Bayer Leverkusen Bayer-Profis bei der EM (fast) nur in der Zuschauerrolle

Leverkusen · Bernd Leno fährt als einziger Bayer-Profi im deutschen Kader zur EM. Karim Bellarabi und Julian Brandt wurden nicht nominiert. Sie blieben wie Christoph Kramer und Jonathan Tah aus unterschiedlichen Gründen beim Bundestrainer außen vor.

EM 2016: "Marco Raus" – Pressestimmen zum deutschen Kader
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Pressestimmen zum endgültigen deutschen Kader

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Rudi Völler versuchte, sich seine Enttäuschung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Bayers Sportdirektor nahm die Entscheidung von Joachim Löw, wen er mit zur Europameisterschaft nimmt, sportlich. "Ich weiß, wie schwer es ist, solche Entscheidungen treffen zu müssen", sagte der deutsche Teamchef von 2000 bis 2004.

Von den drei Profis aus Leverkusen, die im vorläufigen EM-Kader standen, schaffte es nur Torhüter Bernd Leno ins deutsche Aufgebot für die Endrunde in Frankreich. Das war nüchtern betrachtet für manchen, der Bayers Standing beim DFB ohnehin seit Jahren kritisch beäugt, eine vielleicht erwartbare Entscheidung. Aus Sicht des Vereins aber, immerhin dritte deutsche Kraft hinter Bayern München und Borussia Dortmund, ist diese Auswahl enttäuschend. Den im Saison-Endspurt furios aufspielenden Leverkusenern ist nur der Keeper geblieben. Bleibt Manuel Neuer gesund, wird Bernd Leno nicht spielen. Profis aus Leverkusen werden also allenfalls in den konkurrierenden Nationalteams auf dem Rasen zu sehen sein (Hakan Calhanoglu, Admir Mehmedi, Tin Jedvaj, Zugang Julian Baumgartlinger). "Für Bernd freue ich mich und drücke ihm die Daumen", entgegnete Völler.

Dabei gab es in den vergangenen Wochen zumindest ein aussichtsreiches Quintett im Team der Werkself, das für eine Berufung infrage gekommen wäre. Doch aus den unterschiedlichsten Gründen wurde daraus nichts.

Karim Bellarabi Vor allem die Nicht-Berücksichtigung des 26-Jährigen, den sein Trainer und Förderer Roger Schmidt kürzlich sogar noch als "Kandidat für die Startelf" bezeichnet hatte, traf im Umfeld des Werksklubs auf Unverständnis. "Vor vier Wochen habe ich mich noch gefragt, wer kann außer Karim Bellarabi von unseren Jungs noch auf den EM-Zug springen?", entgegnete Völler, der durchblicken ließ, ebenso von Bellarabis EM-Teilnahme überzeugt gewesen zu sein.

Der Offensivmann hatte sich insbesondere mit seiner eindrucksvollen Rückrunde für seine erste große Turnierteilnahme beworben. Er hatte maßgeblichen Anteil am erfolgreichen Endspurt der Werkself und dem Erreichen von Platz drei. Mit seinen sieben Treffern und elf Assists unterstrich er den guten Eindruck. Bellarabi, der im Sommer hätte wechseln können, sich aber bewusst für Bayer 04 entschied, reiste mit einem guten Gefühl zur Nationalmannschaft nach Ascona.

Dass Löw nun formschwächere Spieler oder junge Wilde vorzog, muss ihm bitter aufstoßen. Welche Rolle bei dieser Entscheidung die Verletzung spielte, die sich Bellarabi in der entscheidenden ersten Trainingswoche zuzog, führte Löw in seiner Erklärung nicht aus, der dem Offensivmann zuletzt ohnehin weniger Spielanteile gewährte.

Julian Brandt Joachim Löw belohnte den 20-Jährigen für seine Leistungsexplosion in der Rückrunde mit der Nominierung in den vorläufigen EM-Kader. Das darf durchaus als Zeichen verstanden werden, dass er sehr wohl auf Brandt setzt - wenn auch noch nicht bei diesem Turnier. Zumal es zahlreiche Alternativen auf dem Flügel gibt. Wenn nicht allzu viel schiefgeht, wird der Offensivmann in Zukunft eines der Gesichter der Nationalmannschaft sein. Brandt könnte für die Olympiamannschaft im Sommer ohnehin die tragendere Rolle spielen.

Jonathan Tah Der Abwehrspieler gehörte zu den positivsten Erscheinungen in der abgelaufenen Spielzeit in Leverkusen. Trotz seiner erst 20 Jahre überzeugte er mit einer erstaunlichen Konstanz und Abgeklärtheit. Er bekam von Löw im März die Chance, sich zu zeigen. Der Innenverteidiger gilt als sicherer Olympiafahrer - bei der WM in zwei Jahren will auch er im A-Kader angekommen sein.

Christoph Kramer Der Weltmeister gehörte nicht einmal zum vorläufigen Aufgebot. Die Leistungen des defensiven Mittelfeldspielers reichten in der abgelaufenen Spielzeit nicht. Das wusste niemand besser als Kramer selbst, der sich mit dem "brutal anderen Fußball", den Roger Schmidt spielen lässt, eben nie richtig anfreundete. Der 25-Jährige ist ehrgeizig, geradlinig, einer, der trotzdem nicht zaudert, aber doch höchste Ansprüche an sich hat. Er wird sich in der Pause seine Gedanken machen, ob er den Konkurrenzkampf in Leverkusen weiter annimmt. Stand jetzt ist das Nationalteam für ihn weit weg.

(RP)
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