Deutschland - Italien 7:6 n.E. Neuer und Hector werden im Elfmeterschießen zu Helden

Bordeaux · Endlich ist der Italien-Fluch gebrochen! Deutschland steht nach einem 7:6 nach Elfmeterschießen im Halbfinale der EM. Manuel Neuer wird bei der Lotterie vom Punkt zum deutschen Helden. Damit landet die deutsche Mannschaft den ersten Sieg gegen Italien bei einem K.o.-Spiel eines großen Turniers.

EM 2016, Deutschland - Italien: Einzelkritik
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Die deutsche Nationalmannschaft hat ihren Italien-Fluch besiegt. Im Viertelfinale der Europameisterschaft in Frankreich gab es den ersten Sieg in einem großen Turnier. Er kam nach einem nach allen Regeln der taktischen Kunst aber erst im Elfmeterschießen zustande. Nach Toren von Mesut Özil und Leonardo Bonucci ging es mit 1:1 in die Verlängerung, in der keine Tore fielen. Dafür nahmen sich die Spieler beim Entscheidungsspiel vom Punkt noch mal so richtig Zeit. Als Jonas Hector zum 6:5 im Elfmeterschießen traf, war er bereits der 18. Schütze. Deutschlands Torwart Manuel Neuer parierte zwei Schüsse, und er trug mindestens so zum Einzug ins Halbfinale bei wie Hector.

Der Rest war Jubel mit den Fans nach einem physisch und psychisch enorm anstrengenden Spiel. Beide Teams unterstrichen ihr hohes Niveau, und beiden war der Respekt vor dem jeweiligen Gegner anzumerken. Die DFB-Auswahl investierte mehr in Angriffsaktionen, die Italiener verteidigten nach alter Sitte mit großer Kunst.

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"Ein echter Nervenkrieg"

"Das war schon ein echter Nervenkrieg am Ende. Das Elfmeterschießen passte zu den Spielen Deutschland gegen Italien", sagte Torwart Manuel Neuer, "das war nicht einfach."

Joachim Löw hatte die richtige Ahnung. "Das kann schon auch ein zähes Spiel werden", sagte der Bundestrainer vor dem Viertelfinale. Und er leistete sogar seinen Beitrag dazu. Er baute sein Abwehr zur Dreierkette mit Benedikt Höwedes, Jerome Boateng und Mats Hummels. Und er opferte für die defensivere Ausrichtung einen Angreifer, ausgerechnet den im Achtelfinale so starken Julian Draxler, der erst später für den angeschlagenen Mario Gomez ins Spiel kam.

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Durch diese Grundaufstellung und durch die Tatsache, dass die drei deutschen Innenverteidiger ihren Job beherrschen, versandete vieles, was sich die Italiener möglicherweise als Angriff vorgestellt hatten. Auf der anderen Seite aber gab es zunächst ein ganz ähnliches Bild. Italiens bekannt gute Abwehr stellte und lief die Räume zu, Deutschland kam vor der Pause nicht ins Rollen, die langen Diagonalbälle auf die aufrückenden Außenverteidiger Joshua Kimmich und Hector fanden häufig ihr Ziel nicht. Und weil aus dem deutschen Mittelfeld wenige Impulse kamen, herrschte Langeweile auf sehr gehobenem taktischen Niveau.

Möglicherweise büßte die DFB-Auswahl nicht nur an Tempo ein, weil kein Dribbler wie Draxler die italienische Defensive in den sogenannten 1:1-Situationen auseinanderziehen konnte, sondern auch, weil Sami Khedira sehr früh mit einer Verletzung im Adduktorenbereich ausgewechselt werden musste. In der Zentrale fehlte Khediras läuferische Kompetenz. Bastian Schweinsteiger, der für ihn aufs Feld kam, ist von seiner ganzen Art eher Stratege als Raumverschaffer durch hingebungsvolle Sprints.

Die Deutschen legten erst nach dem Wechsel einen Gang zu. Sie ließen den Ball schneller laufen, und sie machten aus der Feldüberlegenheit, die Italien häufig gestattete, endlich auch Torgefahr. Bei der ersten großen Chance scheiterte noch Thomas Müller mit einem satten Schuss von der Strafraumgrenze an einem akrobatischen Rettungssprung von Alessandro Florenzi, der den Ball mit der Hacke auf der Linie abwehrte.

Die DFB-Auswahl blieb trotzdem am Drücker, und ihre Führung nach einem vorzüglichen Angriff über Mario Gomez und Jonas Hector war verdient. Mesut Özil erzielte sie. Doch die Italiener ließen sich nicht schocken. Ihre erste Gelegenheit nach dem Wechsel nutzten sie mit gütiger Unterstützung der deutschen Abwehr in Person von Boateng zum Ausgleich. Der Innenverteidiger ging bei einer langen Flanke im Stil eines Volleyballspielers zum Ball. Schiedsrichter Viktor Kassai (Ungarn) entschied zu Recht auf Elfmeter. Leonardo Bonucci brachte sein Team mit dem 1:1 in die Verlängerung.

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Beide Mannschaften berührten nun nicht mehr den Risikoschalter. Löws Team hatte mehr Ballbesitz, aber ihr fehlte vorn die Physis, die Gomez ihr verliehen hatte. Müller spielte in der Spitze, lief viel und kämpfte, warf sich aber so manches, was er mit Einsatz aufgebaut hatte, im Übereifer wieder um. Große Gefahr beschworen beide Mannschaften nicht mehr herauf. Die Deutschen, weil sie nicht mehr konnten, die Italiener, weil sie nicht mehr wollten. Sie strebten nur noch das Elfmeterschießen an. Und dieses Ziel erreichten sie auch. Zum glücklichen Ende reichte es nicht.

(pet)
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