"Erich Ribbeck trifft keine Schuld" Dietz rechnet mit deutschem Fußball ab

Neuss (sid). Am 22. Juni jährt sich der deutsche EM-Triumph von Rom 1980 zum 20. Mal. Zwei Jahrzehnte danach rechnet der damalige Nationalmannschafts-Kapitän Bernard Dietz mit dem deutschen Fußball ab. "Wir schwimmen nur noch hinterher. Dass der Name Deutschland nicht mehr in einem Atemzug mit den großen Fußball-Nationen genannt wird, ist schwer zu glauben, aber wahr. Das ist die Konsequenz aus zahlreichen Fehlern, angefangen bei mangelder Arbeit mit Talenten. Erich Ribbeck trifft da keine Schuld", sagt der 52-Jährige im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid).

"Wir müssen uns endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Und das ist und bleibt der Fußball. Im Moment geht es nur noch ums Geld. Das Umfeld ist wichtiger geworden", meint Dietz, der im Dezember 1999 trotz umwerfendem Erfolg freiwilig als Trainer von Zweitligist VfL Bochum zurückgetreten ist, um sich wieder der Nachwuchsarbeit mit den VfL-Amateuren zu widmen.

Die glorreichen Zeiten der Nationalmannschaft sind nach Meinung von "Enatz" Dietz ohnehin vorbei. "Die Nationalmannschaft war einmal das A und O des deutschen Fußballs. Heute läuft sie nur noch hinterher. Die Champions League ist wichtiger, denn da wird das Geld verdient", sagte der 53-malige Nationalspieler, der in seiner aktiven Zeit stets zu den harten Arbeitern auf dem Feld gehörte. Eine Tugend, die Dietz den heutigen Spielern abspricht: "Die Bereitschaft zum totalen Einsatz ist nicht mehr da. Wenn ich einen zig-fachen Nationalspieler im Training anschreie, sagt der einfach nur noch: 'Was willst du eigentlich von mir'. Viele Profis verdienen heute den Namen Profi nicht."

Mehr Qualität in den deutschen Fußball bringt laut Dietz nur eine konsequente Talentförderung. "Jeder Bundesligist müsste schon in der C-Jugend einen hauptamtlichen Trainer haben, der die Jungs auch im taktischen Bereich schulen kann", sagt der ehemalige Duisburger und Schalker Bundesliga-Profi. Und Dietz nennt Beispiele: "Ajax Amsterdam hat das vorbildlich gemacht, bis das Bosman-Urteil alles kaputt gemacht hat. Die Franzosen haben sich mit konsequenter Jugendarbeit aus der Krise in den Jahren nach dem EM-Titel 1984 gespielt und sind 1998 Weltmeister geworden."

Ein weiteres Problem sieht Dietz in der Anzahl der Legionäre. "Ich bin beileibe nicht fremdenfeindlich, aber es gibt einfach zu viele Ausländer in der Bundesliga, der deutsche Nachwuchs kommt dadurch einfach viel zu wenig zum Zuge. Deutschland hat noch viele Talente, aber auch die gehen mit der Zeit verloren."

Auch Medien und Fans bekommen von Dietz ihr Fett ab: "Wir haben zu wenig Nationalstolz und sind ein Volk aus Nörglern und Meckerern geworden. Allerdings muss der Funken auch von der Nationalmannschaft überspringen, und das war bei der EM und in der jüngsten Vergangenheit nun wirklich nicht der Fall."

Ein Engagement für den Deutschen Fußball-Verband (DFB) im Nachwuchsbereich kommt für Dietz nicht in Frage. "Ich bin denen doch ein Dorn im Auge, weil ich immer sage, was ich denke. Dietz interessiert keinen mehr", sagt Dietz. "In drei Jahren bin ich 55 Jahre alt, dann mache ich auch als Trainer Schluss. Dann werde ich sagen können, dass ich mich nie habe verbiegen lassen, auch vom Geld nicht. Darauf bin ich stolz."

(RPO Archiv)
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