Gehaltsobergrenze und Luxussteuer Uefa-Reformen gegen den Transfer-Furor

Düsseldorf · Einige Top-Klubs benehmen sich auf dem Transfermarkt so, als hätte die Coronavirus-Pandemie keine Schäden verursacht. Das sorgt für Zweifel am System, das die Uefa schon in wenigen Wochen reformieren will. Wer zu viel ausgibt, muss Strafe zahlen, so die Idee.

 Lionel Messi (r.) mit PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi.

Lionel Messi (r.) mit PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi.

Foto: AP/Francois Mori

Dass selbst dem eloquenten Julian Nagelsmann nicht viel mehr als Verwunderung einfällt, erzählt die Geschichte des bisherigen Transfersommers ziemlich gut. Nur wenige Monate, nachdem Worte wie „Demut“ und „neue Zeitrechnung“ im Profi-Fußball fast schon inflationär die Runde machten, muss der neue Trainer des nicht gerade klammen FC Bayern München die bisweilen gigantische Shopping-Tour der internationalen Konkurrenz von Paris Saint-Germain bis Manchester City verkraften. „Ich reibe mir auch gelegentlich verwundert die Augen, wie das alles funktioniert“, sagte der immerhin mit einem BWL-Vordiplom versehene Nagelsmann.

Bei PSG plant Chef Nasser Al-Khelaifi nach dem Spektakel-Transfer von Lionel Messi angeblich schon die Verpflichtung von Cristiano Ronaldo. Und in England gibt Manchester City erst knapp 118 Millionen Euro für Jack Grealish aus, damit der FC Chelsea mit den 115 für Romelu Lukaku investierten Millionen nachziehen kann. Financial Fair Play (FFP) oder Corona-Pandmie schränken offenbar nicht jeden ein. „Alle müssen sparen, wir haben Corona, aber ein Markt in England macht weiter, als ob nichts gewesen wäre“, berichtete Gladbachs Manager Max Eberl in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

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Foto: AP/Andre Penner

Es dürfte sicherlich kein Zufall sein, dass in den Furor um das Gebaren von Scheich- und sonstigen Investoren-Klubs ein Zuckerl der Europäischen Fußball-Union (Uefa) durchsickert. Die will nämlich im kommenden Jahr mit dem FFP machen, was die seit elf Jahren existierende Regelung nach Meinung von Kritikern faktisch längst geschehen ist: es abschaffen. Stattdessen soll einem Bericht von „The Times“ zufolge eine Gehaltsobergrenze eingeführt und Verstöße mit einer Luxussteuer bestraft werden. Beim FFP dürfen die Klubs in den zurückliegenden drei Jahren ein Defizit von maximal 30 Millionen Euro aufweisen.

Der neue Vorschlag sieht vor, dass künftig jährlich betrachtet wird und 70 Prozent des Umsatzes für Gehalt aufgewendet werden dürfen. Liegt man darüber, muss als Strafe die Luxussteuer gezahlt werden, die dann über einen Topf an Clubs verteilt wird. Erst Wiederholungstätern gilt wie nun beim FFP der Ausschluss vom europäischen Wettbewerb. Verabschiedet werden soll das auf einem Gipfel zur Zukunft des europäischen Fußballs im kommenden Monat in der Schweiz.

Dort wird auch Al-Khelaifi als Uefa-Exekutivmitglied und Chef der europäischen Clubvereinigung ein immenses Wort mitreden. Die Luxussteuer dürfte ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn Geld ist bei PSG und in Katar nun wahrlich nicht das Problem. Eberl nennt in diesem Zusammenhang den Messi-Deal als Beispiel. „Wenn er vor zwei Jahren ablösefrei gewesen wäre, hätten sich 30 Vereine um ihn gebalgt. Jetzt gab es einen, der das Gehalt bezahlen konnte“, sagte der 47-Jährige. Es sei eine ganz neue Zeit.

In dieser neuen Zeit wird ein nationales Problem womöglich auf die europäische Bühne übertragen: die Zweiklassengesellschaft. Hat man sich in den Ligen mittlerweile damit abgefunden, dass der Meister immer aus demselben elitären Kreis einiger weniger Klubs kommt, so könnte ein exklusiver Zirkel auch in der Champions League entstehen. Angeführt von jenen, die jetzt die Pandemie ausnutzen können. „Die Gewinner sind die Vereine, die Investoren haben, die sagen: Wir investieren jetzt, um eventuell vom Schaden der anderen zu profitieren“, betonte Eberl.

Nagelsmann hofft, dass die Uefa das Gebaren im Blick hat. „Die Uefa hat schon ein Interesse daran, dass es ein Wettbewerb bleiben soll“, sagte der 34-Jährige. Die Uefa schon, doch auch die Vereine? Der Vorstoß zur Europäischen Super League hat bereits gezeigt, dass die Klubs willens sind, ihr Geschäft auch ohne den Verband durchzuziehen. Der erste Versuch scheiterte zwar krachend, beerdigt ist das Projekt aber noch nicht. Gewiefte Taktiker dürften nur auf den richtigen Zeitpunkt warten.

Dass die Gehaltsobergrenze ein passendes Instrument ist, das der Chancengleichheit zugute kommt, bezweifelt Fanforscher Harald Lange. „Das macht nur für zwei oder drei Klubs in der Liga Sinn“, sagte der Wissenschaftler der „Frankfurter Rundschau“ und machte einen Gegenvorschlag: „Wenn ich das Durchschnittsgehalt eines Bundesligaprofis nehme und beispielsweise zehn Prozent on top rechne, wäre es eine ernste Debatte.“ Zu dieser wird es wohl aber nie kommen.

(stja/dpa)
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