"Todsünde" gegen Spanien Balotelli — Nachhilfe für den Versager

Danzig · Genie oder Wahnsinn - dazwischen gibt es bei Mario Balotelli eigentlich nichts. Gegen Spanien versagte der hochtalentierte Jungstar der Italiener auf ganzer Linie.

EM 2012: Balotelli versagt gegen Spanien
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Wie ein Häufchen Elend saß Mario Balotelli unter der Gepäckraumklappe des Mannschaftsbusses, da gesellte sich Antonio Di Natale zu ihm und machte die Demütigung perfekt. Der Routinier stellte Balotellis unfassbare Szene des Versagens nach und erklärte dem verdutzten Jungstar der Italiener, was er an dessen Stelle gemacht hätte.

Ausgerechnet der Mann, der für ihn beim 1:1 (0:0) zum EM-Start gegen Welt- und Europameister Spanien ins Spiel gekommen war und vier Minuten später den Führungstreffer (60.) erzielt hatte, erteilte Balotelli vor dem Danziger Stadion nun Nachhilfe-Unterricht. Bitterer gehts nicht.

Das Enfant terrible schüttelte bei Di Natales Lehrstunde nur schwach den Kopf, aus der Nummer konnte sich nicht einmal der mit einem unerschütterlichen Selbstvertrauen gesegnete Stürmer rausreden. Aus der Heimat gab für ihn Spott. "Di Natale schlägt Balotelli, dessen vergebene Chance fast eine Todsünde war", schrieb die Zeitung Corriere dello Sport. Und La Repubblica verglich die beiden Protagonisten auf ihre Art: "Balotelli spielt wie ein Youngster, der am Morgen aus der Diskothek kommt, während Di Natale so hellwach ist wie der Vater eines solchen Jungen."

Die von Di Natale nachgestellte Szene in der 54. Minute dürfte Balotelli noch lange verfolgen und einen Platz in jedem EM-Rückblick sicher haben: Der Angreifer von Manchester City luchst dem spanischen Verteidiger Sergio Ramos an der Außenlinie den Ball ab, läuft auf Torhüter Iker Casillas zu. Doch plötzlich wird der er immer langsamer, man kann förmlich spüren, wie ihm zwei Gedanken durch den Kopf schießen: Aufs Tor schießen? Zum mitgelaufenen Antonio Cassano passen? Zwei Gedanken sind für einen Stürmer mindestens einer zuviel, vor allem bei Balotelli. Ramos holt ihn ein und spitzelt den Ball weg.

Der dunkelhäutige Balotelli kauerte anschließend auf dem Boden, als wollte er sich am liebsten vergraben. "Das ist bitter für ihn, aber daran wird er nicht zerbrechen", sagte Nationaltrainer Cesare Prandelli und baute seinen Spieler auf: "Er soll sich daran erinnern, wie er sich die Chance erarbeitet hat. Ein Spieler, der sich so den Ball erkämpft, der wird solche Chancen auch bald nutzen." Dass der Coach den 21-Jährigen nur vier Minuten nach dem Fauxpas ausgwechselt hatte, war angeblich keine Strafe: "Ich hatte schon vor der Szene entschieden, Di Natale zu bringen."

Doch nach dem auch spielerisch enttäuschenden ersten Auftritt steht Balotelli bereits unter Druck. Vor dem Turnier hatte ganz Italien gehofft, dem hochtalentierten Jungstar, der sich immer wieder selbst im Weg steht, möge nun endlich der ganz große Durchbruch gelingen. Die Anzahl der Skandale übertreffen noch immer die Erfolge von Balotelli, der als Kind ghanaischer Einwanderer, die ihren Mario im Alter von drei Jahren zu Pflegeeltern in der Nähe von Brescia brachten, wohl kein leichtes Leben hatte.

"Mario regt mich oft auf, und nicht nur mich", sagte Teamkollege Thiago Motta, der aber auch weiß: "Mit ihm können wir einen Qualitätssprung machen." Das muss Balotelli nun im zweiten Gruppenspiel am Donnerstag in Posen gegen Kroatien beweisen - wenn ihm denn nicht Di Natale vor die Nase gesetzt wird.

(sid)
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