Unternehmen Derbystar aus Goch Der Bundesliga-Spielball kommt vom Niederrhein

Goch · Das mittelständische Unternehmen Derbystar aus Goch liefert den offiziellen Spielball der 1. und 2. Fußball-Bundesliga.

 Der Spielball der kommenden Bundesliga-Saison kommt von Derbystar.

Der Spielball der kommenden Bundesliga-Saison kommt von Derbystar.

Foto: imago/Krieger/Klaus Rainer Krieger

So hört sich also die Liebeserklärung an einen Fußball an. „Ein Ball muss ehrlich sein. Ein Ball muss die perfekte Rundung haben“, sagt Andreas Filipovic. „Er muss optimale Sprung- und Flugeigenschaften haben. Was ein Ball nicht machen darf: die Spieleigenschaften verändern.“ Filipovic, 46, aus der Geschäftsleitung von Derbystar ist einer der Macher des neuen Bundesligaballs. Es gleicht einem Fußballmärchen, dass ausgerechnet ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus dem beschaulichen niederrheinischen Goch im Milliardenunternehmen Bundesliga mitmischt. Zur neuen Saison löst das Traditionsunternehmen den Sportriesen Adidas ab und stellt den offiziellen Spielball für die Bundesliga und 2. Liga.

Vor acht Jahren hat die Bundesliga ein weiteres Feld zur Vermarktung gefunden. Es wurde ein Einheitsball eingeführt. Als Derbystar sich in dem Ausschreibungsverfahren irgendwann zurückgezogen hatte, unkten nicht wenige, das könnte das Ende für jene Firma bedeuten, die vor 50 Jahren von dem Gocher Josef Moll-Thissen und Select-Gründer Eigil Nielsen – dänischer Nationaltorwart in den 1950er-Jahren – gegründet wurde. Sie entstand aus einer kleinen Lederfabrik, die neben Artikeln für den Pferdesport damit begann, Fußbälle zu produzieren. Spezialisiert hatte sich Derbystar auf die Herstellung von handgenähten Bällen. Man war das erste Unternehmen, das die Spielgeräte aus 32 Teilen des Kunststoffs Polyurethan herstellte. Und noch heute besteht der Ball aus Goch aus 20 Sechs- und zwölf Fünfecken. Wenn man die Teile so zusammensetzt, entsteht automatisch eine runde Kugel. Klingt simpel – aber bis zu der Erkenntnis war eine immense Forschungsarbeit nötig. Und bis heute investiert die Firma in eine eigene Entwicklungsabteilung. „Der Ball gilt heute immer noch als der mit den besten Flugeigenschaften“, betont Andreas Filipovic, der für Verkauf und Sponsoring verantwortlich ist, Joachim Böhmer obliegen in der Geschäftsleitung die Bereiche Produktion und Marketing. Seit 1991 gehört die Derbystar Sportartikel GmbH zu Select Sport A/S – einem dänischen Unternehmen. Derzeit setzen die Ligen in den Niederlanden, Finnland, Schweden, Island, Dänemark und Belgien auf offizielle Spielbälle von Derbystar/Select.

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Derbystar war nie weg. Dieser Satz ist Filipovic besonders wichtig. In den vergangenen acht Jahren, als der Liga-Ball eingeführt wurde und andere auf der großen Bühne spielten, sei es gelungen, den Umsatz mehr als zu verdoppeln. „Wir haben das geschafft, indem wir das aufgehoben haben, was andere liegen gelassen haben“, sagt Filipovic. Was er damit meint: In einer Zeit vor der großen Kommerzialisierung des Fußballs, gab es im Prinzip nur einen Ball. Und im Amateurbereich ist das bis heute noch überwiegend der Fall. „Es war nicht so, dass für uns die Arbeit an der Basis ein Abstieg gewesen ist. Im Gegenteil: Wir sind auf den Amateurplätzen zu Hause“, sagt er. „Wenn du dich da mit einem Produkt behaupten kannst, hast du nicht so viel falsch gemacht. Du bekommst ganz ehrliche, ungeschminkte Antworten. Und daraus lernen wir immer wieder dazu.“

Am Mönchengladbacher Bökelberg gab es einen legendären Stadionsprecher. Im breitesten Niederrheinisch verkündete Rolf Göttel bereits in den 1970er und 1980er Jahren: „Auch das heutige Meisterschaftsspiel wird wieder mit einem Derbystar-Spitzenball ausgetragen. Denn Derbystar-Bälle fliegen besser und halten länger.“ Über Jahrzehnte versorgte das Unternehmen aus der Provinz zahlreiche Fußball-Bundesligisten mit seinen Bällen. So wurden in der Saison 1979/80 alle 306 Erstliga-Begegnungen mit den Kugeln aus dem Hause Derbystar ausgetragen. Doch danach begann ein Wettstreit unter den Ausrüstern. Derbystar wählte seine Partner gezielt aus.

Warum hat sich die Liga nun wieder für Derbystar entschieden? Ein global bislang nur begrenzt aufgestelltes Unternehmen. Ein Mittelständler mit hierzulande 50 Mitarbeitern und einem Umsatz von 14 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Bei Adidas sind es 21 Milliarden. „Wir sind keine Sportmarke, sondern Ballspezialist“, sagt Filipovic. Und genau in dieser Nische zählen die Gocher zur absoluten Weltspitze, wenn es um Qualität und Zuverlässigkeit geht. „Unser Vorteil ist sicher, dass wir als kleines Unternehmen deutlich flexibler handeln können.“ Filipovic schweigt sich über Details zum Deal mit der DFL lieber aus.

Die Branche ist indes so überschaubar, dass einiges trotzdem an anderer Stelle durchgesickert ist. Die Bundesliga ist weiter darum bemüht, sich international breiter aufzustellen – auch mit dem dazugehörigen Ball. Konkurrenten sind da mitunter weniger flexibel, weil sie bereits mit einem anderen Produkt auf dem Markt sind. In den USA rüstet Adidas zum Beispiel die Major League Soccer (MLS) aus. Nordamerika zählt allerdings für die DFL zu den lukrativsten Regionen, in denen sie weiter expandieren will. Nun auch mit dem Ball.

Für Derbystar ist es eine gute Plattform, die eigene Bekanntheit zu steigern – und auch eigene Erfolge mehr hervorzuheben. Jeder Bundesligist erhält von Derbystar am Anfang der Saison rund 250 Bälle. Dazu kommen noch etwa 50 Winterbälle in grellen Farben, um sie auch bei Schneetreiben zu erkennen. Eine Besonderheit des aktuellen Bundesligaballs: Auf der Oberfläche ist eine Golfballstruktur, um eine gesteigerte Flugstabilität zu garantieren. In den vergangenen Monaten hat Derbystar mit einigen Bundesligisten geheime Tests durchgeführt. Neben den Tests im Windkanal und in Labors kamen in der ersten Phase bis zu zwölf verschiedene Bälle zum Einsatz, die unter Trainingsbedingungen getestet worden sind. „Torschuss, Flanken, Dribbeln – wir haben uns intensiv mit Spielern unterhalten, um zu erfahren, was wir noch besser machen können“, erzählt Filipovic, der seit 2005 für Derbystar arbeitet. „Wir wollten ein ehrliches Produkt entwickeln.“ Herausgekommen ist der schnellste Ball, der jemals in der Bundesliga gespielt wurde.

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Foto: dpa/Marius Becker

Die Herstellung ist schon längst nicht mehr in Goch. Die jährlich rund drei Millionen Bälle werden bei Anwar Khawaja Industries von rund 3500 Nähern in der pakistanischen Industriestadt Sialkot hergestellt. Filipovic weiß, dass nun die Frage nach den Arbeitsbedingungen kommt. „Wir werden das natürlich völlig zu Recht gefragt.“ Man habe, sagt Filipovic, keine Angst davor, dass die Arbeitsbedingungen in den dortigen Produktionsstätten überprüft würden. „Derbystar ist sich seiner Verantwortung bewusst.“ Das Unternehmen initiierte ein Programm, durch das die Arbeiter sowie deren Familienmitglieder sozial abgesichert sind. „80 Prozent der Fußbälle kommen aus Sialkot. Wir sind die einzigen, die dort eine eigene Produktionsstätte haben.“ Grund dafür ist, dass der pakistanische Produzent 49 Prozent der Anteile an Derbystar hält. So hat man sich gegenseitig ein exklusives Geschäft gesichert.

Ab Freitag rollt der Ball zum ersten Mal wieder in der 2. Liga – bei der Partie Hamburger SV gegen Holstein Kiel. Für das Gocher Unternehmen wird das auf jeden Fall ein Feiertag.

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