Mit Investor Flyeralarm Wie Magath aus Würzburg ein kleines RB Leipzig machen soll

Düsseldorf · Felix Magath soll als strategischer Kopf die Würzburger Kickers zurück in die 2. Bundesliga führen. Die Parallelen zu Red Bull liegen auf der Hand. Vor allem deshalb, weil Investoren im deutschen Fußball bislang selten Erfolg hatten.

 Felix Magath (M) mit Flyeralarm-Chef Thorsten Fischer (r) und Daniel Sauer, Vorstandsvorsitzender der Würzburger Kickers.

Felix Magath (M) mit Flyeralarm-Chef Thorsten Fischer (r) und Daniel Sauer, Vorstandsvorsitzender der Würzburger Kickers.

Foto: dpa/Daniel Karmann

„Felix Magath hat mir den Fußball wieder erklärt“, sagt Thorsten Fischer. Von Berufs wegen muss der Geschäftsführer der Flyeralarm GmbH sich mit Sport dabei nicht auskennen. 2002 begann er, Flyer für Unternehmen zu bedrucken und baute damit aus der eigenen Garage in Würzburg heraus eine Firma mit einem Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich auf. Als Namenssponsor der Frauen-Fußball-Bundesliga und des österreichischen Erstligisten Admira Wacker Mödling tauchten die Franken allerdings auch im Sport prominent auf den Plan.

So kam es auch, dass sich Magath und Fischer als gemeinsame Zuschauer eines Spiels der Würzburger Kickers kennenlernten. Die Verbundenheit zwischen dem Start-up-Gründer und der Fußball-Koryphäe geht inzwischen weit hinaus über weinselige Abendessen und angeregte Gespräche. Magath soll als Fußballplaner den neuen Player Flyeralarm und seine vorerst zwei Fußballklubs in Würzburg und Niederösterreich auf die Erfolgsschiene setzen.

Magath versäumte nicht herauszustellen, dass ihn dabei auch Revanchegelüste antreiben. Irgendwo zwischen Fulham und Shandong Luneng Taishan ist dem 66-Jährigen die Deutungshoheit über sein Lebenswerk entglitten. Mehr als mit Deutschen Meisterschaften und Pokalsiegen wird er im öffentlichen Gedächtnis heute mit antiken Trainingsmethoden und hanebüchenen Transferexzessen assoziiert. So wahrgenommen möchte Magath sich nicht in den Ruhestand verabschieden.

Die neu geschaffene Position als Chef der Unternehmenssparte mit dem vollmundigen Namen Flyeralarm Global Soccer räumt ihm für ein überschaubares Risiko dazu weitreichende Kompetenzen ein. Magath, der erklärtermaßen mit modernen Lehrmethoden und liberalem Arbeitsethos fremdelt, soll die Strategie des ambitionierten Investments gestalten. Das „Global“ deutet unverblümt auf weitreichende internationale Ambitionen.

Für alle, denen die Parallelen zu Red Bull bis hierher noch nicht deutlich geworden waren, hatte Fischer bei Magaths Vorstellung in Würzburg eine Dose des hauseigenen Flyeralarm-Energydrinks auf dem Tisch platziert - und versäumte es nicht, noch einmal ausdrücklich auf diese Pointe hinzuweisen. Dass ihm das Investment von Red Bull im Fußball imponiert, daraus macht Fischer keinen Hehl. Magath sieht das ähnlich: „Dietrich Mateschitz und die Macher der RB-Fußball-Aktivitäten haben unseren allergrößten Respekt. Es ist beeindruckend, was sie aufgebaut haben. Flyeralarm werde die Roten Bullen im Auge behalten - und sich das ein oder andere abschauen.“

Der Blick ist bereits weit genug, um nicht nur die Entwicklung des Flagschiffs in Würzburg, derzeit 13. in der 3. Liga, im Auge zu behalten. Neben dem anvisierten Aufstieg der Kickers in die 2. Bundesliga soll die Infrastruktur mitwachsen, Nachwuchsförderung aufgebaut werden. Auch bei Admira Wacker Mödling besteht noch viel ungeborgenes Potenzial. Gleichwohl fährt Flyeralarm gegenüber den Kraftbrause-Produzenten aus Österreich mit deutlich gebremstem Schaum - Red Bull ist schlicht zwei Hausnummern größer.

Für Fischer stehe dabei allerdings auch nicht die Platzierung seiner Firma im Vordergrund. „Wir können und wollen uns nicht mit anderen Großinvestoren im Fußball vergleichen. Wir sehen diese Einheit nicht nur aus reiner Marketingsicht, sondern auch aus der Profitsicht, weil wir glauben, dass man mit Fußball Geld verdienen kann“, sagt Fischer.

Gleichwohl reihen sich die Würzburger Kickers damit ein neben zahlreichen Klubs, die mit unterschiedlichsten Ansätzen versuchen, Schleichwege auszukundschaften, um sich an den Etablierten vorbeizudrängeln. Wirklich überzeugend konnten bislang aber nur Red Bull und Dietmar Hopp mit der TSG Hoffenheim vormachen, wie man mit sehr viel Geld tatsächlich sportliche Erfolge erzielt.

Klaus-Michael Kühne ermöglichte dem Hamburger SV als Großinvestor vor allem teure Fehlkäufe, konnte den Abstieg nicht verhindern und bereut sein Engagement inzwischen bei nahezu jeder öffentlichen Gelegenheit. Martin Kind hat sich bei Hannover 96 mit großen Teilen der eigenen Fans überworfen und muss neben seinem unermüdlichen Anrennen gegen die 50+1-Regel inzwischen auch noch gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga kämpfen. 1860 München und der KFC Uerdingen haben sich noch eine Klasse tiefer mit Investoren eingelassen, deren Treiben zwar überregionales Aufsehen auf sich zieht, deren Wirken man aber nur mit Wohlwollen noch schillernd nennen kann. Der Nachweis, dass sich allein mit den Zuschüssen eines potenten Geldgebers dauerhafter sportlicher Erfolg einstellt, hat bislang keiner von ihnen erbracht.

Aber nicht nur unterklassige Vereine versprechen sich im Geschäftsfeld Fußball mit seinen ständigen tektonischen Verschiebungen, von der nächsten Welle nach vorn gespült zu werden. Hertha BSC kennzeichnete zuletzt eine einigermaßen beharrliche Bundesliga-Zugehörigkeit – und wenig mehr. Trotz angeschlossener Lautsprecher-PR-Abteilung gelang es nicht, die Dunstglocke der Gleichgültigkeit über dem Olympiastadion zu heben. Doch seit dem Einstieg des umnebelten Investors Lars Windhorst durchlebt der Verein eine Phase öffentlicher Identitätsfindung. Als „Big City Club“ möchte sich der Peripherie-Klub aus der Hauptstadt künftig gerne wahrgenommen wissen. An Namen der Größenordnung wie den zuletzt als potenziellen Zugängen gehandelten Mario Götze, Julian Draxler oder Granit Xhaka seien künftig Normalität für Hertha BSC, ließen die Verantwortlichen wissen. Gekommen ist stattdessen Santiago Ascacibar vom VfB Stuttgart. Das passt bislang nicht zum angestrebten „Größenwahnsinn“, den der als „Performance Manager“ angeheuerte Arne Friedrich ausgerufen hat. Auch wenn namhafte Transfers wohl nicht lange auf sich warten lassen, Windhorsts bislang versprochenes Investment von insgesamt 225 Millionen Euro ist in diesen Tagen nicht viel mehr als eine starke Anschubfinanzierung.

Da TV-Gelder und Champions-League-Prämien die Kräfteverhältnisse Jahr für Jahr zementieren, ohne dass dem eine ausgleichende Kraft gegenübersteht, bedarf es kreativer Ideen der übrigen 99 Prozent, um eine Relevanz zu behalten, die über einen Sparringspartner hinausgeht. In England führen die Spieler längst nur noch einen Stellvertreter-Wettbewerb auf dem Rasen aus, während im Hintergrund Konsortien und Investmentgruppen miteinander wettwirtschaften. In Deutschland verhindert die 50+1-Regel das zumindest im größeren Stil.

Bei vielen Fans herrscht allerdings auch keine akute Sehnsucht nach dem Einstieg weiterer Investoren. Bislang mangelt es schließlich neben allen anderen Bedenken schlicht an positiven Beispielen, anhand derer sich erzählen ließe, wie einmal ein Investor einem Verein auf die Beine geholfen hat. RB Leipzig und die TSG Hoffenheim sind die zwei großen Ausnahmen und beide eng mit dem Namen Ralf Rangnick verwoben. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass Magath wohl nichts dagegen einzuwenden hätte, seine Erwerbsbiografie mit einem ähnlichen Erfolg zu schließen. Um den Klub der Zukunft zu gestalten, müsste er allerdings zunächst beweisen, dass er mehr ist als ein großer Mann von gestern.

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