DFB-Präsidentin aus Düsseldorf? Ute Groth will nur noch kurz den Fußball retten

Düsseldorf · Sie ist gelernte Bauzeichnerin und hatte mit Fußball lange Zeit am liebsten nichts zu tun. Heute leitet sie einen der größten Amateurvereine Düsseldorfs und will nicht weniger als Präsidentin des heillos verkrachten DFB werden. Ihr stärkstes Argument könnte sein, dass sich Ute Groth nicht besonders für Ute Groth interessiert.

 Ute Groth, Vorsitzende des DJK Tusa 06 Düsseldorf, steht am Fußballplatz des Vereins. 

Ute Groth, Vorsitzende des DJK Tusa 06 Düsseldorf, steht am Fußballplatz des Vereins. 

Foto: dpa/Henning Schoon

„Eigentlich“, sagt Ute Groth, „habe ich es immer gehasst, am Fußballplatz zu stehen.“ Heute will sie Präsidenten des größten Sportverbands der Welt und damit oberste Vertreterin seiner sieben Millionen Mitglieder werden. Und dabei auch ein wenig den Fußball retten, mit dem es bei ihr erst auf den zweiten Blick so richtig gefunkt hat.

Coronakrise, Nahostkonflikt, DFB – der geräuschvolle Abgang Fritz Kellers an der Spitze des Verbands fügte sich als Nachrichtenthema in den vergangenen Tagen nahtlos ein in die Krisen, die die Welt bewegen. Für die Verbliebenen in der DFB-Zentrale in Frankfurt keine ganz neue Erfahrung – sie haben bereits sattsam schlechte Presse ertragen müssen. Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach, Rainer Grindel – im Vergleich mit seinen Vorgängern war der Nazi-Vergleich, über den Keller schließlich stolperte und fiel, sogar noch eine vergleichsweise elegante Weise, sich aus dem Amt zu entfernen.

Mit dem leicht verschrobenen Winzer aus dem beschaulichen Freiburg sollte dabei ein Hauch von Bodenständigkeit durch die Flure des DFB wehen. Stattdessen steht der Verband 20 Monate nach Kellers Wahl noch schlechter da als zuvor. Viele gute Gründe also, um einen großen Bogen um die DFB-Zentrale an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise zu machen. Das hatte auch Groth zuletzt noch vor. Nachdem sie sich bereits 2019 als Nachfolgerin von Grindel ins Gespräch gebracht hatte und der DFB ihre Kandidatur schroff ausbremste, schloss sie Anfang Mai dieses Jahres einen weiteren Anlauf noch aus. Heute steht ihr Entschluss, es noch einmal zu versuchen. „Die Erfahrung mit den Gremien des DFB war frustrierend. Die haben mich vor eine Wand laufen lassen. Ich habe aber inzwischen gemerkt, dass es dringend erforderlich ist, dass man die Leute aufrüttelt und aktiv wird, um einfach ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich etwas ändern muss“, sagt Groth.

Für viel mehr Transparenz von unten nach oben trete sie an, um alte Strukturen aufzubrechen. Wenn Ute Groth über den DFB spricht, hört man viel Bekanntes. Der  größte Sportverband der Welt hat seine Grabenkämpfe schließlich auf großer Bühne aufgeführt, die Probleme liegen offen zutage. Bemerkenswert ist vielmehr, was man von der 62-Jährigen nicht hört: Ich-Botschaften, Werbung in eigener Sache – Fehlanzeige. Die Vorsitzende des Düsseldorfer Breitensportvereins Tusa 06 vermittelt glaubwürdig, dass sie gerne anderen den Vortritt lassen würde - solange die etwas verändern. Dass sie auch das zweite Präsidentschaftsrennen als Außenseiterin bestreitet, ist ihr bewusst. Doch das scheint nebensächlich – Groth geht es um die Diskussion darüber, was sich überhaupt verändern soll.

Die Aussicht, sich um 25.000 Amateurvereine zu kümmern, sei gleichwohl verlockend. „Viele bewegen sich am Existenzminimum, die Sportplätze sind veraltet, die Mittel je nach Kommune stark eingeschränkt. Diese Vereine in die Zukunft zu führen, empfinde ich als extrem reizvoll“, sagt die gelernte Bauzeichnerin. Rainer Koch, der nun interimsweise die Präsidentschaft übernimmt, gefiel sich stets in der Rolle des mächtigen Anwalts der Amateure. Gut vertreten fühlt sie sich als Klubvorsitzende allerdings keineswegs. Jüngstes Beispiel: Der Umgang mit der Corona-Pandemie, die viele Vereine vor existenzielle Probleme gestellt hat. Der DFB hat zwar mit der Petition „Draußen muss drin sein“ etwas angestoßen, „aber viel zu spät“, findet Groth. „Die Profis haben ein super Konzept vorgelegt, wie man wieder Sport treiben kann. Das ist auf den Amateursport so nicht übertragbar, aber es hätte mal einer auf einer Couch in einer Talkshow sitzen müssen und sagen: 'Die Kinder leiden unter Bewegungsmangel, da müssen wir etwas tun!' Es gab Vereine, die haben Konzepte gehabt, aber dann ist zu lange nichts passiert.“

Dass ein Kurswechsel bei einem großen Tanker wie dem DFB Kraft und Zeit erfordert, ist Groth durchaus bewusst. Auch der gescheiterte Reformer Keller begreift sich nach seiner Amtszeit als letztlich machtloses Opfer übermächtiger Strukturen. Deshalb will die Düsseldorferin den Posten auch nur übernehmen, „wenn andere Teams beim DFB arbeiten als jetzt.“ Gemeinsam mit Engelbert Kupka, Ehrenpräsident der SpVgg Unterhaching, oder den Initiatoren des Amateurfußball-Videoportals Hartplatzhelden, stehe sie schon länger im Austausch, um sich Gedanken über Perspektiven für den Amateurfußball zu machen.

Das klingt nach einer vielleicht zu großen Portion Idealismus für den konservativen DFB. Doch seit ihrem ersten Anlauf 2019 hat sich viel gewandelt. Das gesellschaftliche Klima scheint bereit für echte Veränderungen und es mehren sich Stimmen verschiedener Lager, die sich eine Frau an der Spitze des Verbands wünschen. Das nimmt Groth erfreut zur Kenntnis, gerät aber nicht in den Verdacht, eine Kampagne für ihre Person zu planen. Am Ende gehe es um Inhalte und Teamgeist. „Mir ist nicht egal, wer es macht, aber es haben sich schon etliche Leute gemeldet, die die gleiche Motivation haben wie ich. Da war noch keiner dabei, wo man das Gefühl hat: der will nur bei einem Länderspiel auf der Tribüne sitzen.“

Dass sich nun etwa neun prominente Frauen zu Wort gemeldet haben und Reformen im DFB fordern, findet Groth ermutigend. Sie will die Präsidentschaft dennoch nicht zur Geschlechterfrage machen: „Wichtig ist, dass man sich mit Inhalten beschäftigt und dann ist auch egal, wer das am Ende macht – ob Mann, Frau, grün, gelb oder lila. Wo will der Amateursport hin und lassen wir uns weiter von diesem Verband vertreten – das sind die Fragen, die geklärt werden müssen. Dabei ist die Person, die die Reformen voranbringt, letztlich egal.

Zugute kommt ihr die Erfahrung in ihrem Heimatverein und wohl auch ihr ganz persönlicher Zugang zum Fußball durch die Hintertür. „Als Mutter eines Kindes, das Sport treibt und durch einen fußballbegeisterten Ehemann“ sei sie überhaupt erst in Kontakt mit dem Sport gekommen. Was ihr anfänglich widerstrebte, überzeugte sie schließlich durch die Erfahrungen abseits des Platzes, einer Mannschaftsfahrt nach England etwa. „Ich habe gemerkt, dass das Vereinsleben ganz viel soziale Arbeit ist. Deshalb habe ich angefangen, mich zu engagieren, die Kinder- und Jugendtrainerausbildung beim DFB gemacht, Bambini und Jugend trainiert. Irgendwann war dann mal ein Vorstandsposten frei und seitdem glaube ich, dass wir das im Team nicht so schlecht gemacht haben.“

Eine soziale Arbeiterin käme dem DFB wohl nicht ungelegen. Und Ute Groth weiß, dass es im Sport meist mehr als einen Anlauf braucht.

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