"Entscheidung Mitte nächster Woche" DFB-Sportgericht vertagt Keller-Urteil und verzögert Rücktritt

Das Urteil im Verfahren gegen den scheidenden DFB-Präsidenten Fritz Keller wegen des von ihm verursachten Nazi-Eklats ist vertagt worden. Mit einer Entscheidung ist erst Mitte nächster Woche zu rechnen.

Das ist Fritz Keller - DFB-Präsident, Winzer, Patenkind von Fritz Walter
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Das ist Fritz Keller

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Den Dortmunder Pokalsieg verfolgte Fritz Keller als stiller Beobachter im Berliner Olympiastadion, seinen letzten großen Auftritt als DFB-Präsident hatte er aber hinter verschlossenen Türen - als "Angeklagter". In einer nicht öffentlichen mündlichen Verhandlung musste sich der 64-Jährige am Freitagnachmittag als erster DFB-Chef überhaupt vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes verantworten. Zwar vertagte die Ethikkammer das Urteil im Nazi-Eklat, auf Kellers für Montag angekündigten Rücktritt soll dies aber keinen Einfluss haben.

"Für Mitte nächster Woche ist mit einer Entscheidung zu rechnen", sagte Hans E. Lorenz, der als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts die Sitzung leitete, im Anschluss an die rund dreistündige Verhandlung. Schon am Dienstag hatte Keller seine "grundsätzliche Bereitschaft" erklärt, "nach Abschluss der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht" zurückzutreten.

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Nach dem massiven Druck und mehrmaligen Rücktrittsaufforderungen der Regional- und Landesverbände hatte Keller, der erst seit September 2019 im Amt war, seinen Rückzug angekündigt. Warum er dennoch den Gang vor das Sportgericht antrat, sorgte nicht nur bei Lorenz für Verwunderung. "Mit einer gewissen Überraschung" habe er Kellers Vorhaben wahrgenommen, sagte er dem SID im Vorfeld.

Aus Verbandskreisen war zu hören, dass Keller mit einem milden Urteil ein gesichtswahrender Abgang ermöglicht werden sollte - dabei war das nach seiner verbalen Entgleisung aus der Präsidiumssitzung am 23. April gar nicht mehr möglich. Dort hatte der DFB-Boss seinen Vizepräsidenten Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen und für allgemeines Entsetzen gesorgt, auch wenn Keller seither mehrfach um Entschuldigung gebeten hat.

Bereits beim DFB-Pokalfinale am Donnerstagabend hatte Keller nach der monatelangen Schlammschlacht in der Führungsspitze und dem Rücktritt vor Augen auf die Übergabe der Trophäe an den BVB verzichtet, dies verrichteten stattdessen zwei Nachwuchsfußballer. Ohnehin geht es beim DFB längst um die Weichenstellung für eine bessere Zukunft - und die ruft schon reichlich Kritik hervor.

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Denn während aus der heillos zerstrittenen Führungsspitze Generalsekretär Friedrich Curtius seinem Intimfeind Keller unmittelbar folgen will, darf ein Trio noch bis zum vorgezogenen Bundestag Anfang des kommenden Jahres weitermachen. Die Vizepräsidenten Koch (Amateure) und Peter Peters (Profis) werden den DFB interimsweise führen, auch Schatzmeister Stephan Osnabrügge soll bis zum Bundestag im Amt bleiben.

Besonders die Personalie Koch ist vielen ein Dorn im Auge. "Wir haben im DFB ja viele Neuanfänge gesehen. Deshalb sehe ich es auch etwas kritisch, wenn Rainer Koch wieder die Rolle zufällt, diesen Übergang zu organisieren", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, dem Bayerischen Rundfunk: "Er war in der Vergangenheit immer beteiligt - und was dabei herausgekommen ist, haben wir alle gesehen."

Aber auch Peters, als langjähriger Finanzvorstand mitverantwortlich für den Niedergang von Schalke 04, ist als Führungskraft fragwürdig. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus kritisierte bei Sky die Salami-Taktik als "Mogelpackung". Koch hatte zwar eine weitere Kandidatur als 1. Vizepräsident Amateure beim nächsten Bundestag ausgeschlossen - einen Verbleib im Präsidium als Vertreter des Süddeutschen und Bayerischen Verbandes aber nicht.

Dabei täte der DFB gut daran, sich durch einen kompletten Neuanfang wieder auf die wesentlichen Herausforderungen konzentrieren zu können. So forderte auch der scheidende Bundestrainer Joachim Löw am Rande des Pokalfinales, den Fokus künftig wieder auf den Sport zu richten. "Jugend und Amateure warten seit Monaten darauf, wieder spielen zu dürfen. Es muss endlich wieder um den Fußball gehen, das ist die Aufgabe, da ist der DFB gefordert", sagte Löw in der ARD.

(dör/SID)
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