Frankfurt fordert Barca Die Europa League ist längst nicht mehr der Cup der Verlierer

Analyse | Düsseldorf · In den vergangenen Jahren blamierten sich die deutschen Fußballklubs regelmäßig in der Europa Leauge. Doch Eintracht Frankfurt bewies im Hinspiel gegen den FC Barcelona, dass es auch anders geht. Mit ihren Tugenden könnte sie dem haushohen Favoriten erneut ein Bein stellen.

 Frankfurts Spieler verabschieden sich nach Abpfiff von den Fans.

Frankfurts Spieler verabschieden sich nach Abpfiff von den Fans.

Foto: dpa/Arne Dedert

Vor einiger Zeit hat sich Franz Beckenbauer – auch aus gesundheitlichen Gründen – aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Was sehr schade ist. Denn was waren das noch für Zeiten, als „Kaiser Franz“ die Fußballwelt noch mit seinen berühmt-berüchtigten Bonmots beglückte. Unvergessen, wie er als Präsident des FC Bayern die eigene Mannschaft nach einem gruseligen Champions-League-Auftritt in Lyon als „Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft“ abkanzelte oder in einem Werbespot für ein Telekommunikationsunternehmen völlig verdutzt in die Kamera rief: „Ja, is‘ denn heut scho Weihnachten?“

Was das alles mit Eintracht Frankfurt zu tun hat? Nun, der Kaiser hatte Mitte der 90er Jahre noch ein anderes legendäres Zitat zum Besten gegeben und den Uefa Cup seinerzeit spöttisch als „Cup der Verlierer“ tituliert. Der Vorläufer der heutigen Europa League hatte schon damals in Fußballdeutschland nicht den besten Ruf. Daran änderten auch die Triumphe der Bayern und des FC Schalke 04 in den Jahren 1996 und 1997 nicht viel. In den folgenden Jahren schafften es nämlich nur noch zwei weitere deutsche Vertreter ins Endspiel. Borussia Dortmund 2002 (2:3 gegen Feyenoord Rotterdam) und Werder Bremen 2009 (1:2 n.V. gegen Schachtar Donezk).

Ansonsten sah es ziemlich mau aus. Immer wieder blamierten sich deutsche Klubs in den vergangenen Jahren – teilweise sogar bis auf die Knochen. Und so mancher Fußballfan fragte sich zurecht, ob die Bundesliga die Europa League überhaupt wirklich ernst nimmt. Bis zum Jahr 2019, und das hat eben auch ganz viel mit der Eintracht aus Frankfurt zu tun. Denn schon damals fegte der Traditionsklub aus Hessen wie ein Orkan über den so eingestaubt wirkenden Wettbewerb hinweg.

Angeführt von der legendären Büffelherde um Ante Rebic, Sebastien Haller und Luka Jovic stürmte die Eintracht mit erfrischendem und mutigem Konterfußball bis ins Halbfinale vor, wo erst gegen den späteren Gewinner Chelsea Endstation war. Getragen von ihren zahlreichen und lautstarken Fans gab die SGE ein klares Statement ab, wie man ein solches Turnier zu spielen hat: mit Mut, Leidenschaft und Willen. Alles Attribute, die auch im Viertelfinale-Hinspiel gegen den FC Barcelona am vergangenen Donnerstag zu sehen waren.

Die Eintracht spielte sozusagen mit halb offenem Visier: mutig, aber nicht übermütig. Aus einer stabilen Defensive heraus setzte sie immer wieder Nadelstiche über die schnellen Außen Ansgar Knauff und Filip Kostic. Dass da nicht jeder Ball zielgenau an den Mann kam, war eingepreist. Dafür rückte immer wieder ein Spieler nach und machte den Fehler wieder wett. Damit hatte das katalanische Starensemble sichtbar Probleme – und darin liegt auch der Schlüssel für das Rückspiel am Donnerstagabend im Camp Nou (21 Uhr/RTL).

Die Mannschaft von Trainer Oliver Glasner muss genauso ekelig auftreten wie im Hinspiel. Da haben die Hessen den Katalanen mit insgesamt 15 Foulspielen die Lust am Fußballspielen genommen. Allen voran Martin Hinteregger, dieser fleischgewordene Abwehrblock. Ein Spieler, der nicht mit dem Florett, sondern mit einem rostigen Säbel zwischen den Zähnen ins Spiel geht – kompromisslos im Zweikampf, wie bei einer blitzsauberen Grätsche gegen Barcas Muskelpaket Adama Traore, und mit Mut, nach vorne zu spielen. Der Österreicher weiß, dass es in solchen Partien nicht um einen Schönheitspreis, sondern ums nackte Ergebnis geht.

Das bekamen in dieser Europa-League-Saison unter anderem schon die beiden ausgeschiedenen deutschen Vertreter Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen zu spüren. Beides Teams, die mit herausragenden Individualisten bestückt, aber bei aller fußballerischen Klasse gegen unangenehm zu spielende Gegner (Glasgow Rangers und Atalanta Bergamo) ausgeschieden sind.

Die Chancen, Barcelona zu besiegen, könnten für Frankfurt kaum größer sein. Der spanische Weltklub befindet sich in dieser Saison ein wenig auf der Suche nach sich selbst. Erst wurden Schulden in Milliardenhöhe öffentlich, dann verließ Vereinslegende Lionel Messi den FCB in Richtung Paris und schließlich dümpelte die Mannschaft unter Ex-Trainer Ronald Koeman im Mittelfeld der Tabelle rum. Doch mit der Rückkehr von Ex-Spielmacher Xavi auf die Trainerbank weht seit Anfang November ein neuer Wind in Barcelona. Mit dem 42-Jährigen ging es Stück für Stück wieder nach oben. Inzwischen steht die „Blaugrana“ wieder auf Rang zwei in Spaniens „La Liga“ – allerdings zwölf Punkte hinter Erzrivale Real Madrid.

Am Wochenende reichte es zudem nur zu einem schmeichelhaften 3:2-Sieg gegen UD Levante. Und dennoch sind die Katalanen mit Spielern wie Frenkie de Jong, Ousmane Dembelé und Ferran Torres, deren Ablösesummen zusammen deutlich höher sind als der Marktwert der gesamten Frankfurter Startelf, haushoher Favorit. Jucken tut das in der Mainmetropole indes Niemanden. „Wir haben uns eine gute Ausgangsposition geschaffen. Jetzt ist unser ganz klares Ziel, ins Halbfinale zu kommen“, sagte Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche am Sonntag nach der 1:2-Pleite im Bundesligaspiel gegen den SC Freiburg. „Wir fahren da hin und schlagen die.“

Und sollte das „Wunder von Barcelona“ tatsächlich gelingen dann wäre für die Eintracht an Ostern tatsächlich schon Weihnachten.

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