Sieg in der EM-Quali gegen Gibraltar Löw ist enttäuscht: "Ein 4:0 ist zu wenig"

Nürnberg · Ein bisschen sah es aus wie nach einem großen Sieg. Vor der Ersatzbank sanken sich glückliche Fußballer in die Arme, mit strahlenden Gesichtern blickten sie stolz auf die Tribünen. Trainer Allen Bula gratulierte jedem seiner Spieler persönlich, und natürlich ging es noch unter dem Beifall selbst der deutschen Zuschauer in die Kurve zu den eigenen Fans.

Deutschland - Gibraltar: Reaktionen
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Foto: afp, vel

So fühlt es sich an, wenn Gibraltar, der kleinste aller europäischen Fußballzwerge, eine 0:4-Niederlage beim Weltmeister feiert. "Ich bin sehr stolz", sagte Bula, "das kleine Gibraltar hat den großen Weltmeister gefordert."

Auf der anderen Seite sah die Welt ganz anders aus. "Nein, ich bin nicht zufrieden mit diesem Spiel", erklärte Bulas deutscher Kollege Joachim Löw, "weil ein 4:0 zu wenig ist. Es sind zu wenige Tore gefallen. Ich habe mehr erwartet." Vor allem die zweite Halbzeit war überhaupt nicht nach seinem Geschmack. Drei Tore hatte der haushohe Favorit vor der Pause gemacht, und er kam immer dann zum Erfolg, wenn er das Tempo anzog.

Manuel Neuer verhindert 34-Meter-Traumtor von Gibraltar
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Foto: dpa, dka jai

Nach dem Wechsel "haben wir nicht mehr dieses Tempo gespielt", monierte Löw. Da ging es dann oft wie im Hallenhandball gemächlich rund um den Strafraum der Gäste, die sich selbstverständlich nicht zu einem offenen Spiel bereitfanden. Sie standen meist mit neun Mann vor ihrer Strafraum-Linie. Das reichte sehr zum Unwillen Löws, den Deutschen ihre Chancen zu nehmen.

Viele Hochkaräter kamen nicht mehr heraus, weil im offensiven Zentrum zu wenig Bewegung herrschte und deshalb vor lauter Hilflosigkeit am Ende einer halbherzigen Angriffsbemühung nun häufig der Gewaltschuss aus der Ferne stand - bei den vielen Abwehrbeinen kein gutes Rezept. Nach dem Wechsel gab es nur noch den einen Treffer, aber auch den ließ Gibraltar den Deutschen nicht. Es war ein Eigentor, das Lukas Podolski durch ein kleines Solo im Strafraum regelrecht erzwungen hatte.

Joachim Löw kann nicht zufrieden sein: die Einzelkritik
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Deutschland - Gibraltar: Einzelkritik

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Dennoch bleibt Podolski eines der großen Sorgenkinder des Bundestrainers. Er durfte sich durchaus angesprochen fühlen, als Löw feststellte: "Von dem einen oder anderen hätte ich mir mehr erwartet, mehr Zug zum Tor und mehr Abschlüsse. Ich hätte mir mehr Überzeugung und Konsequenz erwartet." Ein gewisses Verständnis für Podolskis Probleme, am Spiel teilzunehmen, hat sein Trainer trotzdem. "Für ihn ist es schwierig, 90 Minuten Tempo zu gehen, dafür braucht er Spielpraxis. Aber die hat er seit einem halben Jahr nicht mehr", erklärte der Coach, "er muss überlegen, was das nächste Jahr für ihn bringt." Schon vor der Begegnung mit Gibraltar hatte Löw dem Herzens-Kölner zu einem Vereinswechsel geraten, weil er offenbar bei Arsenal Londons Trainer Arsène Wenger keine Rolle mehr spielen wird.

Podolski Spiel schien aber auch vor dem Stammplatz auf der Ersatzbank im Verein nicht mehr ganz von heute zu sein. Bei der WM, die er im Vollbesitz seiner Kräfte angehen konnte, wirkte er bei seinen wenigen Spielminuten wie ein Fremdkörper. Und auch gegen Gibraltar kam er nicht dazu, seine Stärken auszuspielen. Er schaffte es nicht in die vielgerühmte Tiefe des Raumes, weil er sich zu wenig für den Pass anbot, er holte sich das Spiel nicht auf seine Seite.

Bastian Schweinsteiger albert vor Gibraltar-Spiel mit Handy rum
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Podolski war freilich nicht die einzige enttäuschende Offensivkraft. Auch vom Mönchengladbacher Max Kruse war nicht viel zu sehen. Anders als sein Angriffskollege Thomas Müller, der immerhin zwei der mageren vier Törchen erzielte, brachte sich Kruse zu selten im Angriffszentrum in Szene. Er hatte seinen besten Moment, als er die Doppelpass-Station für Mario Götze auf dem Weg zum 3:0 war. Gefahr in der "Box", wie die Engländer den Sechzehnmeterraum nennen, strahlte er nicht aus.

Natürlich geriet der fest eingeplante Erfolg niemals in Gefahr. Den erhofften Glanz versprühte der Weltmeister bei seinem letzten Pflichtspiel der Saison allerdings nicht. Vielleicht hat der große Erfolg vom Sommer die Spannung abfallen lassen, wie Löw argwöhnte. Sicher aber ist, was der Bundestrainer nach dem ereignisarmen Abend von Nürnberg betonte: "Wir stehen nicht da, wo wir stehen wollten." Er sagte das fast ein wenig verwundert.

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