Fehlende Unterstützung gegen Rechts "Aachen Ultras" ziehen sich zurück
Aachen · Der insolvente Fußball-Drittligist Alemannia Aachen verliert Teile seiner wichtigsten Unterstützer: Die "Aachen Ultras" haben sich nach jahrelangen Repressalien durch Rechtsextremisten aus Aachens Fanszene abgewandt - sie fühlten sich im Stich gelassen.

3. Liga 12/13: Aachen meldet Insolvenz an
Alemannia-Fans gegen Alemannia-Fans - diesen Kampf führten seit Monaten die "Aachen Ultras" (ACU), eine Fangruppierung des insolventen Fußballdrittligisten, gegen Rechtsextremisten im eigenen Fanblock. Nun haben sie ihn aufgegeben, nach zahlreichen gewaltsamen Übergriffen der verfeindeten "Karlsbande Ultras" (KBU). Die ACU wird die Alemannia vorerst nicht mehr unterstützen, sie fühlt sich im Stich gelassen von ihrem Verein. "Wir werden bis auf Weiteres keine Spiele der Alemannia besuchen", sagte ein ACU-Sprecher dem SID, "wir lösen uns aber nicht auf."
Eine Rückkehr ins Stadion hänge in Zukunft "von den Reaktionen des Vereins ab, und davon, wie die Leute sich positionieren." Der Rückzug der linksorientierten Ultra-Gruppierung ist der traurige Höhepunkt eines Konflikts, der sich bereits seit Jahren zuspitzte, in dem Mitglieder der ACU immer wieder Opfer von Attacken durch die KBU wurden. Als Bühne für den vorläufigen Abschied nutzten die "Aachen Ultras" das Zweitrundenspiel im Mittelrheinpokal beim Regionalligisten Viktoria Köln (2:5 n.E.). Mit zahlreichen Transparenten drückten die Fans ihren Unmut über den Verein aus. Die Alemannia, so die Meinung der ACU, verschließe die Augen vor den rechten Strömungen innerhalb der Fanszene. "Nazis am Tivoli? Nie gesehen" oder "Diskriminierende Gesänge? Nie gehört", war dort zu lesen.
"Es gab zahlreiche Vermittlungsversuche"
"Der Vorwurf der 'Aachen Ultras', der Verein habe sich nicht klar positioniert, ist nicht haltbar", sagte dagegen Holger Voskuhl, Sprecher der Sondierungsgeschäftsführung des Klubs: "Alemannia Aachen spricht sich eindeutig gegen Rechtsextremismus aus. Menschen mit solcher Gesinnung schaden dem Verein", sagte Voskuhl, der allerdings vor einer zu einseitigen Wertung des Konflikts warnte: "Es gab zahlreiche Vermittlungsversuche des Vereins innerhalb der Fanszene, die bislang leider gescheitert sind."
Auch Lutz van Hasselt, Fanbeauftragter der Alemannia, sieht beim Verein keine Versäumnisse. Der Klub habe "sich sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell immer wieder klar gegen Rechtsextremismus und Rassismus positioniert. Außerdem wurden Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund konsequent unter anderem mit Stadionverboten bestraft", teilte van Hasselt mit.
Die heutigen Konfliktparteien waren einst in einer gemeinsamen Gruppierung organisiert. Im Sommer 2010 spalteten sich jedoch Teile der ACU ab, um sich als KBU neu zu organisieren. Im Gegensatz zur offen antifaschistischen ACU ist die KBU seither auch Anlaufstelle rechtsextremer Fans.
Im Dezember 2011 kam es im Rahmen des Zweitligaspiels der Alemannia gegen Erzgebirge Aue zu Ausschreitungen im Fanblock, bei einem Hallenturnier im Januar folgten weitere Angriffe. Zu Beginn der Drittligasaison im August erreichten die Übergriffe beim Spiel der Aachener beim 1. FC Saarbrücken eine neue Dimension der Brutalität. Das "Bündnis aktiver Fußballfans" (BAFF) sprach von "einem gezielten und äußerst brutalen Angriff rechter Gruppen aus der Aachener Fanszene".
46 befristete Stadionverbote
Im November wurden zudem im Anschluss an das Spiel beim VfB Stuttgart II die Insassen eines Pkw attackiert. Die Polizei ordnete die Täter hauptsächlich der KBU zu und sprach 46 befristete Stadionverbote aus.
Bereits im August hatte der Verein mit einer Verschärfung der Hausordnung reagiert, die beide Fan-Lager traf. KBU und ACU war es fortan verboten, sich am Fan-Treff des Stadions aufzuhalten. Zudem verbot die Alemannia Fahnen und Banner mit dem Schriftzug der "Karlsbande" im Umfeld des Stadions. Der damalige Geschäftsführer Frithjof Kraemer bestätigte, dass sich "nach wie vor Gewalttäter und Personen mit rechtsextremer Gesinnung im Umfeld der Karlsbande" bewegten.
Die Aussagen des Vereins sind für die ACU allerdings überwiegend Lippenbekenntnisse. Auch ein Statement von Sportdirektor Uwe Scherr sorgte in diesem Zusammenhang für großen Unmut. "Politik und Religion haben in den Stadien keinen Zutritt", teilte der Sportdirektor im Verlaufe des Konflikts mit. Ein Satz, der laut der ACU-Kurvenzeitung "Mullejan" die "schwammigen und teils unfassbar bedeutungslosen Worthülsen" seitens des Vereins dokumemtiere.