"Krieg auf den Straßen" Polen bestürzt über Krawalle

Warschau · Wild prügelnde Hooligans, Tränengaswolken in den Straßen und Polizisten mit Gewehren im Anschlag: Die Jagdszenen vor dem brisanten Duell zwischen Polen und Russland (1:1) haben die schlimmsten Befürchtungen bestätigt und einen dunklen Schatten auf die EM geworfen. Auch bei den Gastgebern riefen die Ereignisse Wut und Bestürzung hervor.

EM 2012: Polnische und russische Hooligans liefern sich Krawalle
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EM 2012: Polnische und russische Hooligans liefern sich Krawalle

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Premierminister Donald Tusk nannte die Gewalttäter im polnischen Parlament "Idioten". Es gebe keine Rechtfertigung für den Angriff auf Gäste. "Ich schäme mich", sagte Polens Sportministerin Joanna Mucha: "Das waren Hooligans, die nichts gemein haben mit echten Fans."

Die Polizei zog nüchtern Bilanz. 184 Festnahmen und 20 Verletzte - Warschau ist relativ glimpflich davongekommen. Die Schock-Bilder hatten Schlimmeres befürchten lassen. Etwa 200.000 polnische und 30.000 russische Fans sollen in der Stadt unterwegs gewesen sein.

Der polnische Innenminister Jacek Cichocki forderte harte Strafen für die Gewalttäter, und Tusk ergänzte: "Wir werden ihnen allen eine Lektion erteilen, egal ob sie aus Polen, Russland, oder sonstwoher stammen". Der für Warschau zuständige Gouverneur Jacek Kozlowski entschuldigte sich, "dass unsere Gäste von Hooligans angegriffen wurden und ihr Gefühl von Sicherheit verloren haben".

Die Presse in beiden Ländern wurde noch deutlicher. "Unser Sportfest wurde zusammengeschlagen", schrieb das polnische Boulevardblatt Fakt, und Sowjetski Sport titelte: "Krieg auf den Straßen und Friede auf dem Spielfeld."

Berichte anderer russischer Medien am Dienstagabend, die Krawalle hätten ein Todesopfer gefordert, stellten sich als falsch heraus. "Leider wollte nicht jeder an dem Sport-Spektakel teilnehmen. Aggressives, vulgäres und rechtswidriges Verhalten machte das polizeiliche Einschreiten erforderlich", teilte die Warschauer Polizei, die aus den Derbys zwischen den Stadtrivalen Legia und Polonia noch Schlimmeres gewohnt ist, am Mittwochmorgen mit.

Uefa verurteilt Ausschreitungen

Die Lage war vor dem brisanten Duell zwischen Gastgeber Polen mit dem Erzrivalen Russland (1:1) bei einem Marsch von mehr als 1000 russischen Fans zum Stadion eskaliert. Die schlimmsten Auseinandersetzungen fanden in Sichtweite des Stadions statt. Die Uefa verurteilte die Ausschreitungen in einem Statement.

Je zehn Polizisten und Zivilisten wurden verletzt, darunter ein Deutscher. Von den Verletzten schwebe keiner in Lebensgefahr, hieß es. Die Auswertungen der Überwachungskameras dauerten noch an. Davon gibt es in Warschau an wichtigen öffentlichen Orten 4000 Stück. Weitere Festnahmen seien geplant.

Bei den Prügeleien, die nach Provokationen polnischer Hooligans entbrannt waren, griff die Polizei schnell und hart durch. Sie setzte Wasserwerfer, Tränengas, Gummigeschosse und Schlagstöcke gegen die Hooligans ein, die die Beamten mit Flaschen und Steinen bewarfen. Die Polizei beschlagnahmte Schlagstöcke, Schlagringe und andere Waffen. Neben den 157 polnischen Hooligans seien 24 Russen sowie Personen aus Spanien, Ungarn und Algerien festgenommen worden.

Im Stadion ging kurz vor dem Spiel, das am russischen Nationalfeiertag stattfand, die Provokation von den Gästefans aus. Während die russische Nationalhymne gespielt wurde, rollten sie ein riesiges Banner aus, das die halbe Fankurve bedeckte: "This is Russia", stand darauf, und abgebildet war ein furchterregender Krieger. Die Uefa will die Aktion überprüfen.

Befremdet zeigte sich der Verband über die Tatsache, dass in der Nachspielzeit Hunderte Polizisten den russischen Fanblock abgeriegelt hatten. Premier Tusk verteidigte die Vorgehensweise: "Ich weiß, dass die Uefa eine andere Einstellung hat, aber wir sind für die Sicherheit der Menschen in diesem Land verantwortlich."

Nach dem Spiel und in der Nacht blieb die Lage vor allem dank massiver Polizeipräsenz in der Stadt relativ ruhig. Mehr als 6000 Polizisten sind für die EM in Warschau stationiert, weitere Kräfte sollen für das Hochrisikospiel in die Hauptstadt beordert worden sein. Noch Stunden nach dem Spiel patrouillierten auf Plätzen und großen Straßen Einsatzhundertschaften in Kampfausrüstung, die Sicherheitsvorkehrungen vor der russischen Botschaft und dem Teamhotel der Sbornaja wurden verschärft.

(sid/dpa)
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