hierarchien einführte und damit in der Nationalelf das Ende der röhrenden Platzhirsche ausrief, von denen Michael Ballack der letzte war. Auch Lahms Nachfolger in den entscheidenden Positionen sind keine Kollegen-Durchschüttler wie Oliver Kahn. Bastian Schweinsteiger, Manuel Neuer, Thomas Müller und Jerome Boateng führen mit leisen Tönen. Schweinsteiger ist am ehesten der Spielertyp, der den Laden zusammenhalten kann. Auch wenn ihm das Tempo zunehmend zu schaffen macht, denkt er in den wichtigen Momenten defensiv und ergebnisorientiert. Manchmal denkt er für seine verspielten Nebenleute mit. Deshalb braucht Löw ihn noch.

Die Chancen Er brauchte ihn auch auf dem Weg zum WM-Titel. Die EM wird Schweinsteigers letztes großes Turnier. Sein Team hat in der Qualifikation zumindest gelegentlich angedeutet, was für ein Talent in ihm steckt. Das rückt Deutschland in den Kreis der Favoriten. Für einen Topfavoriten waren die Vorstellungen viel zu wechselhaft und der mannschaftliche Zusammenhalt zu wenig ausgeprägt. Die außerordentliche Abneigung der Abteilung Kringeldrehen für die Abwehrarbeit machte sogar Georgien gefährlich. Löw sagt: "Es gilt, die Sinne zu schärfen." Stimmt.

(pet)
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