EM-Experte im US-Fernsehen "Commie" Ballack kommt bei Soccerfans gut an

Oakland/Bristol · "Michael Ballack is a Commie": "Kommunist" Michael Ballack macht im US-Fernsehen eine gute Figur als EM-Experte. Beim Spiel Deutschland gegen die Niederlande glänzt er erneut mit klarer Meinung.

Bundesliga 11/12: Ballack verabschiedet sich aus Deutschland
11 Bilder

Bundesliga 11/12: Ballack verabschiedet sich aus Deutschland

11 Bilder

Michael Ballack sitzt, vom Zuschauer aus betrachtet, links. Er sieht verdammt gut aus, finden die Leute. Im Internet vergleichen sie ihn mit Matt Damon. Damon ist Schauspieler, Oscar-Preisträger, Hauptdarsteller in "Good Will Hunting", er verkörpert "Jason Bourne". Michael Ballack hat zumindest schauspielerisches Talent, hat es ab und zu nachgewiesen auf dem Fußball-Platz. Im Studio des global operierenden US-Sportsenders ESPN, in Bristol, Bundesstaat Connecticut, macht er jedenfalls eine sehr gute Figur, seine Zustimmungsraten sind fast so eindeutig wie Wahlergebnisse in der DDR.

Ballack kontra Lalas

ESPN hat Ballack als Experten für die EM eingekauft. Er wohnt in Bristol, zwei Autostunden nördlich von New York, im Hotel, die Silhouette der Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern ist im Hintergrund durch das Studiofenster zu sehen. Ballack sitzt neben Alexi Lalas, ehemaliger US-Nationalspieler, Markenzeichen früher: langer, rötlicher Kinnbart. Lalas ist es gewohnt, den Amerikanern den Fußball, oder Soccer, zu erklären: ein Alles- und Besserwisser. Ballack labert nicht rum wie viele andere "analysts", er spricht in kurzen Sätzen, sehr präzise, er will nicht belehren, aber er korrigiert Lalas, gibt Kontra. Das kommt an.

Deutschland gegen die Niederlande. Ballack spricht selbstverständlich Englisch, er sagt: "Die Niederländer haben Angst vor dem deutschen Team." Er trägt ein graues Jackett und ein schwarzes Hemd, er prophezeit: "Deutschland wird besser spielen als gegen Portugal." Dann nennt er Mesut Özil eine "wahre Nummer Zehn, die wir seit Jahren nicht hatten, er ist ein Spieler, der alles hat". Zur Halbzeit lobt er Bastian Schweinsteiger für dessen "amazing assists" zu den Toren von Mario Gomez. Hinterher stellt er fest: "Deutschland war viel besser. Das Mittelfeld mit Schweinsteiger, Özil, Khedira war fantastisch."

Ballack ist dabei, sich einen Namen zu machen als sogenannter "talking head". Normalerweise verpflichten US-Sender, die Fußball übertragen, Engländer als Kommentatoren, Experten oder Moderatoren, doch die sind bei den Anhängern und in Fachkreisen nicht sonderlich beliebt, weil sie England und die Premier League für das Zentralgestirn des Fußball-Universums und sich selbst für die Erfinder des Sports halten. Bei Ballack ist das anders. Er weiß viel - und über alle Teams. In einer Umfrage des Fachblatts Soccer America geben ihm 28 Prozent der Befragten eine "1", 30 Prozent eine "2", 21 Prozent eine "3".

Ex-Capitano überzeugt durch Schlagfertigkeit

Ballack ist charmant, redet nicht um den heißen Brei rum, macht sich nicht künstlich wichtig. Dafür ist er lustig. Und schlagfertig. Nach dem drögen 1:1 zwischen Frankreich und England sagt er über die Engländer: "Ist dies die Art, wie man in Zukunft Fußball spielt? Wenn du drei Busse vor deinem Tor parkst, ist das kein Fußball."

Lalas, der Schlaumeier, drückt seine Bewunderung für die defensive Einstellung der Engländer aus: "Man muss tun, was man tun muss, um zu gewinnen." Darauf Ballack: "Sie haben nicht gewonnen." So etwas sehen im Schnitt 1,3 Millionen Zuschauer. Das ist viel zu miesen Sendezeiten.

Gut kommt vor allem an, dass Ballack neben seiner Expertise auch Humor mitbringt. Vergangenen Samstag war er mit Lalas in einer Bar, sie haben sich zusammen das WM-Qualifikationsspiel der USA gegen Antigua und Barbuda angesehen (3:1). Als die Nationalhymnen abgespielt wurden, sei Ballack groß rausgekommen, berichtet Lalas Tage danach im ESPN-Studio: Ballack habe zunächst die deutsche Hymne gesungen, dann die DDR-Hymne - und dann noch die russische. Lalas will einen Scherz auf Ballacks Kosten machen: "Du liebst die russische Hymne." Ballack grinst und kontert trocken: "One of my favorites."

Nur ein kleiner Schlagabtausch. 14 Sekunden lang. Jetzt zu sehen auf YouTube unter dem Titel: "Michael Ballack is a Commie." Ballack ein Kommunist? Amerikaner mögen keine Kommunisten. Im Gegensatz zu Michael Ballack.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort